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Eine engagierte Parteinahme für Pressefreiheit und Bürgerrechte, unvermindert aktuell: eine Wiederentdeckung.
Der 1845 erschienene Essay "Die Fragen der Gegenwart und das freye Wort" des Dichters und Schriftstellers Hermann Kurz (1813-1873) ist ein "vergessener" Text - und doch einer der bedeutendsten Texte des Vormärz im Südwesten. Die Fragen der Gegenwart, das waren für Kurz die Fragen nach einer Verfassung, nach dem Verhältnis zur Monarchie, nach der politischen Beteiligung des Volkes. Kurz, der damals in Karlsruhe lebte, plädierte ganz im Geist des Liberalismus für das "freye Wort", für…mehr

Produktbeschreibung
Eine engagierte Parteinahme für Pressefreiheit und Bürgerrechte, unvermindert aktuell: eine Wiederentdeckung.
Der 1845 erschienene Essay "Die Fragen der Gegenwart und das freye Wort" des Dichters und Schriftstellers Hermann Kurz (1813-1873) ist ein "vergessener" Text - und doch einer der bedeutendsten Texte des Vormärz im Südwesten. Die Fragen der Gegenwart, das waren für Kurz die Fragen nach einer Verfassung, nach dem Verhältnis zur Monarchie, nach der politischen Beteiligung des Volkes. Kurz, der damals in Karlsruhe lebte, plädierte ganz im Geist des Liberalismus für das "freye Wort", für "Öffentlichkeit", für die freie Meinungsäußerung aller Teile der Bevölkerung und für die "Freiheit der geistigen Richtungen". Ganz entschieden wandte er sich gegen die allgegenwärtige Zensur, von der er als Redakteur der führenden Zeitung der Demokraten in Württemberg selbst betroffen war.

Hermann Kurz - wie Büchner, Hebbel und Wagner gehört er zum "Rebellenjahrgang" 1813 - zählt zu den interessantesten Schriftstellerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Obgleich er zeitlebens seiner schwäbischen Heimat verbunden blieb, ist das vielseitige Werk des Freundes von Auerbach, Uhland, Mörike und Heyse das eines Weltbürgers. Seine Bedeutung für das Literaturland Baden-Württemberg ist neu zu entdecken.

Hermann Kurz
Autorenporträt
Kurz, Hermann
Hermann Kurz, 1813 in Reutlingen geboren, Dichter, Schriftsteller (»Der Sonnenwirt«), Übersetzer (u.a. von Ariost, Cervantes, Chateaubriand) und Publizist. Nach dem Studium der Theologie am Tübinger Stift ab 1836 freier Schriftsteller und Redakteur in Stuttgart und Karlsruhe, 1848-1854 Redakteur des Stuttgarter Oppositionsblattes »Der Beobachter«. Ab 1863 Bibliothekar an der Tübinger Universitätsbibliothek. 1873 gestorben in Tübingen.

Prantl, Heribert
Heribert Prantl, 1953 in Nittenau (Oberpfalz) geboren, Jurist, seit 1995 Leiter des Ressorts Innenpolitik und seit 2011 Mitglied der Chefredaktion der »Süddeutschen Zeitung«, zuvor Anwalt, Richter und Staatsanwalt. Veröffentlichte zahlreiche politische Bücher und Essays, wurde u.a. ausgezeichnet mit dem Geschwister-Scholl-Preis, dem Kurt-Tucholsky-Preis und dem Theodor-Wolff-Preis.

Ströbele, Werner
Werner Ströbele, 1955 in Tübingen geboren, Leiter des Kulturamts der Stadt Reutlingen, promovierte bei Hermann Bausingerüber die Anfänge der Lokalpublizistik am Beispiel der »Tübinger Chronik«.

Vogt, Andreas
Andreas Vogt, 1970 in Ellwangen/Jagst geboren, studierte Empirische Kulturwissenschaft und Kunstgeschichte in Tübingen. Arbeitete in der Denkmalpflege, in Editionsprojekten, als Regieassistent, Dramaturg und Autor am Theater Lindenhof Melchingen. Seit 2007 beim Kulturamt der Stadt Reutlingen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2013

Ich aber sage euch, Zensur ist undeutsch!

Große Szene eines predigenden Demokraten: "Das freye Wort" auf der Kanzel-Bühne des Hermann Kurz.

Von Gerhard Stadelmaier

Man stelle sich vor: Von einer alten Gruft des Tübinger Stadtfriedhofs weht ein frisches, kräftiges Blatt her. Es umfasst zwanzig Druckbogen. So viel musste 1845 ein poetisches oder auch politisches Konvolut schon aufbieten, um der Zensur zu entgehen. Sein altertümlicher, ziemlich unfrisch anmutender Titel: "Die Fragen der Gegenwart und das freye Wort. Abstimmung eines Poeten in politischen Angelegenheiten." Der frische Wind, der zu machen war, um dem Blatt zum Herwirbeln zu verhelfen, kommt aus der thermischen Maschine des verdienstreichen kleinen Tübinger Verlags Klöpfer & Meyer, der unaufhörlich Ausgräbersonden in regionale Humusschichten treibt - und von Gottesäckern erntet man ja gerne die apartesten Findefrüchte.

Der Gefundene, Autor des "Freyen Worts", ist Hermann Kurz, geboren 1813 in Reutlingen, gelernter Theologe - erst das berühmte württembergische Landexamen in der Eliteschule in Maulbronn, dann das noch berühmtere Tübinger Stift. Dann ein klein wenig praktizierender Pfarrer. Dann sich frei tummelnder Schriftsteller: "Schillers Heimatjahre", "Der Sonnenwirt", "Bergmärchen". Zu Zeiten auch literarwissenschaftlicher Detektiv, der Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausen als Verfasser des "Simplicissimus" identifizieren half. Zugleich Journalist und Redakteur bei vormärzlichen Blättern ("Der Beobachter"), der für seine Artikel schon auch mal in den Knast ging, naturgemäß auf den Hohenasperg, Württembergs schlechten alten "Demokratenbuckel", auf dem schon Schubart einsaß. Zuletzt fungierte Kurz als Bibliothekar der Tübinger Universität, der sich bei der Einweihung des örtlichen Uhland-Denkmals einen Sonnenstich zuzog, an dessen Folgen er 1873 verstarb. Ein Demokrat ehrt einen Demokraten halt barhäuptig, Hüte wären reaktionär. Dann die Grablege auf dem Stadtfriedhof. Fotos zeigen ihn als energischen, vollhaarigen Rauschebart mit hoher freier Stirn, der ein wenig dem alten Johannes Brahms ähnelt: Männerbilder alter Zeit.

Aber nun sein hergewirbeltes altes "Freyes Wort", das seltsam neu wirkt - trotz des wunderbar uralt-korrekten Ypsilons im Wort. Mit ihm betritt er 1845 sozusagen die Bühne eines demokratischen Nationaltheaters in undemokratischen, muffig drückenden Zeiten, in die hinein es allerdings hie und da vorrevolutionär wetterleuchtete. Auf seine Bühne zitiert Kurz die Fürsten, die Beamten, die Nationen (England, Frankreich, Deutschland), die Schriftsteller, die Studenten, die Kirchen, die Philosophen, das Volk, die Bürger, die Zeitungen - und mit Letzteren eben das "freye Wort" und in ihm und mit ihm: Gott. Denn "das Christentum . . . ist republikanischer als die Republik und kommunistischer als der Kommunismus."

Den Gottesbeweis in Form einer freien und ungenierten Presse ("denn im Wort wohnt der Geist Gottes") braucht Kurz, der dem Pfarrer im Demokraten schlau die Zügel schießen lässt, um die Zensur als kulissenschiebenden Gottseibeiuns, als teuflischen Verhinderer der "Preßfreyheit" zu entlarven. Eine Levitenlesung in Form eines großen leidenschaftlichen, das Pathos des überzeugenden Überredens nicht scheuenden Monologs (als hätten ihm die Manen und Penaten eines Walter Jens die Feder geführt). Gehalten vor dem theatralischen Figurenparlament, das er auf einer längst brüchig gewordenen Gesellschaftsbühne um sich herum versammelt, dessen Spieler er auf- und abtreten lässt, sie zu sich zitiert, sich mit ihnen wortreich duelliert, sie umschmeichelt, umgarnt, sie belehrt: wider das verdeckte, das verderbliche, die Dinge nicht beim Namen, nur bei der ungefähren, scheinheilig beziehungsweise scheinwütig zwischen den Zeilen begrabenen Stimmung nennende, die Schere schon im Kopf betätigende Schreiben und Denken. Wobei damals der Zensor ein Büro war, in dem er sich nicht versteckte. Heute besteht der Zensor aus Ökonomien und Strukturen und larifarijournalistischen Rücksichten (vulgo: Leser-Blatt-Bindung) - hinter denen er sich versteckt. Aber Kurz passt auch hierhin.

Er gibt dem nationalen Affen, der 1845 noch ein revolutionäres, kein reaktionäres Tier war, Zucker. Er verdammt die Zensur, die schon im Wort "Zensur" fremdländisch und undeutsch daherkomme, plädiert für eine "evangelisch-apostolische deutsche Kirche" (Katholiken und Protestanten zusammen gegen Rom in einer Kirche "außerhalb der Kirche"), wettert gegen die "absolute Philosophie" eines Hegel und propagiert eine "Volksbildung", die den "Staub" der klassischen (fremdländisch antiken) Bildung abschütteln möge, und ist für "Vereine" und "Korporative", also parteiübergreifende, ständisch garantierte Harmonie, in der "das Bürgerliche" sich selbst regelt. Das scheint auf den ersten Blick rührend verschimmelter Olle-Kamellen-Zeitballast. Hat aber, schaut man zum Beispiel auf unsere "Wir sind Kirche"- und Ganztagsschulen- und Rund-um-die-Uhr-Sozialstaats-Modernen (vulgo: Große Koalition), durchaus den Grotesk-Charme des kurios Aktuellen.

Und wenn er dem "mündigen Volk" und der Presse zutraut, sie würden in Rede und Gegenrede, in Artikel und Gegenartikel das gesellschaftlich Richtige vernünftig ausrichten; wenn er die "bloß arithmetische Berechnung menschlicher Verhältnisse" durch Regierung und Arbeitgeber als gottlos geißelt; wenn er "die Herrschaft, welche dem Kapital eingeräumt wird, als eine falsche, die allgemeine wie die einzelne Wohlfahrt untergrabende" beklagt, für Gewinnbeteiligung der Arbeiter eintritt und den "Rechtsboden" verteidigt, auf dem Dogmen nichts zu suchen haben, und überhaupt vom "Glanz des Rechts" schwärmt - dann hat das "Freye Wort" des Hermann Kurz immer noch den Witz eines eigensinnig sprühenden und funkelnden Aktualsprengsatzes. Dass er mal mehr Knallfrosch oder Tischfeuerwerk scheint, nimmt seiner Leuchtkraft nichts.

Hermann Kurz: "Das freye Wort". Eine demokratische Streitschrift.

Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2013. 180 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schön blumig gibt Rezensent Gerhard Stadelmaier seiner Freude über die Neuausgabe von Hermann Kurz und seinem Appell gegen Zensur und für den Glanz des Rechts, die Gewinnbeteiligung der Arbeiter und andere gute Dinge Ausdruck. Was der gelernte Theologe und Vormärzrevoluzzer anno 1845 zu Papier bringt, ist für den Rezensenten trotz uralt-y im Titel von funkelnder Aktualität und stilistisch von der Güte eines Walter Jens. Ein bisschen Pathos darfs auch sein, meint Stadelmaier gütig.

© Perlentaucher Medien GmbH