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Stalin träumte davon, mit Hilfe großangelegter Bewässerungsprojekte den technischen Fortschritt voranzutreiben und zugleich seinen Ruhm zu verewigen: Er wollte den Lauf großer Flüsse umkehren, die kasachische Steppe bewässern und ein Netzwerk von Schiffahrtskanälen anlegen. In dieser Gigantomanie sollten ihn die Schriftsteller unterstützen, denen er große Aufgaben bei der Umgestaltung des Denkens und Fühlens der Arbeiter zugedacht hatte. An der Seite der Wasserbauingenieure sah er in ihnen die "Ingenieure der Seele". Im Laufe der 30er Jahre erschienen so zahlreiche Romane und Erzählungen über…mehr

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Produktbeschreibung
Stalin träumte davon, mit Hilfe großangelegter Bewässerungsprojekte den technischen Fortschritt voranzutreiben und zugleich seinen Ruhm zu verewigen: Er wollte den Lauf großer Flüsse umkehren, die kasachische Steppe bewässern und ein Netzwerk von Schiffahrtskanälen anlegen. In dieser Gigantomanie sollten ihn die Schriftsteller unterstützen, denen er große Aufgaben bei der Umgestaltung des Denkens und Fühlens der Arbeiter zugedacht hatte. An der Seite der Wasserbauingenieure sah er in ihnen die "Ingenieure der Seele". Im Laufe der 30er Jahre erschienen so zahlreiche Romane und Erzählungen über den Bau von Staudämmen, Kanälen und Schleusen als Sinnbild der Schaffenskraft des sozialistischen Menschen und der Überlegenheit der sowjetischen Gesellschaft. Frank Westerman begibt sich auf eine abenteuerliche Reise durch das postsozialistische Rußland zu den Stätten des einstigen Geschehens und recherchiert zugleich die dramatischen Ereignisse um die Entstehung der Werke von Gorki, Paustowski und anderer Autoren. Er ermöglicht einen Blick in das Innenleben der streng kontrollierten sowjetischen Schriftstellerszene und in die menschenverschlingende Maschinerie der Macht.
"Ingenieure der Seele", das nun auch ins Englische und Französische übersetzt wird, erhielt 2003 den Preis der Gesellschaft für Niederländische Literatur, die an dem Buch lobt, daß es sich wie "ein wissenschaftlicher und journalistischer Krimi" liest. Besonders gepriesen wird der lockere Stil, "der angenehm informativ und gewandt ist, ohne ironisch zu sein". Das Buch erlebte in den Niederlanden binnen eines Jahres fünf Auflagen.
Autorenporträt
Westerman, Frank
Jahrgang 1964, Studium der Hydrotechnologie an der Landwirtschaftlichen Universität Wageningen, Beschäftigung mit russischer Literatur und den Thesen Wittfogels über die Ursprünge des orientalischen Despotismus; Arbeit als Entwicklungshelfer bzw. freier Journalist u.a. in Kamerun, Kuba, Mexiko, Sierra Leone und im ehemaligen Jugoslawien; von 1997 bis 2000 Korrespondent in Moskau für die große niederländische Abendzeitung NRC Handelsblad. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2003

Evangelisten des Neuen Menschen
Frank Westerman auf den Spuren der Schriftsteller unter Stalin
Frank Westerman, der Autor dieser literarischen Reportage, hat sich im George-Orwell-Jahr 1984 erstmals mit sowjetischen Problemen befasst – als Student der Hydrotechnologie im niederländischen Wageningen. Den Anstoß gab ein Kolleg über Theorie und Geschichte der Bewässerungssysteme, in dem die gigantischen Kanal- und Stauseebauten der ersten Stalinschen Fünfjahrespläne zur Sprache kamen.
Damals begann sich Westerman auch für russische Literatur zu interessieren, für die Schriften jener „Ingenieure der Seele” zumal, die helfen sollten, den Neuen Menschen zu erziehen und die ungebändigte Natur dem Großen Plan zu unterwerfen. Auch an schwierigere Texte wagte er sich heran: so an Karl August Wittfogels „Orientalische Despotie”, einen in den sechziger Jahren viel beachteten Traktat, dessen Verfasser im Rückgriff auf Altägypten und auf China zeigen wollte, dass zwischen Autokratie und „hydraulischer Gesellschaft” von jeher ein Kausalnexus bestünde. Die Parallelen zum Stalinismus lagen auf der Hand.
Als Westerman 1997 nach Moskau ging, um vier Jahre dort zu bleiben, kam er nicht als Wasserbauexperte, sondern als Korrespondent einer niederländischen Tageszeitung. Seine bisherigen Arbeiten, darunter ein Buch über Srebrenica, hatten starke Resonanz gefunden. Nun griff er, die Trümmer des Sowjetreichs vor Augen, Themen seiner Studienjahre wieder auf, begann zu erkunden, was aus den Mammutprojekten der Stalinzeit geworden war und was über die „Meister des Worts” zu sagen sei, die diese Taten als Vorschein beispiellosen Glücks gepriesen hatten. Viel sprach dafür, sich auf eine Hand voll namhafter Schriftsteller zu beschränken, und so geschah es, dass Maxim Gorki (1869-1936), Boris Pilnjak (1894-1937), Andrej Platonow (1899-1951) und Konstantin Paustowski (1892-1968) zu dramatis personae seines Buches wurden.
Westerman wollte nicht nur nach Zeitzeugen, Nachlässen und Archivalien fahnden, sondern wollte vor allem reisen und die Großbauten des Sozialismus selber sehen, jene Orte der Zwangsarbeit und des menschenverschlingenden Terrors, die heute meist Ruinenfelder und Quellen fortgehender Naturzerstörung sind. Sein packend geschriebener Bericht, mit zwei instruktiven Karten ausgestattet, fasst die Ergebnisse der Recherchen zusammen – in rasch wechselnden Zeitschnitten und Szenarien, denen zu folgen mitunter auch Verwirrung stiften kann. Betrüblich, dass im Links-Verlag niemand darauf kam, die deutschen Übersetzungen der Werke nachzutragen, von denen bei Westerman die Rede ist.
Lichte Zukunft
Über Gorki, die Kultfigur des „Sozialistischen Realismus”, hat der Autor wenig mitzuteilen, was auf dem Medienmarkt nicht schon verbreitet worden wäre. Das gilt auch für die von Gorki präsidierten Autorenexkursionen nach Solovki (1929) und an die Baustellen des Belomor-Kanals (1933). Anrührend sind die Informationen über Boris Pilnjak, den exzentrischen, von der Kritik geschuriegelten Außenseiter, der trotz mancher Anpassungsleistung der Verhaftung und Hinrichtung (1937) nicht entging. Eingehender wird von Platonow berichtet.
Schon 1928 hatte der gelernte Wasserbauingenieur in der Novelle „Epiphane Schleusen” auf die petrinische Zeit zurückgegriffen, um in historischer Verschlüsselung zu zeigen, dass despotische Eingriffe in die Natur nicht Fortschritt, sondern Katastrophen brachten. Nach einer Reise in die mittelasiatischen Wüstengebiete (1933) entstand die Erzählung „Dshan”, die wohl abgründigste Schilderung der technokratischen Hybris, der Stalin in den Kolonialzonen des Sowjetimperiums damals die Zügel schießen ließ. An eine Publikation war auch nach dem Tod Platonows lange nicht zu denken.
Glanzstücke des Buches sind die Kapitel über Paustowski, den Grandseigneur der Sowjetliteratur. Im Zentrum steht die Erzählung „Kara Bugas” (1932), genannt nach der gleichnamigen, von Mythen umwobenen Bucht am Ostufer des Kaspischen Meeres. Beschrieben wird die Entdeckungsgeschichte der dortigen Salzlagerstätten, deren Ausbeute den turkmenischen Nomaden eine „lichte Zukunft” unter dem Sozialismus verhieß. Entstehen sollten ein Chemiekombinat Magnitogorsker Formats, dazu Kanäle und Bewässerungsanlagen, deren Ziel es sei, aus der Wüste Karakum einen blühenden Garten zu machen. Auch der Oxus sollte in sein altes Bett zurück. Den 1935 nach Paustowskis Drehbuch hergestellten Film (der sofort im Archiv verschwand) hat Westerman in Moskau sehen können.
Seine Reise zu den Originalschauplätzen (über die seit dem Zerfall der UdSSR der göttergleiche Turkmenbaschi gebietet) war dagegen eine Expedition mit viel sagenden Hindernissen. Die Erfahrungen, die ihm dieser Ausflug brachte, sind ohne Frage lesenswert – auch im Blick auf das, was in Zukunft dort geschehen mag.
DIETRICH GEYER
FRANK WESTERMAN: Ingenieure der Seele. Schriftsteller unter Stalin – Eine Erkundungsreise. Aus dem Niederländischen von Gerd Busse und Verena Kiefer. Ch. Links Verlag, Berlin 2003. 288 Seiten. 19.90 Euro
Russland, Reich des Bösen – von wem war das noch? Ach ja, der andere Schauspieler. . .
Foto Regina Schmeken
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit seiner "literarischen Reportage" hat Frank Westerman den Geschmack Dietrich Geyers getroffen. Der ursprüngliche Wasserbauexperte und spätere Moskaukorrespondent einer niederländischen Tageszeitung hat mit seiner Reise zu den Originalschauplätzen der besprochenen Erzählungen einen "packend geschriebenen Bericht" vorgelegt, findet der Rezensent. Dass sich der Autor in seiner Erkundungsreise über die "Ingenieure der Seele" auf vier "namhafte Schriftsteller" beschränkt, findet er auch ganz in Ordnung. Allerdings habe der Autor zu Maxim Gorki nur "wenig mitzuteilen", was nicht schon altbekannt sei. "Anrührend" hingegen seien die Mitteilungen über Boris Pilnjak. Ausführlicher widme sich Westerman zwar auch Andrej Platonow, doch hat Geyer die "Glanzstücke des Buches" in den Kapiteln zum "Grandseigneur der Sowjetliteratur", Konstantin Paustowski, ausgemacht. Zwar könnten die "rasch wechselnden Zeitschnitte und Szenarien ... mitunter auch Verwirrung stiften", doch ist der Erfahrungsbericht des Autors ohne Zweifel "lesenswert", so der Rezensent abschließend.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Wie Westermans Expedition ins Eiserne Zeitalter sich im islamisch-nachstalinistischen Turkmenistan des"Turkmenbaschi"Niazow endlich dem Ziel nähert, das einem Bermuda-Dreieck gleicht; wie die biografischen Fäden und Handlungslinien sich miteinander verknüpfen und dann wieder auflösen und enträtseln; wie auf dem Hintergrund der Geschichte ein höchst aktuelles Bild Russlands und seiner früheren kolonialen Annexe im Süden entsteht - das ist nicht nur instruktiv und bewegend, sondern so spielerisch und spannend erzählt, wie man es etwa von den Reportagen und Erzählungen eines Bruce Chatwin kennt".
(Gerd Koenen in"Literaturen", 9/2003)

"Frank Westerman hat sein Buch wie eine Großreportage angelegt und verbindet die historische Darstellung immer wieder mit aktueller Recherche. Seine zahlreichen Gespräche mit den kindern und Enkeln beteiligter Liriki einerseits, mit Amtsnachfolgern und Kollegen der Fisiki andererseits sind so geschickt in die Darstellung eingewoben, dass sie ihr viel Lebendigkeit und Detailschärfe verleihen.
Wer sich für das Russland von heute interessiert - das ohne seine Vorgeschichte nicht zu verstehen ist -, der sollte sich diese Studie über das Russland von gestern nicht entgehen lassen".
(Rainer Traub, Spiegel special 3/2003)

"Westerman hat ein auf weiten Strecken amüsantes Buch über eine traurige Geschichte geschrieben, ohne dass es peinlich oder zynisch wirkt. Virtuos verwebt er Literaturgeschichte mit Reportage. Eine dramaturgische Meisterleistung".
(Thomas Schmid, Frankfurter Rundschau, 8.10.03)
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