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Dieses Debut zeigt eine weitere Facette des anerkannten Autors, Übersetzers und Kritikers Heinrich Detering.Seit einigen Jahren schon sind Gedichte von Heinrich Detering in Zeitschriften und Anthologien erschienen, unter anderem in der »Neuen Rundschau« und im »Jahrbuch der Lyrik«. In diesem Band sind zum ersten Mal ältere und neue Texte gesammelt. Sie bilden einen Zyklus musikalisch leichtfüßiger Poesie über Alltag und Epiphanie.

Produktbeschreibung
Dieses Debut zeigt eine weitere Facette des anerkannten Autors, Übersetzers und Kritikers Heinrich Detering.Seit einigen Jahren schon sind Gedichte von Heinrich Detering in Zeitschriften und Anthologien erschienen, unter anderem in der »Neuen Rundschau« und im »Jahrbuch der Lyrik«. In diesem Band sind zum ersten Mal ältere und neue Texte gesammelt. Sie bilden einen Zyklus musikalisch leichtfüßiger Poesie über Alltag und Epiphanie.
Autorenporträt
Heinrich Detering, geb. 1959, lehrt deutsche und skandinavische Literatur an der Universität Kiel.Neben wissenschaftlichen Arbeiten und Literaturkritiken veröffentlichte er auch Essays, Gedichte und literarische Übersetzungen. Er ist Mitherausgeber der kommentierten Ausgabe der Werke, Briefe und Tagebücher von Thomas Mann.Im Wallstein Verlag erschien:Das offene Geheimnis. Zur literarischen Produktivität eines Tabus von Winckelmann bis zu Thomas Mann (1994/2002; ISBN 3-89244-617-2).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2004

Aus dem Staube in den Staub
Abwechslung der unerwarteten Art: Heinrich Deterings Gedichte

Ein Debüt, behauptet der Verlag. Er irrt. Denn schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert veröffentlichte Heinrich Detering, damals gerade neunzehn Jahre alt, den Gedichtband "Zeichensprache", der allerdings kaum größere Beachtung fand. Inzwischen ist aus dem jugendlichen Adepten ein Meister seines Fachs geworden, ein Kritiker und Übersetzer, ein Literaturprofessor und Juror, der Preise vergibt und Preise erhält, wie etwa im letzten Herbst den "Preis der Kritik" vom Hoffmann und Campe Verlag. Daß dieser Fachmann, der seinen Studenten von Berufs wegen Gedichte erklären muß, der es gewohnt ist, poetische Texte freimütig zu bewerten, und der die Leser dieser Zeitung regelmäßig frischweg über literarische Neuerscheinungen informiert, sich nun selbst auf die lyrischen Finger schauen läßt, verdient Respekt.

Natürlich beherrscht er das Handwerk und dessen gegenwärtige Handhabung: Es gibt originell gereimte, aber auch reimlose Verse, sehr kurze und weit ausgreifende Zeilen, gelehrte Anspielungen und schnoddriges Alltagsparlando, Gedichte in eigener Person und Rollengedichte, monologische und dialogische Gedichte, muntere Sprachspiele und stille Reflexionen - für Abwechslung ist also gesorgt. Und auch für eine scheinbar strenge Komposition des Ganzen: Viermal zwölf Gedichte enthält der Band und zusätzlich ein vorangestelltes ("über dem Eis") und ein abschließendes ("über dem Waldmeer") Gedicht; es geht in diesen beiden umrahmenden, wunderschön gereimten Gedichten, die formal und thematisch korrespondieren, um nichts Geringeres als um die Empfindung der Sprachlosigkeit, Heimatlosigkeit, Gestaltlosigkeit, Endlosigkeit angesichts der Elemente Wasser, Wind, Land und Licht, mit anderen Worten um die Aporie der Moderne: das Schreckliche wird schön, und das Schöne wird schrecklich durch Kunst.

Das ist freilich recht hoch gegriffen. Es fehlt diesen (und einigen anderen) Texten des Bandes die Bodenhaftung, das Konkrete. Goethe sprach in solchen Fällen vom "Nebeln und Schwebeln", das Gedichten nicht gut bekomme. Solche "Schwebstoffe", die in dem sie umgebenden Element nicht oder kaum zu Boden absinken, haben es dem Lyriker Detering offensichtlich angetan. Er findet sie - "welch herrliche Katastrophe"! - in den Schneekugeln Salzburgs ebenso wie "zwischen See und Sand": "Schwebstoffe die wir sind / machen wir uns aus dem Staube / leichthin auf in den Staub". Und: "über das Wasser geht / eine Stimme, lautlos".

Doch sollte man die Simplizität und Verständlichkeit dieser Verse nicht unterschätzen. Hinter ihrer Sensationslosigkeit verbergen sich nicht selten die Raffinesse und Artistik einer Kunst, die komplizierte Beziehungsverhältnisse auf einfache und sinnfällige Weise zu formulieren weiß. Das Gedicht "Leib", das die Ununterscheidbarkeit von mein und dein in einer Liebesbeziehung demonstriert, ist ein Musterbeispiel dafür, und mehrfach werden Perspektivenwechsel und unendliche Vervielfältigungen spiegelbildlicher Relationen auch formal abgebildet durch die Wiederholung von Versen in veränderter Reihenfolge. Gern experimentieren die Texte mit Redewendungen ("übers Jahr ins Blaue / aufs Neue ins Bockshorn / durch Dick und Dünn / ums Verrecken zum Totlachen") oder mit poetischen Zitaten, von denen einige in Anmerkungen nachgewiesen werden.

Ganz autobiographisch dagegen gibt sich das Gedicht "Phantom, Schmerz", in dem der Verfasser als inzwischen älter gewordener Bob-Dylan-Fan spricht, der sich an Konzerte des Rockmusikers in deutschen Städten seit den siebziger Jahren erinnert. Er spürt die Brandwunden, die er sich, "als ich noch sehr jung war", beim Zuhören des Songs "Saving Grace" zugezogen hat, immer noch ganz handgreiflich als nostalgischen Phantomschmerz. Man merkt diesem Gedicht an, wie prägend Bob Dylan für eine ganze Generation gewesen ist, die inständig das "Forever Young" gebetet hat. Inzwischen hat der Germanist Detering dem Rock-Klassiker und Poeten Dylan sogar eine literaturwissenschaftliche Studie gewidmet, und er empfiehlt, wie seine im Internet verbreitete Leseliste der Weltliteratur zeigt, auch seinen Studenten, sie sollten jedenfalls Dylans "Writings and Drawings" kennen. Das muß man ihnen sicherlich nicht zweimal sagen. Bis auch die "Schwebstoffe" so weit kommen, dürfte noch einige Zeit vergehen.

WULF SEGEBRECHT

Heinrich Detering: "Schwebstoffe". Gedichte. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 72 S., geb. 17,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.05.2005

Das Eichhorn turnt im Blau
„Schwebstoffe”: Ein halbes Hundert Gedichte von Heinrich Detering
„Mitglied in den Jurys für den Kleist-Preis, den Thomas-Mann-Preis, den Büchner-Preis und die Preise der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, den Lessing-Preis, den Mörike-Preis und den Fallada-Preis”, liest man in der Kurzbiographie des Literaturwissenschaftlers Heinrich Detering. Von Poesie versteht er da wohl eher zu viel als zu wenig, um selber zu dichten! „Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt” - das hat Lessing zwar ein für allemal klargestellt: „Ich finde meine Suppe versalzen: darf ich sie nicht eher versalzen nennen, als bis ich selbst kochen kann?” Aber was für eine Herausforderung für den Feinschmecker mit dem unbestechlichen Urteil, wenn er sich selbst unter die Köche begibt!
Die meisten Gedichte in diesem schönen Bändchen vermitteln beim ersten Lesen einen Eindruck von Spontaneität, von punktueller Inspiration. Sie geben gleichzeitig zu verstehen, dass der Dichter sie mit Eifer und Sorgfalt komponiert hat, ohne an ihre zukünftige Bestimmung für einen Gedichtband zu denken. Das ist ein Vorzug, es gibt den einzelnen Gedichten mehr Auslauf, thematische Nötigungen fallen weg, die Gedichte müssen sich nicht gegenseitig bespiegeln - aber es ist auch ein Nachteil, wenn sie dann doch ein Buch bilden und einer neuen ästhetischen Forderung, sozusagen einer zweiten Poetisierung gehorchen müssen. So findet sich vor und nach den vier Abteilungen von je zwölf Gedichten ein Prolog- und ein Epiloggedicht fast gleicher Form und sehr ähnlichen Inhalts: „ÜBER DEM EIS / niemandes Sprache...” und „ÜBER DEM WALDMEER / das letzte Licht ...”. Eine noch stärker bindende semantische Kraft geht vom Titel aus, der in ehrwürdiger Tradition einen Sachbegriff poetisch auflädt: „Schwebstoffe”, wie „Leaves of Grass”, „Tumulus” oder „Katzenkopfpflaster”. Das Wort stammt aus dem Gedicht „in the balance”, das Bilder aus See und Sand evoziert, um in einer letzten Strophe den barocken Schluss zu ziehen: „Schwebstoffe die wir sind / machen wir uns aus dem Staube / leichthin auf in den Staub” - ein Gedicht über die conditio humana, dem „wir” die Zustimmung nicht versagen können. Aber hätte für das Sujet auch ein „Ich” geradestehen können?
Ein Gelehrter, der dichtet, hat einen natürlichen Hang zum poeta doctus, das ist sozusagen seine erste Natur. Die beiden klug komponierten Gedichte unter der Überschrift „Carl von Linné schreibt an seinen Sohn” repräsentieren ein solches Rollenspiel, wie vor allem Durs Grünbein es gern virtuos praktiziert. Eine Seite mit Anmerkungen hilft hier dem Leser weiter, der, wie gelehrt auch immer, für solche Hilfen viel dankbarer ist, als die Dichter sich vorstellen mögen.
Lauter Glanz von innen
Eine profundere Gelehrsamkeit ist freilich da nötig, wo Anspielungen auf den literarischen Kanon begegnen, und da bleiben die Anmerkungen stumm: „Marduk, Bahnhofstraße” zitiert den Moloch Großstadt oder Georg Heyms Baal, aber zeichnet ein trügerisch-idyllisches Gegenbild dazu: „und dabei sieht Frankfurt so still aus im Dunklen / so festlich so fern und so still aus im Dunklen / die gläsernen Wände selig scheinen sie in sich selbst”. Darf man das lesen, ohne an Mörike zu denken, an seinen geheimnisvollen Vers aus dem Gedicht „Auf eine Lampe”: „Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst” - und an den Briefwechsel, den einer unserer bedeutendsten Philosophen, Heidegger, mit einem unserer damals bedeutendsten Literaturwissenschaftler, Staiger, über das Wörtchen „scheinen” und die Ästhetik des Kunstschönen unterhalten hat?
Wenn man denn daran denken muss, schlagen die Wellen von poetischer Überschussbedeutung vollends über einem zusammen. Aber die nächste Strophe sagt vielleicht ganz genau, was hier zu sagen war: „die Wände nichts als großer Glanz von innen”. Mörikes biedermeierliches „Kunstgebild der echten Art” scheint da wie ein rücksichtsloser Störsender dazwischengefunkt zu haben.
Immer wieder findet Detering poetische Substanz im Alltag: „Selbst // die Dunkelheit kommt so / erscheint im Abteilfenster allmählich / mein Spiegelbild // allmählich erscheint im Abteilfenster / mein Spiegelbild so / kommt die Dunkelheit”. Diese rückläufige Wiederholung ist zwar ein rhetorisches Klischee für einen Creative-Writing-Kurs, aber mit wenig Aufwand schweift so doch der Blick über das bloß Gesehene hinaus. Die Offensichtlichkeit des Mittels ist gewiss auch der Ausdruck einer Scheu des Autors vor undurchsichtigen poetischen Manipulationen. Das gilt auch für die gelegentlich benutzten Reime. Der Dichter scheut sich vor großen Worten - und sagt vielleicht deswegen gern englische Wörter, die sozusagen als fremde Gäste den Hauch des Poetischen schon mitbringen, parodistisch im „Nice to Meet You (St. Louis Ragtime), einschmeichelnd im „out of the blue” von „Annunciation”. Manchmal nimmt er seine Leser mit zu einem virtuosen Sprung wie ihn amerikanische Eichhörnchen („squirrels”) ganz furchtlos praktizieren, wenn er sie „so beiläufig unter uns” findet - „wie die Engel die Düfte die Stimmen der Toten.”
Hier mag mancher Leser noch ein Zögern spüren, besonders wenn ihm solche Tierchen wie „im Forest Park West St. Louis an der Eads Bridge am Fluss” auch sonst häufiger begegnen - in der großen Evokation von Bob Dylan in „Phantom, Schmerz” reißt der Dichter uns unwiderstehlich mit: „... wie mir / vor dreiundzwanzig Jahren das Feuerzeug in der Hand explodierte / im Olympiastadion als ich noch sehr jung war und er Saving Grace sang und tauben / Ohren predigte und ich zum ersten Mal dachte das / ist nun Dylan in Deutschland und meine Brandwunden leckte die ich / immer noch spüre.”
HANS-HERBERT RÄKEL
HEINRICH DETERING: Schwebstoffe - Gedichte. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 72 Seiten, 17 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Die Balance stimmt! Jan Wagner ist hocherfreut über die Gedichte von Heinrich Detering, die zwar nicht immer ganz perfekt klingen, die aber dennoch, wie die Stoffe des Titels, die Schwebe halten: zwischen Alltäglichem und Metaphysischem, "zwischen so unscheinbaren Themen wie 'Schneekugeln' und historischen Schwergewichten wie Dürer und Nietzsche, dem man im zärtlichen Zwiegespräch mit den Wellen des Mittelmeers begegnet", zwischen der Formbewusstheit des Literaturwissenschaftlers und der lyrischen Intuition. Garant dafür ist des Autors "Vertrauen in die Sinne", "ganz zu schweigen von Deterings humoristischer Seite". Und so, lobt der Rezensent, werden etwas schwächere, wenn auch nie wirklich störende Gedichte von den vorzüglichen jederzeit aufgewogen.

© Perlentaucher Medien GmbH