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Boy, ein ehemals erfolgreicher Biograph mittleren Alters, steht nach dem Flop seiner letzten beiden Bücher vor dem Nichts. Da erhält er eine Chance, die Chance für einen Neuanfang. Ina von Mallind wünscht sich einen Ghostwriter für ihre Memoiren: über ihr Leben an der Seite des größten musikalischen Genies des 20. Jahrhunderts. In Mallinds Haus gerät Boy in die Kulisse der Schönen und der Reichen. Aber was als 'Dallas in Bayreuth' beginnt und über Stationen an der Côte d'Azur und Berlin zu einem Finale in Florenz führt, erzählt tatsächlich nicht die Biographie einer spektakulären Frau, sondern…mehr

Produktbeschreibung
Boy, ein ehemals erfolgreicher Biograph mittleren Alters, steht nach dem
Flop seiner letzten beiden Bücher vor dem Nichts. Da erhält er eine
Chance, die Chance für einen Neuanfang. Ina von Mallind wünscht sich
einen Ghostwriter für ihre Memoiren: über ihr Leben an der Seite des
größten musikalischen Genies des 20. Jahrhunderts.
In Mallinds Haus gerät Boy in die Kulisse der Schönen und der Reichen.
Aber was als 'Dallas in Bayreuth' beginnt und über Stationen an der Côte
d'Azur und Berlin zu einem Finale in Florenz führt, erzählt tatsächlich
nicht die Biographie einer spektakulären Frau, sondern von zwielichtigen
Charakteren, von Demütigung, Überlebenswillen und der Droge Erfolg
sowie dem verzweifelten Versuch jedes Einzelnen, mithilfe von Geld sich
und sein Leben zu behaupten. Barbara Bongartz ist mit "Die Schönen und
die Reichen" ein Gesellschaftsroman großen Zuschnitts gelungen.
Autorenporträt
Bongartz, Barbara
Barbara Bongartz, 1957 in Köln geboren, Studium u.a. der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Paris, München, Köln. Assistentin am Theaterwissenschaftlichen Institut, Universität Köln. Nach "Die Amerikanische Katze"und "Der Tote von Passy" erschien 2009 der Roman "Perlensamt" bei weissbooks.w, gefolgt von "TOPmodel" im Jahr 2010. Die Autorin lebt in Berlin und Duschanbe._
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2011

Importschlager deutsches Gefühl

Ach, ist es hier edel! Teuer! Luxuriös! In ihrem neuen Roman entwickelt Barbara Bongartz ein nervöses Gespür für glänzende Oberflächen.

Von Lorenz Jäger

Das Schöne: Für Barbara Bongartz ist es schlechthin alles, was zwischen den Glamour-Seiten der Promi-Magazine einerseits und der Welt der Hochkunst, der Vernissagen, Lesungen und Künstlerbiographien andererseits so vorkommt. Ihre Ästhetik kennt keine Gattungsgrenzen mehr, auch nicht die Scheidung von U und E, sondern nur noch den Glanz von Schön und Reich. Mit diesem Dietrich schließt sie die Geheimnisse der Gegenwart auf. Orte der Handlung ihres neuen Romans sind Bayreuth und der Comer See, Florenz und das teuerste Berlin - eine luxuriöse Neben- und Gegenerde, die es den Protagonisten erlaubt, sich von einer Herkunft in Wuppertal oder sonstiger ärmlicher Provinz abzustoßen.

Gesehen wird der Glanz von einem Mann mit dem allgemeinen männlichen Namen "Boy". Er soll als Ghostwriter die Autobiographie der Ida von Mallind verfassen. Die launische Dame ist die Witwe des "Maestros", eines großen Dirigenten, von dem das Gerücht geht, er sei ein "Nazi-Protégé" gewesen. Boy aber ist ein Gescheiterter, er hatte als ein anderer Tom Kummer erfolgreiche Biographien verfasst, bei denen die malerische Effekt-Erfindung stärker war als die zeichnerische Schärfe der Tatsachen. Die Branche bekam Wind von dem Kunstgriff, Boy stürzte ab. Nun hat er eine zweite Chance.

Es gibt noch eine andere Perspektive: Das erzählende Ich gehört einer Kunsthistorikerin, die eine Ausstellung von zunächst unscheinbaren Dingen vorbereitet - aber diese Dinge erzählen die Mallind-Geschichte noch einmal. Was die Erkenntnislust dieser Frau antreibt, ist auf andere Weise destruktiv als die geflunkerten Erfindungen von Boy: Es ist das Ressentiment, es ist der Neid. Vater unbekannt (wirklich?), Mutter Putzfrau. Sie schleicht sich ein, beobachtet alles aus der Position einer Zofe heraus, und für Zofen gibt es keine Heldinnen, auch wenn sie Aimée oder Gloria und die Helden Mortimer Jackson heißen.

Die Dinge, um die es ihr geht, glänzen wie die Platin-Prothese des kleinen Fingers von Ida Mallind, wie das ominöse Feuerzeug aus Weißgold, wie die Zahnspange der Erzählerin, wie die Krücke eines Jugendfreundes oder das diamantenbesetzte Hakenkreuz. Die Exponate der geplanten Ausstellung werden von der ästhetischen Zofe entwendet. Ihr Glanz aber hat, wenn wir dem Roman folgen, etwas Perverses. Merkwürdig, dass die Psychoanalytiker jahrzehntelang darüber gerätselt haben, ob es einen weiblichen Fetischismus gibt oder ob diese erotische Präferenz ausschließlich Männern vorbehalten sei - hätten sie doch die Bongartz gelesen! Fetischistisch nämlich werden hier die schönen Dinge mit biographischer Bedeutung aufgeladen: "Seit diesem Tag übten die Objekte selbst einen unwiderstehlichen Reiz auf mich aus. Ich entwickelte einen nervösen Sinn für Oberflächen und begann, sie heimlich zu streicheln und zu liebkosen. Ich hatte unwissentlich die Verzahnung von Menschen und Dingen entdeckt, das Stellvertreterdasein der Gegenstände, ihre Verbildlichung des Unbewussten, ihre eigensinnige Magie." Für den perversen Charakter solchen Glanzes findet sich im Roman ein beiläufiges Zeichen: Einmal ist davon die Rede, dass man in der Antike die Zukunft "aus den Gedärmen" gelesen habe. Nein, man las in Wahrheit nicht aus dem Darm, sondern aus der Leber.

Die Familie der Mallinds verbirgt natürlich manches Geheimnis. Vor allem ist da ein verlorener Sohn. Es stört keineswegs, dass diese Geschichte wie eine aufgepeppte Kunstversion der "Bunten" oder der "Gala" anmutet - gerade in solchen Stilmischungen ist die Autorin sehr geschickt. Was Barbara Bongartz in diesem Roman aber vor allem gelingt, das ist eine Diagnose der gegenwärtigen deutschen, nicht ganz echten, nicht ganz aufrichtigen Geschichtsversessenheit, die eher auf ihre modischen Reizstoffe als auf ihre Gehalte hin analysiert wird: ",Monokel, Reiterstiefel, Glatze. Ich nehme an, Miuccia Prada wird bald eine Kollektion dazu entwerfen . . . Völlig undenkbar in China - noch. Das ist real culture. Ihr Schreiber hier seid wirklich um die teutonischen Stoffe zu beneiden, die euch das letzte Jahrhundert hinterlassen hat, die Nazi-Hintergründe bringen in jede Story eine besondere Bewegung. Ich muss jemanden finden, der das deutsche Gefühl importiert und es in großem Stil weiterentwickelt, als Clubkette zum Beispiel, am besten in Peking und Schanghai . . .'" Die Überlagerung, ja die Legierung von "Aufarbeitung der Vergangenheit" und kulturindustriellem Schick - das ist ein Zeitphänomen, das kaum jemand so überzeugend schildern kann wie diese Autorin. Sehr gekonnt ist dabei die Überlagerung der erzählerischen Perspektiven von Boy und der "Zofe" durchgeführt, beider Verhältnis wird irgendwann zum eigentlichen Rätsel für den Leser.

Sicher: es gibt bei Barbara Bongartz gewisse sprachliche Unsicherheiten. Aber am Ende erträgt man solche Fehler und nimmt sie charmant - es ändert ja auch nichts am Sinn der Reden von Andrea Nahles, dass sie kein "sch" aussprechen kann.

Barbara Bongartz: "Die Schönen und die Reichen". Roman.

Weissbooks Verlag, Frankfurt am Main 2011. 320 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ganz angetan zeigt sich Rezensent Lorenz Jäger von Barbara Bongartz? neuem Roman "Die Schönen und die Reichen". Dass sich die Geschichte bei all dem hier beschriebenen Luxus zunächst wie eine "aufgepeppte Kunstversion der Gala" liest, stört den Kritiker keineswegs, denn hinter der glanzvollen Oberfläche hat er weitaus mehr entdeckt. Im Mittelpunkt steht ein bereits an allzu großer Effekthascherei gescheiterter Schriftsteller, der als Ghostwriter die Biografie der kapriziösen Dirigentenwitwe Ida Mallind schreiben soll. Daneben begegnet dem Kritiker eine Kunsthistorikerin, die bei den Vorbereitungen zu einer Mallind-Ausstellung nicht nur beginnt die Exponate, etwa ein mit Diamanten besetztes Hakenkreuz, zu stehlen, sondern bald einen perversen Fetisch für die Gegenstände entwickelt. Am meisten aber hat Jäger überzeugt, wie die Autorin hier den aktuellen deutschen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit beleuchte: statt analytischer Aufarbeitung stehe vielmehr der "kulturindustrielle Schick" im Vordergrund.

© Perlentaucher Medien GmbH