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Soll er allein in den Westen abhauen! Ein Leben ohne den Stiefvater, das ist die Freiheit, die sie sich wünscht.
Der Roman einer Kindheit, packend geschrieben aus der Perspektive des Mädchens Marie: eine Kindheit zwischen Ausbrüchen von Gewalt, Angst, Widerstand und einer geglückten Flucht.

Produktbeschreibung
Soll er allein in den Westen abhauen! Ein Leben ohne den Stiefvater, das ist die Freiheit, die sie sich wünscht.

Der Roman einer Kindheit, packend geschrieben aus der Perspektive des Mädchens Marie: eine Kindheit zwischen Ausbrüchen von Gewalt, Angst, Widerstand und einer geglückten Flucht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.01.2005

Eine unaufhaltsame Lawine
Vom Unglück adoptiert: Inka Bachs „Glücksmarie”
Wenn Marie es nicht mehr aushält, geht sie auf „Exkursionen”, trödelt auf dem Heimweg von der Schule, opfert ihr mageres Taschengeld für eine ziellose Taxifahrt. Oder sie flüchtet in die Welt der Bücher. Mit Tom Sawyer und Huckleberry Finn schippert sie über den Mississippi, mit den Heroen aus Schwabs „Sagen des klassischen Altertums” über das Mittelmeer. Und dann ist da noch die größte „Exkursion”, von der Marie manchmal träumt: die Reise in den Tod. Im Selbstmord kann sie die einzige Möglichkeit erkennen, eines Tages ihrer unerträglichen familiären Situation zu entkommen.
Marie wächst im Ost-Berlin der sechziger Jahre auf. Nach dem frühen Unfalltod ihrer Eltern haben ihre Tante und deren Mann sie adoptiert. Carola und Herbert stammen aus einfachen Verhältnissen, haben aber die Möglichkeiten, die ihnen der SED-Staat eröffnet, geschickt genutzt, um Karriere zu machen: er als Frauenarzt, sie als Augenärztin. Vereint bereiten sie Marie die Hölle auf Erden. Carola sieht in ihr ein kostenloses Dienstmädchen und missbraucht Marie andererseits als ihre Vertraute. Wenn sie vom cholerisch-egomanen Herbert wieder einmal zusammengeschlagen worden ist, muss Marie ihr beistehen.
Carola ist Herbert hörig; zu der Scheidung, von der sie mitunter phantasiert, wird sie sich nie entschließen. Ohne Aussicht auf Hilfe muss daher auch Marie die Gewaltausbrüche ihres Stiefvaters über sich ergehen lassen: „Wenn er sich nur sehen könnte! Dieses verzerrte Gesicht, das Übelkeit auslöst. Wie er ein anderer wird. Außer Kontrolle geraten. Eine Lawine, die wächst und wächst und rollt und rollt. Nicht mehr aufzuhalten. Herbert, in seinem Lauf, hält weder Ochs, noch Esel auf. Ist was? Carolas Blumen stören. Herbert fegt sie vom Tisch. Er atmet schwer. Drischt weiter auf mich ein. Eine Schwerstarbeit, die er da vollbringt. Seine Erregung steigert und steigert sich. Wann ist der Höhepunkt erreicht? Kann er denn immer noch?”
Von einem ungeliebten, misshandelten Kind zu erzählen - dieser Wunsch stand wohl am Anfang der Niederschrift von „Glücksmarie”. Wo die Autorin ihm folgt, gelingen ihr beklemmende Szenen. Die Mischung aus maßloser Wut und völliger Ohnmacht, die Marie empfindet, ist vor allem im ersten Teil des Romans treffend geschildert. Im zweiten Teil dagegen tritt Marie, die inzwischen die Pubertät erreicht hat, als Ich-Erzählerin zurück. Erzählt wird nun auch aus der Sicht von Herbert, der immer größere Zweifel am Sozialismus zu hegen beginnt und nach dem Ende des Prager Frühlings beschließt, mit seiner Familie die DDR zu verlassen. Dieser Teil ist weit weniger überzeugend. Die Ausweitung der Perspektive über Marie hinaus bereichert den Roman nicht, sondern verarmt ihn: Er verliert sich im Ungefähren.
Die Anspielungen auf „Lolita”, auf „Undine geht” und die „Todesarten” von Ingeborg Bachmann mögen thematisch berechtigt sein, können aber „Glücksmarie” nur zum Nachteil gereichen. Schlicht überflüssig ist schließlich die in einem lyrisierenden Jugendbuchstil gehaltene Variation von Andersens Seejungfrau-Märchen, die sich in Fortsetzungen bis auf die letzten Seiten schleppt. Hätte Inka Bach sich auf den Kern ihres Unternehmens konzentriert, ihr wäre ein ergreifendes Stück Literatur geglückt. So hat sie einen eher schwachen Roman geschrieben, in dem sich eine starke Erzählung verbirgt.
CHRISTOPH HAAS
INKA BACH: Glücksmarie. Roman. Transit Verlag, Berlin 2004. 188 Seiten, 16,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Rezensent Christoph Haas kommt zu keinem besonders guten Fazit dieses Romans. Seiner Meinung nach hat die Autorin "einen eher schwachen Roman geschrieben, in dem sich eine starke Erzählung verbirgt". Diese starke Erzählung spielt vor allem in der ersten Hälfte des Romans eine Rolle, in dessen Mittelpunkt ein "ungeliebtes, misshandeltes Kind" steht. Diesen Erzählstrang findet Haas noch überzeugend geschildert, doch sobald sich der Roman thematisch erweitert und den Vater ins Zentrum der Geschichte stellt, geht die Stringenz verloren: "Er verliert sich im Ungefähren." Auch fügen sich die ganzen literarischen Anspielungen, die Autorin Inka Bach, in ihrer Geschichte untergebracht hat, nach Haas Ansicht keineswegs günstig ins Ganze ein. Das ist in den Augen des Rezensenten bedauerlich: "Hätte Inka Bach sich auf den Kern ihres Unternehmens konzentriert, ihr wäre ein ergreifendes Stück Literatur geglückt."

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