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Sommer 1944, irgendwo im Schwäbischen: Den Jungs aus der Freibadclique, alle Jahrgang 1929, steht der Sinn nach allem mehr als nach dem nationalen Gedanken. Sie sehnen sich nach Swing und Bigband-Sound, nach Lore im roten Badeanzug und dem Ende des faulen Zaubers Voller Poesie, rauer Jungs-Atmosphäre und ungemein lebendig erinnert sich Oliver Storz an einen denkwürdigen Sommer am Ende des Kriegs. Drei Passagen dieses Buchs waren als Vorabdrucke in der SZ am Wochenende zu lesen.

Produktbeschreibung
Sommer 1944, irgendwo im Schwäbischen: Den Jungs aus der Freibadclique, alle Jahrgang 1929, steht der Sinn nach allem mehr als nach dem nationalen Gedanken. Sie sehnen sich nach Swing und Bigband-Sound, nach Lore im roten Badeanzug und dem Ende des faulen Zaubers Voller Poesie, rauer Jungs-Atmosphäre und ungemein lebendig erinnert sich Oliver Storz an einen denkwürdigen Sommer am Ende des Kriegs. Drei Passagen dieses Buchs waren als Vorabdrucke in der SZ am Wochenende zu lesen.
Autorenporträt
Oliver Storz, geboren 1929 in Mannheim, aufgewachsen in Schwäbisch Hall, war Feuilletonredakteur und Theaterkritiker bei der Stuttgarter Zeitung. Ab 1960 bei der Bavaria als Autor, Produzent, Dramaturg, seit 1976 freier Schriftsteller und Regisseur. Seine Filme wurden vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Grimme-Preis. Sein zuletzt erfolgreichster Film war der ARD-Zweiteiler "Im Schatten der Macht" (2003), der die Brandt-Guillaume-Affäre zum Thema hatte. Soeben hat Oliver Storz die Dreharbeiten zu seinem neuesten Film "Die Frau, die im Wald verschwand" abgeschlossen, der voraussichtlich im Herbst 2008 ausgestrahlt wird.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2008

Deutsche Mädchenrücken
Oliver Storz erzählt vom Kriegsende der Jugendlichen

Wir schreiben das Jahr 1944. Die Triumphfanfaren, die in den Radionachrichten die Siege über Polen und Frankreich oder jene in den großen Kesselschlachten im Osten angekündigt haben, schweigen schon lange. Die Rote Armee nähert sich der Weichsel, in Frankreich sind die Westalliierten gelandet. Hermann Göring heißt längst Hermann Meier: Die Schwärme von mehreren hundert amerikanischen und englischen Bombern ziehen bereits tagsüber ihre Spur in den Himmel. Im Schwimmbad einer Kleinstadt nahe Heilbronn trifft sich die Gruppe fünfzehnjähriger Gymnasiasten, die sich die "Clique" nennt. Im roten Badeanzug, verfolgt von den phantasiegequälten Blicken der Pubertierenden, begibt sich Luftwaffenhelferin Lore in die Jasminbüsche, in denen die Testpiloten der neuen Messerschmitt 262 sie erwarten. Görings Luftwaffentruppe nimmt sich Freiheiten heraus, Swingmusik hallt herüber. Aber über den spätsommerlichen Schwimmbadfreuden hängt schon das Damoklesschwert: Die Hitler-Jugend rüstet zum Kriegseinsatz der Jüngsten.

Dann befinden wir uns im Sommer 1945. Die Sechzehnjährigen der Clique haben Schanzarbeiten im Elsass, die Einberufung zur Waffen-SS oder zum Volkssturm und die Erfahrungen des "letzten Aufgebots" hinter sich, aber die Gruppe ist geschmolzen. Im Schwimmbad reiben Soldaten der US-Army "amerikanisches Sonnenöl" auf "deutsche Mädchenrücken" oder amüsieren sich im Jasmingebüsch mit den "Fräuleins". Klänge der Henry-James-Band und Lucky-Strike-Duft wehen herüber. Im Kino war schon "You Were Never Lovlier" mit Fred Astaire und Rita Hayworth zu sehen. Hat man die Lieder von Fahne, Sieg und Tod je gesungen, hat man trotz des Widerwillens gegen das Exerzieren die "Kraftprotzerei" der Hitler-Jugend je mitgemacht?

Im Roman "Die Freibadclique" erzählt Oliver Storz mit viel Detailkenntnis von den Stimmungen und Erfahrungen Jugendlicher im letzten Kriegs- und im ersten Friedensjahr. Autobiographische Vorgaben sind unverkennbar, der Autor gehört selbst zum Jahrgang 1929. Die Freibadclique repräsentiert nicht die Jugend der Zeit allgemein, wohl aber jenen Teil, der allmählich des ständigen Appells an die vaterländischen Pflichten und der Marschmusik überdrüssig wurde und heimlich amerikanische Musiksender zu hören beginnt. Man kennt diese Haltung aus Kempowskis Roman "Tadellöser & Wolff" von den beiden Brüdern Walter und Robert, den "Schwänzern" und "Tangojünglingen". In einer forsch-drastischen Vulgärsprache verständigt sich die Clique. Alles, was geeignet ist, das "provinzielle" Schwäbisch zu leugnen, ist willkommen. So durchsäuert das Berlinerisch eines Luftkriegsflüchtlings jetzt die Dialoge. Und bei solchem Lautgemisch wird der Leser, der sich an diese Zeit erinnern kann, nun doch stutzig. Dieses Vulgärdeutsch war damals den Gymnasiasten, vorwiegend aus bürgerlichen Häusern, fremd, auch wenn die Landsersprache der Kriegszeit den Umgangston schon eingefärbt haben mochte. Hier biedert sich der Erzähler, von dessen hoch gebildetem Vater wenigstens in Andeutungen die Rede ist, heutigen jugendlichen Lesern an.

Das ist bei einem Autor wie Storz verwunderlich. Er war von 1957 an Redakteur und Produzent im Bavaria Atelier München, lehrte als Professor für die Theorie des Theaters an der Stuttgarter Hochschule für darstellende Kunst, hat seit 1962 Erzählungen und Romane veröffentlicht und wurde für seine Drehbücher und Fernsehfilme mit hohen Preisen bedacht. Und noch in anderer Weise scheint ihn im neuen Roman der Teufel geritten zu haben. Storz leiht sich Muster vom amerikanischen "Film noir" aus. Die Schokoladenseite der frühen amerikanischen Besatzungszeit für jene, die in amerikanischen Bars und Armeedepots arbeiteten oder in korrupte Beziehungen traten zu den Lagern der Displaced persons und der osteuropäischen Zwangsarbeiter, die nicht in die Länder unter dem Sowjetstern zurückkehren wollten, wird in eine reißerische erotisch-kriminelle Handlung gepackt. So wechselt der Leser zwischen dem Dampfbad der Spannung und der kalten Dusche des Befremdens. Doch dieser Roman ist auch an Szenen der Daseinsangst wie der Schwankfröhlichkeit nicht arm. Der Erzähler kennt den Reiz der Selbstironie.

Die Freibadclique nimmt von der chaotischen Zwischenzeit, die schon Wolfgang Koeppen im Roman "Tauben im Gras" (1951) früh durchleuchtet hat, Abschied, als im Dezember 1945 die Schule wieder ihre Tore öffnet. In welcher Stimmung aber die Schwimmbadclique in die Zukunft blickt, fasst der Erzähler in dem Satz zusammen: "Wir hassten den Krieg, aber kaum weniger den Frieden, der kommen würde mit Schule, Tanzstunde und Hausmusik." Vom Fieber des Wiederaufbaus, den Bequemlichkeiten des beginnenden Wohlstands und vom Lockruf der Berufskarriere berichtet der Erzähler nicht mehr.

WALTER HINCK

Oliver Storz: "Die Freibadclique". Roman. SchirmerGraf Verlag, München 2008. 248 S., geb., 19,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.01.2009

Blitzblankblau wie Söderbaum, aber nicht so tränenkeusch
Der O-Ton der skeptischen Generation, ehe sie erwachsen wurde: Oliver Storz’ Roman „Die Freibadclique”
Dieses Buch hat so viel Schwung, weil es mit absolutem Gehör eine Epoche ganz aus ihrem Sound, ihrem Sprach-Slang erstehen lässt. Schreiben ist – das sieht man hier – zu einem guten Teil auch Hinhören. In diesem Buch wird der Epochenbruch der Stunde Null als rhetorischer Registerwechsel orchestriert. Und man lauscht diesen Mentalitätsmodulationen ausgesprochen gerne.
Oliver Storz, 1929 in Mannheim geboren, in Schwäbisch Hall aufgewachsen, wurde bekannt vor allem als Drehbuchautor und Fernsehregisseur. Jetzt hat er, aus der Ferne des Alters, ein Buch geschrieben, dass noch einmal ganz jugendlich wird: „Die Freibadclique” ist die leichtfüßig erzählte Geschichte eines Jahrgangs, der als Volkssturm in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs verheizt werden soll, der aber längst nicht mehr zu jener gläubigen „Juuugend” gehört, auf deren Aufopferungswillen Joseph Goebbels so salbungsvoll setzte. Die Phrasen der Ertüchtigung prallen an den tauben Ohren dieses Jahrgangs ab. Der Heroismus als Rollenmodell funktioniert nicht mehr, zu offensichtlich brechen die Fronten zusammen. Der Habitus des Kriegers hat ausgedient, ohne dass schon klar wäre, was an seine Stelle treten könnte.
Von diesem Jahrgang in einer kleinen Provinzstadt erzählt Oliver Storz, von einer Clique aus fünf Jungs, die lieber im Freibad den Mädels nachschauen, als sich freiwillig zur Waffen-SS zu melden. Wenn man so will: Die skeptische Generation in Badehose und mit Pubertätsflaum. Dabei hat die Unerreichbarkeit dieses Jahrgangs, wie ihn Storz beschreibt, für die propagandistischen Überhöhungen des Regimes nichts mit politischem Bewusstsein zu tun, dafür sind die Jungs zu jung. Es ist vielmehr ein umfassenderer, nicht leicht zu greifender Mentalitätswandel, der dafür sorgt, dass Pathos und Opferrhetorik plötzlich hohl klingen – und es für die Jugend cooler ist, sich durch ein anderes Idiom abzusetzen.
Die wörtliche Rede spielt deshalb in diesem Roman eine gewichtige Rolle. „Die Freibadclique” ist eine Fundgrube an Redewendungen, Platitüden und lässigen – und auch gerne weniger lässigen – Sprüchen. Das Buch erinnert unter diesem Aspekt ein wenig an die wunderbaren Romane von Walter Kempowskis „Deutscher Chronik”. Aber es ist ein anderer Zungenschlag, den Oliver Storz in den letzten Tagen des Krieges auffängt: Eben nicht mehr preußische Schnoddrigkeit, auch nicht mehr die Zackigkeit des Wilhelminismus, und auch die Bildungssplitter des humanistischen Gymnasiums spielen keine Rolle mehr. Stattdessen orientiert sich die Freibadclique an Knuffke, dem Coolsten der Runde, der ausgebombt aus Berlin nach Schwaben zugezogen ist und einen gangsterhaft-proletarisch-halbseidenen Großstadt-Ton zum Besten gibt, der lässig, aber auch freidenkerisch und human klingt.
Und so prallen die Appelle und Kommandos der Erziehungsberechtigten am aufgesetzt-abgeklärten Berlinisch der Freibadclique ab. Der Gefolgschaftsführer brüllt noch: „Menschenskind, hast du überhaupt keinen Funken Disziplin im Leib?” Aber Knuffke erklärt, nachdem die Freunde eine Art halb-offiziellen Musterungsbescheid bekommen haben: „Wat steht in dem Wisch? ,Erscheinen is Pflicht‘? Da ham se zwee Wörter verjessen: für Arschlöcher.” Und während die Jungfunktionäre vor Defätismus und Drückebergern warnen und fordern, „keinen Fußbreit Heimaterde” freiwillig preiszugeben, phantasiert sich die Freibadclique aus, dass es an der Front vom weiblichen Reichsarbeitsdienst doch auch „dufte Bienen” geben müsste.
Landschaft mit Gehenkten
Dass Oliver Storz als Zentralmotiv seines Romans das Freibad gewählt hat, ist schon fast die halbe Miete. Das Freibad ist in sich ein metaphorischer Ort. Im Freibad ist bereits der zivile Frieden der späteren Bundesrepublik zu erahnen, die Lustbarkeiten unschuldiger Freizeit. Es ist ein Ort, an dem die Körper sich präsentieren, aber nicht als Krieger, sondern als Verführer. Und es ist der Ort der Initiation und des Übergangs, an dem das kindliche Spielen schrittweise abgelöst wird vom sozialen Maskenspiel der Erwachsenen. Im Freibad übt man sich ein in die gesellschaftliche Dauerbeobachtung unter besonderer Berücksichtigung des anderen Geschlechts. Und neben dem Jazz sind es natürlich die erotischen Phantasien, die diese fünf Freunde untauglich fürs Heldentum machen. Die wichtigste Projektionsfigur ist dabei Lore, „blitzblankblau wie die Söderbaum im Kino, aber nicht so tränenkeusch, eher mit sündigen Augen”.
Von den fünf Freunden werden nur zwei den Krieg und die anschließende amerikanische Besatzung überleben, denn auch sie werden noch kurz vor Kapitulation eingezogen. Und was mit Deserteuren geschieht, dass konnte man überall sehen: „Es war schrecklich normal: Landschaft mit Gehenkten, sie waren schon ein Stück Natur.” Dieses Buch erzählt davon, wie Deutschland in Schutt und Asche fiel („Während wir im Kino saßen, war – vierzig Kilometer Luftlinie entfernt – die alte Reichsstadt Heilbronn gestorben. Lebewohl, Käthchen.”), aber es erzählt auch von den neuen Lebenswelten, die sich mit der Ankunft der Amerikaner eröffnen. Und es erzählt die traurige Geschichte von Knuffke, der doch vielleicht ein bisschen zu abgeklärt war.
Die „Freibadclique” arbeitet mit wenigen, nicht raffinierten, aber wohl kalkulierten Mitteln. Dass sich manches in der Masche wiederholt, dass die Stimmenimitation manchmal das Klischee nicht nur abbildet, sondern ihm selber verfällt, dass die ganze schwüle Pubertäts-Lüsternheit auf Dauer ein bisschen arg unausgelüftet muffelt, das stimmt zwar, man nimmt es aber gerne in Kauf, weil die Figuren absolut glaubwürdig bleiben und unsere Anteilnahme finden.
Der Erzähler sagt über seine Generation: „Wir hassten den Krieg, aber kaum weniger den Frieden, der da kommen würde mit Schule, Tanzstunde und Hausmusik.” Nun, es wird diese Generation gewesen sein, die die Bundesrepublik aufgebaut hat. IJOMA MANGOLD
OLIVER STORZ: Die Freibadclique. Roman. SchirmerGraf Verlag, München 2008. 247 Seiten, 19,80 Euro.
Kurz nach der Kapitulation lauschen Kinder in den Trümmern Berlins einer improvisierten Theateraufführung. Foto: SVT Bild/Das Fotoarchiv
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Diese Knuffkes, wie eine der Hauptfiguren in Oliver Storzs Roman heißt, gehören unbedingt zur bundesrepublikanischen Nachkriegswirklichkeit, findet Ijoma Mangold. Daran dass Storz mit diesem Buch eine Generation dem Vergessen entreißt, die dem Heroismus der letzten Kriegstage Freidenkertum und jazzig-lässigen Ungehorsam entgegensetzten, hat Mangold keinen Zweifel. Der Schwung dieser Skeptiker in Badehose teilt sich dem Rezensenten ganz unmittelbar mit, weil der Autor den Sound der Epoche in allen Facetten und leichtfüßig zudem wiedererstehen zu lassen vermag. Für Mangold wird das Buch zur Fundgrube an Redewendungen und Sprüchen, zur Erinnerung auch an Kempowskis "Deutsche Chronik". Gleichfalls ins Schwarze trifft die Wahl des Zentralmotivs "Freibad". Für Mangold ein metaphorischer Ort, der die Unschuld der späteren Bundesrepublik in sich trägt.

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