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Kennengelernt haben sie sich im Sommer 1969 im Ausflugslokal Nonnenhof, sie als Aushilfskellnerin nach dem Abitur, er als Geschirr-Abräumer - und blieben dann bis 1982 ein Paar, wenn auch selten zusammenlebend: sie meist in Berlin oder Leipzig, er meist in Meuselwitz.In kleinen, behutsamen Texten beschreibt Margret Franzlik ihr gemeinsames Leben - mit seiner Familie, mit manchmal anstrengenden Freunden, mit der 1980 geborenen Tochter, mit dem Schriftsteller, der sich die Zeit zum Schreiben regelrecht stehlen muss, aber manchmal auch gerne stehlen lässt, über das rastlose Lesen, das Klauen von…mehr

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Produktbeschreibung
Kennengelernt haben sie sich im Sommer 1969 im Ausflugslokal Nonnenhof, sie als Aushilfskellnerin nach dem Abitur, er als Geschirr-Abräumer - und blieben dann bis 1982 ein Paar, wenn auch selten zusammenlebend: sie meist in Berlin oder Leipzig, er meist in Meuselwitz.In kleinen, behutsamen Texten beschreibt Margret Franzlik ihr gemeinsames Leben - mit seiner Familie, mit manchmal anstrengenden Freunden, mit der 1980 geborenen Tochter, mit dem Schriftsteller, der sich die Zeit zum Schreiben regelrecht stehlen muss, aber manchmal auch gerne stehlen lässt, über das rastlose Lesen, das Klauen von 'West-Büchern'auf der Messe in Leipzig, das private und berufliche Heizen, Rockmusikabende in Meuselwitz, Erfahrungen mit der Obrigkeit - von der Zensur bis zum Gefängnis und schließlich die Wiederbegegnung nach dem Mauerfall.Kombiniert mit vielen Fotos und Faksimiles, kurzen Zitaten aus Hilbigs Briefen und Postkarten an die Autorin gelingt ihr ein intensives, einfühlsames Buch über die frühe Zeit des damals noch völlig unbekannten Schriftstellers und Dichters.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Wolfgang Hilbig, 1941 in Meuselwitz/Thüringen geboren, arbeitete als Werkzeugmacher und Montage-Arbeiter; 1967 war er offizielles Mitglied im 'Zirkel schreibender Arbeiter' in Leipzig, wurde aber schon 1968 wegen seiner Texte und seine Sympathie für den Prager Frühling ausgeschlossen. 1970 kehrte er nach Meuselwitz zurück und arbeitete dort in der Maschinen-Fabrik als Heizer. Nebenbei schrieb er Gedichte und Prosa. 1978 war er für kurze Zeit wegen 'staatsfeindlicher Handlungen' in Haft, zog danach nach Ost-Berlin, wo er seit 1979 als freier Schriftsteller lebte. 1979 erschien auch sein erstes Buch, der Gedichtband 'Abwesenheit', im S. Fischer Verlag in der Bundesrepublik. 1985 verließ er die DDR. Nach drei Romanen, 'Eine Übertragung', ' Ich' und 'Das Provisorium', gehörte er zu den von Lesern und Kritikern meistgeschätzten deutschen Schriftstellern. 1989 erhielt er den Ingeborg-Bachmann-Preis, 1994 den Bremer Literaturpreis, 1997 den Fontane-Preis, 2002 den Peter-Huchel-Preis und

den Georg-Büchner-Preis. Im Juni 2007 starb er in Berlin und ist dort auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof begraben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.08.2014

Kaschi, Schrips
und Katze
Margret Franzliks Erinnerungen
an den jungen Wolfgang Hilbig
Dies ist eine Erinnerung aus der Vorzeit. Niemand konnte ahnen, dass aus dem gelernten Bohrwerksdreher und späteren Heizer in der Maschinenfabrik „John Schehr“ in Meuselwitz der Büchnerpreisträger und einen eigenen Mythos entfaltende Schriftsteller Wolfgang Hilbig werden würde. 1979 erschien im S. Fischer Verlag, im bundesdeutschen Ausland, Hilbigs Lyrikband „Abwesenheit“, da war der Autor 38 Jahre alt und, ungreifbar im Osten lebend, in Buchform endlich aus der völligen Abgeschiedenheit hervorgetreten.
  Man wusste nichts von ihm, und im Grunde weiß man auch heute noch nicht allzu viel über das Leben dieses Dichters, der 2007 starb. Vor allem die frühe Zeit ist immer noch ins Dunkel getaucht; eine vage Ahnung vermitteln einzig Hilbigs eigene literarische Texte und seine gelegentlichen Interviews und Erinnerungen, die aber in den Farben und den Bezügen häufig wechseln. Lange Zeit wusste kaum jemand, wie sich das Meuselwitzer Familienleben, die ersten Beziehungen und die Selbstversuche als Schriftsteller wirklich darstellten.
  Margret Franzliks fragmentarische Erinnerungen ändern daran nicht sehr viel, denn sie wollen nicht als Hilbig-Biografie gelesen werden. Aber sie liefern, nach einem ersten Versuch der jungen Germanistin Karin Lohse vor wenigen Jahren, weitere kleine Bausteine. Franzliks „Erinnerung an Wolfgang Hilbig“ besteht aus kurzen, beiläufigen Skizzen, die die Gefühle und Krisen in ihrer Beziehung nie thematisieren, sondern Schauplätze und kleine Begebenheiten ins Zentrum rücken. Die beiden lernten sich 1969 kennen, in der HO-Naherholungsgaststätte „Nonnenhof“ am Tollensesee bei Neubrandenburg. Sie war damals gerade mal 19 Jahre alt und wartete den Sommer über auf einen Studienplatz, er war mit 28 von Meuselwitz zusammen mit dem Freund Gert Neumann in den Norden gegangen, um den Sommer über die Existenz eines freien Schriftstellers auszuprobieren.
  Ihre Beziehung dauerte immerhin bis Anfang der Achtzigerjahre, die gemeinsame Tochter Constance wurde 1980 geboren, und Margret Franzlik zählt die Namen der „Clique“ auf, mit der Hilbig um das Jahr 1970 herum in Meuselwitz zusammen war, man besuchte gemeinsam Rockkonzerte im Stadthaus: Eschi, Schrips, die Katze, der Beatle, Dionys Kohl, der junge Liedermacher Dieter Kalka und andere. Danach ging es noch mit Wein zu Eschi in seine „Bärenhöhle“ in Zipsendorf, zu Schmidtke in dessen fast leeres Haus am Baderdamm, zu Schrips in die Kressestraße oder zur „Katze“ in der Nähe der Poliklinik. Zu Hilbig ging es allerdings nie, seine Mutter musste früh zur Arbeit.
  Hilbigs Spitzname war „Kaschi“, nach seinem aus Ostpolen stammenden Großvater Kasimir Startek. Dieser Großvater sprach nur schlecht Deutsch. Aber bis zu seinem Tod 1972 mit 84 Jahren war er zusammen mit seiner Frau Paula die Seele des Hauses – er hatte sie als Witwe geheiratet, nachdem er zunächst als Untermieter bei ihr gewohnt hatte. Margret Franzlik erinnert sich daran, dass die Starteks regelmäßig zwei Schweine („Kutscheln“) fütterten; das Schlachten im Hof verfolgten die Jüngeren vom Fenster aus. Und die „Wickelniere“ war in Meuselwitz das klassische Sonntagsessen: Kaninchenfleisch samt Nieren, eingerollt in Schweinefleisch. Im Haus wohnte noch Marianne, die Tochter der Starteks und Hilbigs Mutter – Max, der Vater, galt bereits eineinhalb Jahre nach Wolfgang Hilbigs Geburt im Kriegsjahr 1943 als vermisst.
  Es sind Erinnerungen, die die Genese des Dichters Hilbig beschwören und die privaten Konstellationen nicht weiter problematisieren. Wie es schließlich zur Trennung zwischen Wolfgang Hilbig und Margret Franzlik kam, wird genauso ausgespart wie alle anderen emotionalen Irritationen. Der Gestus des Buches ist nüchtern, aber untergründig doch aufgeladen mit Pathos.
  Zu den atmosphärisch zum Teil sehr dichten Abbildungen gehört eine Quittung, die der Buchhändler Fiedler in seinem kleinen Laden in der Meuselwitzer Bahnhofstraße dem unbekannten Heizer Hilbig Anfang der Siebzigerjahre ausstellte: über einige Exemplare der Zeitschrift Sinn und Form und der Wochenzeitung Sonntag – dieser kleine Laden war wie ein Tor zur Welt. Und die langjährige Wohnung in Berlin-Lichtenberg wird mit ihren Kohleproblemen, den unzugänglichen Kellerfluchten und dem verfallenden Treppenhaus als Urgrund Hilbigscher Literaturphantasien evoziert.
  Einmal erscheint ein Bild, wie Hilbig spät in der Nacht angetroffen wird, „ein Dichter bei der Arbeit“: Er schreibt, und im Kachelofen prasselt das Feuer. Am Schluss heißt es: „Der Heizer hat ganze Arbeit geleistet.“ Dieses Erinnerungsbuch ist Arbeit am Mythos, aber gleichzeitig gibt es dem Rätsel, das der Schriftstellerexistenz Wolfgang Hilbigs anhaftet, einige Konturen mehr.
HELMUT BÖTTIGER
      
  
  
  
    
  
Margret Franzlik: Erinnerung an Wolfgang Hilbig. Transit Verlag, Berlin 2014. 104 Seiten mit Fotos, 16,80 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dem Geheimnis Wolfgang Hilbig kommt Rezensent Helmut Böttiger mit diesem Buch nicht auf die Schliche, gern gelesen hat er es aber dennoch. Margret Franzlik schreibt hier allerdings auch keine Biografie, berichtet der Kritiker, vielmehr erinnert sich die einstige Geliebte und Mutter seiner Tochter Constance in kleinen Skizzen und Prosastücken an Schauplätze und Anekdoten, die stets Emotionales und Privates aussparen. Der Rezensent lernt hier den gemeinsamen Freundeskreis der beiden kennen, Schrips und Katze etwa, mit denen man in der "Bärenhöhle" in Hilbis Heimatort Meuselwitz nach Rockkonzerten noch einen Wein trank. Auch an Hilbigs Großeltern, das Schweineschlachten und Erlebnisse beim Buchhändler Fiedler erinnert sich Franzlik, meianst nüchtern, aber doch bisweilen mit "untergründigem Pathos", so Böttiger, der Hilbig nun zumindest mit mehr Konturen sieht.

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