Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 2,80 €
Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Verschiedene Texte zu modernerLyrik
Autorenporträt
Michael Braun ist Privatdozent am Institut für Deutsche Sprache und Literatur der Universität zu Köln und Leiter des Referats Literatur bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Augustin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.05.2003

Vorbei die Zeiten
der toten Götter
Der Kritiker Michael Braun
über die gegenwärtige Lyrik
Die Dichter dichten, was das Zeug hält. Aber sie dreschen den Sandsack, der Ring ist leer, die Tribünen sind abgeräumt. Der Literaturkritiker Michael Braun macht sich Benns Leerstandsmeldung zu eigen. Er stellt eine kleine Auswahl prominenter Jeremiaden über die fehlende Resonanz, den Treubruch der Leser ins Motto seiner Essays über Gegenwartsliteratur.
Brauns literaturkritische Arbeiten haben immer Gewicht. Zuletzt legte er zusammen mit Hans Thill eine Anthologie der Lyrik der neunziger Jahre vor. Damals kostete es ihn noch sichtlich Mühe, die Pluralität der Stimmen und Stilmasken und die Disparatheit der Stichwörter editorisch zu bändigen. Nun setzt er das Gespräch über Gedichte in diskursiver Form fort.
Die Erholungsphase der Lyrik zunächst von der Politisierung des Gedichts in den sechziger Jahren, danach von den trüben Missverständnissen des Alltagsgedichts und der „Neuen Subjektivität” scheint beendet. Die Dichter streben im Gleichschritt rückwärts der Zukunft zu. Homeride zu sein, auch nur als letzter, ist wieder schön. Erneuerung, Verjüngung sucht das Gegenwartsgedicht nach alter Rezeptur in der Rückeroberung der Tradition, auch der religiösen. Gott ist tot – gewesen.
In seiner einleitenden Motivstudie beobachtet Braun in den jüngsten Gedichten von Michael Krüger oder Hans Magnus Enzensberger, aber auch bei Vertretern der jüngeren Lyrikergeneration wie Oswald Egger und Christian Lehnert, die massive Rückkehr religiöser Motive. Die Hellhörigkeit, mit der er die einzelnen Tonfälle untersucht und die modische Renovierung vom poetischen Spielzeug und der Neuimagination religiöser Überlieferung scheidet, verrät das geschulte Ohr des Versspezialisten. Aber Braun begnügt sich, hier wie auch in den folgenden Beobachtungen zu Traditionsbezug, Klassikstilisierung und Rezeptionshaltungen der Gegenwartspoesie, im wesentlichen mit einem close reading, das die einzelnen Beobachtungen lediglich inventarisiert.
Der Essay über die Rückkehr der antiken Mythologie und der Klassiker in den Kunstprogrammen und Rollenentwürfen der „Dichterkönige” Albert Ostermaier, Durs Grünbein, Raoul Schrott und Thomas Kling muss sich nicht nur die Frage nach der Stichhaltigkeit seiner Personalpolitik gefallen lassen. Hier wie in den folgenden Streiflichtern auf so unterschiedliche Künstler wie Peter Handke, Ernst Jandl, Dieter Wellershoff und W. G. Sebald versammelt Braun Einzelbeobachtungen, die sich in der Summe zu einem etwas unscharfen Stimmungsbild der nachironischen, nachsatirischen Generation fügen.
Die verdeckte Rolle des religiösen Denkens in den existentiellen Haltungen, in den melancholisch-abweisenden Weltsichten, und dargestellten Ausnahmezuständen und Grenzgängen der Vernunft ließen sich aber als Materialien zu einer – wären sie nicht als Wechselgeschichte von Sakralisierung und Säkularisierung noch genauer zu befragen und in den Zusammenhang der parallelen theoretischen Debatte zu stellen? Mit einem Blick auf den Briefwechsel zwischen Nelly Sachs und ihrem schwedischen Dichterkollegen Gunnar Ekelöf sowie Seitenhieben auf betriebsbedingte Torheiten der Dichter endet stattdessen das Bändchen und droht dabei zur Buchdeckelsynthese zu werden.
So lang ist es noch nicht her, dass Michael Braun in einer Rezension beredte Klage über die Selbstgenügsamkeit der Lyrikkritik, ihre Theorieabstinenz und ihr Deutungsunsicherheit führte. Das war ein mutiger Vorstoß. Er weckte Erwartungen, hinter denen Braun selbst hier zurückbleibt.
SIBYLLE CRAMER
MICHAEL BRAUN: Der zertrümmerte Orpheus. Über Dichtung. Edition Künstlerhaus im Wunderhorn Verlag, Heidelberg 2002. 64 Seiten, 13, 50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der mit "arm" zeichnende Rezensent bespricht einen Sammelband des Literaturkritikers Michael Braun. Der Untertitel verbinde die verschiedenen Artikel, besonders die Betrachtungen zu Jandl, Handke, Steffens und anderen und macht nach Ansicht des Rezensenten auch deutlich, dass in jedem Literaturverständnis immer auch ein Selbstverständnis enthalten sei. Dies erläutert er anhand des Genesis-Motivs, das häufig genug Dichtung und Religion gleichsetze. Bedauerlicherweise kommt diese Rezension allerdings nicht über eine kurze Aufzählung einzelner Punkte verschiedener Autoren hinaus, so dass der Leser über den Sammelband an sich leider nicht viel erfährt.

© Perlentaucher Medien GmbH