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Es treten auf: monogame Elefanten, geile Hyänen, onanierende Fische und alleinstehende Igel. Diese hedonistische Philosophie der Single-Erotik setzt sich mit antiken Autoren und dem finsteren Einfluss der Kirchenväter auseinander. Onfrays Plädoyer für eine solare, sprich strahlende Erotik ist die des Libertärs.

Produktbeschreibung
Es treten auf: monogame Elefanten, geile Hyänen, onanierende Fische und alleinstehende Igel. Diese hedonistische Philosophie der Single-Erotik setzt sich mit antiken Autoren und dem finsteren Einfluss der Kirchenväter auseinander. Onfrays Plädoyer für eine solare, sprich strahlende Erotik ist die des Libertärs.
Autorenporträt
Michel Onfray, geb. 1959 im französischen Argentan, promovierter Philosoph, hat nach zwanzig Jahren seine Stelle als Philosophielehrer an einem technischen Gymnasium aufgegeben und 2002 die 'Université Populaire', die philosophische Volkshochschule, in Caen gegründet, zu der jedermann Zutritt hat. Jährlich besuchen tausende Zuhörer seine Vorlesungen. Er verfasste zahlreiche Bücher, unter anderem über die Theorie des Hedonismus, die in zehn Sprachen übersetzt wurden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.07.2001

Ein Paar von Planeten
Michel Onfrays neues Plädoyer für die solare Erotik
„Die Liebe ist ursprünglich ein einfacher Annäherungstrieb und Greifinstinkt”, erklärt Ulrich, Musils „Mann ohne Eigenschaften”: „Ich bin überzeugt, die meisten würden es gern sehen, wenn diese Verbindung eines Hautreizes mit dem gesamten Menschentum wieder rückgängig gemacht werden könnte.”
Sollten glückliche Geschlechtsbeziehungen nicht ohne das Ideal der persönlichen Liebe auskommen können – und wer hat den Mythos von der Verbindung der beiden eigentlich in die Welt gesetzt? Das geschah bei den ersten Dichtern des Abendlands, sagt Denis de Rougemont, 1938, in seinem Buch „Die Liebe und das Abendland”. Nicht die Troubadoure selbst sind freilich dafür verantwortlich zu machen, vielmehr die Rezipienten – welche die eigentlich gemeinte Liebe zu Gott beharrlich mit der erotischen Liebe zu einem sterblichen Wesen verwechselten. So nahm das Unheil seinen Lauf ...
In den letzten Jahren häuften sich die Versuche, de Rougemonts These auf den Kopf zu stellen. In den Chor der Stimmen des Ressentiments – von „Ausweitung der Kampfzone” bis zur „Tyrannei der Lust” – fällt Michel Onfray nur bedingt ein. Der bekennende Nietzscheaner nimmt sich eine „Entmystifizierung des amourösen Diskurses” vor. „Therapeuten, Ärzte und Sexologen bezeugen: Das Elend des Fleisches regiert die Welt. Der überschwänglich gelobte, glorreiche Körper führt den realen Körper unweigerlich in Absteigen, Bordelle oder auf die Couch der Psychoanalytiker. Da es nicht gelungen ist, hedonistische, spielerische, fröhliche und wollüstige Beziehungen zu schaffen, haben die beiden christlichen Jahrtausende nur den Hass auf das Leben und die Ausrichtung der Existenz auf Verzicht, Zurückhaltung ... und allgemeines Mißtrauen gegenüber dem anderen gebracht.”
Behauptungen dieses Kalibers finden sich en masse in Onfrays neuer Streitschrift „Für eine solare Erotik”. Die Sprache der Liebe sei noch immer eine sentimentale, verhüllende, idealisierende, die sich scheue, offen das Begehren zu artikulieren. „Das Abendland versetzt Milliarden von Menschen in 2000 Jahre Selbsthass, Körperverachtung und gnadenlose Frauenverachtung.” Sind also Bordelle, Misogynie und Geschlechterkampf die traurigen Errungenschaften der „christlichen Gesellschaftsneurose”? Dem ist nicht so – kannten doch spätestens die Römer das Lupanar als feste Einrichtung. Wenn das sinnliche Elend des Abendlandes in der Vereinnahmung der Liebe durch die Theologie wurzelt, so die Hypothese des Buchs, müsste sich in nicht-christlichen Kulturen, wie den ostasiatischen, die manchmal sogar des sprachlichen Ausdrucks für Liebe entbehren, das reine erotische Glück vorfinden lassen. Auch dies bliebe zu beweisen.
Erfindung der Wunschmaschinen
Gleichwohl hält Onfray an der „ideologisch reaktivierten Begriffsordnung der stumpfsinnigen jüdisch-christlichen Welt”, in der wir lebten, fest, um die Dringlichkeit seiner Theorie der Libertinage einschließlich seines Plädoyers für einen „libertinen Egalitarismus” zu unterstreichen. Diese Theorie beruft sich auf die Dichtung und die Philosophie der Alten. Auf die Stoiker und Kyniker, auf Lukrez als dem „Erfinder der Libertinage”, also der solaren Erotik, auf Ovid, Autor der Liebeskunst, als dem Konstrukteur der „Wunschmaschinen”. Deleuze und Guattari, definierten Wunschmaschine als das Unbewusste der sozialen und technischen Maschinen.
Als Medizin gegen monotheistische „Lebensverachtung und Lustvernichtung” schlägt Onfray eine Rückbesinnung auf den Materialismus der Antike vor. Der Philosoph muss sich allerdings fragen lassen, welches Jahrhundert oder welchen Kulturkreis er meint, wenn er mit Schuldgefühlen belastete sexuelle Erfahrungen unterstellt. Das Jahrhundert Nietzsches, dasjenige Freuds? Die Theorie des verliebten Körpers möchte eine Alternative sein zur Philosophie des Begehrens, deren Grundlage die Idee des Mangels darstellt. Gibt es nicht zölibatären Sex und Junggesellenmaschinen statt des begehrenden Menschen, dem der andere mangelt? Man vergesse also Platon, Freud, Lacan, auch den „Weihwassergeruch der frommen Anhänger der Grenzerfahrung”. Onfrays hedonistischer Materialismus möchte dekonstruieren, was er als „asketisches Ideal” attackiert: die Monogamie, die Treue, die exklusive Liebe, die Familie. Wenn wir also mit Ovid zwischen Liebe und Erotik unterscheiden und die letztere nicht zur Voraussetzung der Liebe machen (und umgekehrt), wenn wir Epikurs Kalkül zustimmen, die Lust müsse größer sein als die Unlust, wenn wir schließlich nach Onfray Liebe neu bestimmen als egoistische Begierde nach Lust, den Begriff der Liebe folglich ins Reich der Mystik verweisen, ergibt sich für das Paar das Bild von „unabhängigen Planeten und freien Kometen – zwischen zwei Formen von Nichtsein”.
Wider Lacans Hanswurstiaden
Eros statt Agape. Nach Onfray erproben Mann und Frau, einmal vom Wahn der exklusiven Liebe befreit, „im erregten Begehren und übersteigerter Lust jeder die autistische Ekstase und die solipsistische Wolllust, radikal fremd gegenüber den Gefühlen des anderen”. Die Paten dieser „materialistischen Physiologie der Liebe”, dieser Kriegsmaschine wider „lacansche, talmudische und dekonstruktive Hanswurstiaden” heißen Deleuze und Guattari (Anti-Ödipus, Rhizom). Aber während vor fast drei Jahrzehnten mit der befreiten Sexualität zwangsläufig ein politisches Programm verbunden war, beschränkt sich Onfray auf Ratschläge zum Lebens-Stil. Statt einer revolutionären Gesellschaftsveränderung empfiehlt er die Bildung mobiler „Mikrogesellschaften”.
Zwar kann der Philosoph weder der kleinbürgerlichen Familie noch dem „Nihilismus von heute” etwas abgewinnen, und nicht ein Argument spricht seines Erachtens für die Fortpflanzung. In diesen skeptischen Ausführungen, fern jeglicher aufgesetzt wirkenden ‚fröhlichen Wissenschaft‘, überzeugt Onfray am meisten. Wenn er sich dann doch dazu hinreißen lässt, in Gestalt eines „Vertrags” die „epikureische Form von Ethik” auszuformulieren, erliegt er dem „vom Gesetz besessenen Denken”, das er selbst bei anderen zu Recht moniert. „Die epikureische Form von Ethik macht eine solare, egalitäre Erotik möglich”, schreibt er: „Die beiden Vertragspartner haben die gleichen Rechte, gehorchen ähnlichen Prinzipien und unterschreiben unter ähnlichen Bedingungen.” Viel mehr als eine Variante des kategorischen Imperativs ist in der Formel nicht zu erkennen, und die Nähe zu juristischen Gütertrennungsverträgen wirkt peinlich.
Die Sonne nämlich verschwendet, verausgabt sich vorbehaltlos, ohne Vertrag. „Jedenfalls ist es nicht nötig, dass man einen Menschen liebt”, schrieb Musil: „Tut man es aber, reißt das Körperliche die ganze Welt an sich, so dass sie sich gleichsam umstülpt.”
BERND MATTHEUS
MICHEL ONFRAY: Theorie des verliebten Körpers. Für eine solare Erotik. Aus dem Französischen von Ronald Vouillé. Merve Verlag, Berlin 2001. 312 Seiten,
39 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bernd Mattheus zeigt sich in seiner Rezension skeptisch. Die "Entmystifizierung des amourösen Diskurses" bewerkstellige der Autor mit unglaubwürdigen Behauptungen, die das sinnliche Elend des Abendlandes aus "Verzicht, Zurückhaltung ... und allgemeinem Misstrauen gegenüber dem anderen" beweisen sollen. Die daraus folgenden "traurigen Errungenschaften" wie "Bordelle, Misogynie und Geschlechterkampf" sind nicht nur Ausdruck einer "christlichen Gesellschaftsneurose", sondern schon den antiken Römern wohl bekannt gewesen, widerspricht der Rezensent. Er will auch nicht der Hypothese des Buches folgen, das sinnliche Elend des Abendlandes wurzele in der "Vereinnahmung der Liebe durch die Theologie" und so müsse sich das "reine erotische Glück" in den nicht-christlichen Kulturen finden lassen. Mit Onfray Liebe neu bestimmen heißt, "sie als egoistische Begierde nach Lust" aufzufassen, so der Rezensent. Aber, bemängelt Mattheus, wo früher mit der befreiten Sexualität ein politisches Programm verknüpft war, beschränkt sich Onfray auf "Ratschläge zum Lebens-Stil" und empfiehlt die "Bildung mobiler Mikrogesellschaften". In der Ausformulierung der "epikuräischen Form von Ethik", die nach Onfray die "solare, egalitäre Erotik" möglich machen soll, in der Gestalt eines Vertrages jedoch, sieht der Rezensent nicht mehr als eine weitere "Variante des kategorischen Imperativs" und findet die "Nähe zu juristischen Gütertrennungsverträgen" geradezu peinlich.

© Perlentaucher Medien GmbH
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