Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 151,10 €
  • Broschiertes Buch

Nach alter Anschauung besitzen Worte und Sprache eine "magische" Suggestivkraft, die in den gängigen Studien zur Kommunikation bislang nur geringe Aufmerksamkeit fand, obwohl sie nach wie vor, wenn auch mehr unbewußt als bewußt, genutzt wird, ja in bestimmten Bereichen der Interkommunikation von hochaktueller Bedeutung ist.
Wie einstmals die Götter vieler Völker die Welt einzig durch Wortgewalt ins Leben "riefen", lassen Märchen, Literatur, Dichtung, Werbung und Propaganda kraft ihrer "kreativen" Texte immerhin noch Luftschlösser, Phantasie- und Wunschwelten entstehen. Keine Begrüßungs-,
…mehr

Produktbeschreibung
Nach alter Anschauung besitzen Worte und Sprache eine "magische" Suggestivkraft, die in den gängigen Studien zur Kommunikation bislang nur geringe Aufmerksamkeit fand, obwohl sie nach wie vor, wenn auch mehr unbewußt als bewußt, genutzt wird, ja in bestimmten Bereichen der Interkommunikation von hochaktueller Bedeutung ist.

Wie einstmals die Götter vieler Völker die Welt einzig durch Wortgewalt ins Leben "riefen", lassen Märchen, Literatur, Dichtung, Werbung und Propaganda kraft ihrer "kreativen" Texte immerhin noch Luftschlösser, Phantasie- und Wunschwelten entstehen. Keine Begrüßungs-, Höflichkeits- oder Beileidsformel, kein Gespräch, keine Ansprache, die nicht Gebrauch von der Wirkkraft des Wortes machen, um ihr Gegenüber oder Publikum zu überzeugen, zumindest zu "be-eindrucken". Je nach Situation verwendet man eine lockere und ungebundene, beziehungsweise disziplinierte, "gebundene" bis streng formalisierte Sprache. Auch Wortenthaltung - Schweigen - besitzt für die Kommunikation seine ganz bestimmte, oft ausschlaggebende Bedeutung. Das Prinzip setzt sich fort in der Verwendung von Geheim-, Kult- und Sondersprachen.

Den Gründen dafür, den verschiedenen Formen und ihren Bezügen untereinander, der - früher sehr bewußten - Verwendung von Wort und Sprache durch die Mittel der Modulation, Metaphorik, Reimung, kunstvollen Rhetorik und vor allem der Formalisierung in Zaubersprüchen, Sprachetikette, Ritual, Poesie und Satire geht der Ethnologe Klaus E. Müller hier erstmals systematisch nach. Weitere Schwerpunkte der Untersuchung bilden das soziale Gewicht von Gesagtem (sein Wahrheitsanspruch) je nach dem Status des Sprechers, die Bedeutung des "nur" Gedachten (des "Gedankenzauber") und das Verhältnis von Schrift zu Sprache.
Autorenporträt
Klaus E. Müller, geb. 1935, Prof. emer. für Ethnologie an der Universität Frankfurt a. M. Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen am Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen.
Wichtigere Publikationen der letzten Zeit: Das magische Universum der Identität. Elementarformen sozialenVerhaltens, 1987 - Der Krüppel. Ethnologia passionis humanae, 1996 - Der gesprungene Ring. Wie man die Seele gewinnt und verliert, Lembeck 1997 - Schamanismus, 1997 - Die fünfte Dimension: soziale Raumzeit und Geschichtsverständnis in prirnordialen Kulturen, 1999.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2001

Wer mit den Indianern spricht

Ich könnte es mir leichtmachen. Ich könnte sagen: Das wird ein Sommersemester gewesen sein. Denn die zwölf einigermaßen gleich langen Kapitel in Klaus E. Müllers Kompendium der Ethnologie ("Wortzauber". Eine Ethnologie der Eloquenz. Lembeck Verlag, Frankfurt am Main 2001. 159 S., br., 24,- DM) haben zusammen etwas ungemein Sommersemester-Übersichtsvorlesungshaftes. Da balgt sich (im Text) ganz freundlich die wissenschaftliche Akribie mit dem Parlando, die Ordnung mit der Leichtigkeit. Und im Vorlesungssaal sitzen die aufmerksam abgelenkten Zuhörer und schreiben gelegentlich mit, was der Professor der Ethnologie so alles über den Sprachgebrauch, das Sprachverständnis und die Sprechrituale bei den Völkern der Welt zusammengetragen hat. Denn das Zuhören lohnt sich ja sehr, zumal in jedem fünften Absatz ein Examensthema und alle Viertelstunde ein Dissertationsthema angerissen werden. Und ich könnte es mir leichtmachen, indem ich sage: Ja, so ist sie wohl, die Ethnologie. Eine schöne Wissenschaft, denn sie kennt ihn noch, den Menschen schlechthin, und wenn sie nach seinem Sprachgebaren forscht, dann kann sie das bei den südsibirischen Bauern so gut wie bei den nordamerikanischen Indianern oder den Leuten da unten auf der Straße, und ihre Belege kann sie aus den Zeugnissen früher Hochkulturen oder aus den afrikanischen Märchen oder aus der Bibel oder aus der Produktwerbung nehmen. Und ich muß es mir als Leser dieses Buches ja auch leicht, oder wenigstens etwas leichter machen, denn bei irgendeinem Satz von "Wortzauber" kritisch einsteigen zu wollen, wäre ungefähr so, als wollte ich mich, Daumen raus, an eine Formel-Eins-Rennstrecke stellen. Oder soll ich ernsthaft Zweifel daran anmelden, daß ein bestimmter Indianerstamm Kindern, die schlecht essen, die Geschichte vom Raubvogel erzählt, der sich an der heißen Suppe die Federn verbrannt hat und nun oben im Baum wartet, bis seine Nahrung garantiert verwest ist. Daran ist so wenig zu zweifeln wie an all den Belegen für die wirkende Kraft des Wortes, die Müller gesammelt und geordnet hat. Nein, um Einspruch im Detail geht es nicht. Aber wenn ich schon keinen der vielen, vielen Bausteine, die Müller zu seinem Haus des Menschensprechens zusammenträgt, genauer abwägen kann, dann muß ich doch wenigstens einen kritischen Blick auf das fertige Gebäude werfen. Und was ich dort sehe: Ach, wie schön wäre es, wenn es das gäbe, wirklich gäbe - aber ich fürchte, ich sehe ein potemkinsches Dorf. Denn es ist sicher verdienstvoll, einmal zusammenzustellen, welche Grundlagen im Gebrauch der Sprache alle Menschen teilen, und es ist schön, manchmal sogar ergreifend zu hören, daß es in den Mündern und Ohren aller Menschen so ähnlich zugehen kann wie in ihren Herzen, Lebern und Nieren. Aber hinter dieser ethnologischen Fassade des Allgemein-Menschlichen wartet doch böse grinsend die Tatsache, daß die vielen verschiedenen Sprachen auf der Welt in der Hauptsache Ursache und Ausdruck dessen sind, wie unendlich schwer wir es haben, miteinander zu reden, wenn wir nicht in der gleichen Kultur und das heißt ja fast immer auch: in der gleichen Sprache großgeworden sind. Wir sind nun einmal die Tiere gleicher Rasse, die einander bis auf ein paar halbwegs sichere Gebärden nicht verstehen. Und über den Jammer hilft nichts hinweg. Komplexe und differenzierte Sprachen sind nun einmal (dialektisch gedacht!) Ausdruck wie auch Voraussetzung komplexer und differenzierter Kulturen. Doch sie schotten andererseits die Mitglieder verschiedener Kulturen voneinander ab. Weder das Kirchenlatein noch das Esperanto der Börsenkurse haben verhindern können, daß unser Leben je globaler, desto konfrontativer wird. Aber ich sollte nicht nörgeln (auch ein sehr verbreitetes Sprachgebaren). Ich sollte lieber bis zur nächsten Vorlesung von Klaus E. Müller warten. Denn die wird vielleicht die Ethnologie der Eloquenz um eine Ethnologie des Mißverstehens erweitern. Das wird dann allerdings, vermute ich, ein Wintersemester werden.

BURKHARD SPINNEN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine recht launige Kritik hat Burkhard Spinnen diesem Buch gewidmet. Für ihn hat es etwas "Sommersemester-Übersichtsvorlesungshaftes", und er vermutet, dass Professor Müller hier angenehm plaudernd ein paar Grundlagen seiner Wissenschaft an seine Studenten und nun auch seine Leser weitergereicht hat. Gern möchte Spinnen auch an das "Allgemein-Menschlichen" von Eloquenz und Kommunikation glauben, das Müller mit vielen Details aus unterschiedlichsten Quellen zu belegen scheint. Aber bei Angeregtheit im Detail hat Spinnen doch auch einen ganz grundsätzlichen Einwand: Die Menschen verstehen sich, gewiss, aber doch immer nur innerhalb einer Kultur. Das Verstehen über kulturelle Grenzen hinweg aber scheint nicht zu den Themen von Müllers Sommerseminar gehört zu haben. Und darum wünscht sich Spinnen nach dieser Ethnologie der Eloquenz ein weiteres Sommerseminar über eine "Ethnologie des Missverstehens".

© Perlentaucher Medien GmbH