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Die Ideologen im Weißen Haus rechnen damit, dass die Amerikaner und Amerikanerinnen den Ausnahmezustand seit Ankunft der ersten europäischen Siedler als Lebensform verinnerlicht haben. In den USA ist kein Alltag wie der andere. "Eternal Frontier" - immer wieder kommt eine neue Front in Sicht, die es zu erobern und zu verteidigen gilt. Die Gesellschaft ist dauernd auf Grenzgang.

Produktbeschreibung
Die Ideologen im Weißen Haus rechnen damit, dass die Amerikaner und Amerikanerinnen den Ausnahmezustand seit Ankunft der ersten europäischen Siedler als Lebensform verinnerlicht haben. In den USA ist kein Alltag wie der andere.
"Eternal Frontier" - immer wieder kommt eine neue Front in Sicht, die es zu erobern und zu verteidigen gilt. Die Gesellschaft ist dauernd auf Grenzgang.
Autorenporträt
Lotta Suter, geboren 1952, Studium der Philosophie und Publizistik. Mitbegründerin und langjährige Redakteurin der Schweizer 'WochenZeitung'. Auswanderung nach New England, seitdem Berichterstatterin für u. a. 'Work', 'Freitag' und andere Printmedien. Die Autorin lebt in der Nähe von Boston.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.01.2005

Patriotisches Fieber
Die USA sehen sich im Ausnahmezustand und drohen, zum Überwachungsstaat zu werden
Wenige Tage nach den Terroranschlägen vom 11. September warf Justizminister John Ashcroft die Gesetzesmaschinerie an. Unter Hochdruck und ohne Rücksicht auf Details dieser heiklen Rechtsmaterie musste der Kongress ein Anti-Terror-Paket schnüren. Innerhalb von 45 Tagen schusterten die Volksvertreter den „USA Patriot Act” zusammen, ein Werk von 342 Seiten.
Das neue Gesetz ermächtigt die Regierung, verdächtige Immigranten zu inhaftieren, ohne dass ihnen konkrete Straftaten angelastet werden können. Es erlaubt Hausdurchsuchungen ohne richterliches Plazet. In erster Linie ist es aber ein Gesetz, das die elektronische Überwachung erheblich verschärft. FBI-Agenten können Verdächtigen auf ihren Datenspuren durchs Internet folgen. Und sie dürfen E-Mails lesen, ohne dass die Objekte ihrer Begierde, letztlich meist unbescholtene Bürger, davon erfahren.
Wahrlich ein Ausnahmezustand. Freilich einer, der nicht offiziell so deklariert wurde. Die Autorin, Schweizer Publizistin, die 1997 mit vier Kindern nach New England ausgewandert ist, fasst den Begriff des Ausnahmezustands bewusst sehr weit. Es war dies von jeher fast so etwas wie eine eingespielte Lebensform des Landes, schreibt sie, das sich nicht auf das ewig Gleiche beschränken lässt. Vielmehr war und ist es stets auf der Suche nach neuen „Frontiers”, Freiräumen jenseits der etablierten Verhältnisse. Und dies, wie die Autorin zu Recht vermerkt, besonders in Krisenzeiten. Dann grassiert „patriotisches Fieber”. Das Bekenntnis zum „American Way of Life” wird dann zur ersten Bürgerpflicht.
Das war nach dem Ersten Weltkrieg so, als Streiks, Rassenunruhen und Hyper-Inflation Ängste weckten, das große Experiment USA könnte gefährdet sein. Daher dann auch die Repressalien gegen Sozialisten, Kriegsgegner und Gewerkschafter. Partiell wiederholte sich dann die Geschichte im Kalten Krieg, unter der Ägide des McCarthyismus. Wieder mussten Tausende für ihr vermeintlich un-amerikanisches Verhalten büßen. Was immer das im Zeichen des fast schon paranoiden Antikommunismus bedeuten mochte. Jetzt, gut fünfzig Jahre später, hat die Bush-Junior-Administration mit dem USA Patriot Act Instrumente geschaffen, die der nationalen Sicherheit alles unterordnen. Auch die Grundrechte, die Substanz der „Bill of Rights”, auf die die US-Amerikaner mit Recht immer stolz gewesen sind.
Dass mit der Implementation dieses Gesetzes der Schwund bürgerlicher Rechte einhergeht, zeigt die Autorin an einem monströsen Projekt des Pentagon auf: dem „Terrorism Information Awareness” (TIA). Ein gigantisches Computersystem soll es den Ermittlern ermöglichen, Milliarden von Daten, wie Belege von Online-Einkäufen oder vom Geldautomaten, auf Anzeichen geplanter Anschläge zu überprüfen und die „Handschrift” potenzieller Terroristen herauszufiltern. Dieses und eine Unzahl anderer Projekte lassen die Konturen eines Überwachungsstaats erkennen. Lotta Suter ist sich sicher, dass die elektronische Aufrüstung - „eine Goldgrube für die Sicherheitsindustrie” - Abstriche an der Demokratie mit sich bringt.
Die Autorin holt weit aus, bis zurück zu den Pilgervätern, um den „Mythos des zum Überleben auserwählten Volkes” zu erklären. Und sie zeigt die Schattenseiten auf. Die Kluft zwischen Arm und Reich. Das Schicksal der „working poor”, die sich noch so sehr abarbeiten mögen, aber trotzdem nicht ihren Lebensunterhalt verdienen können. Oder das Gesundheitswesen, das für arme Kranke „off limits” ist.
Was an diesem Buch aber besonders besticht, ist die „persönliche Note”, die Fähigkeit der Autorin, eindringlich zu erzählen, wie sie in dieser Gesellschaft zurecht kommt oder immer wieder aneckt. Besonders aufschlussreich sind ihre kurzen Psychogramme, etwa zum „Optimismus als Bürgerpflicht”, die sie auch nach etlichen Jahren USA noch als Außenstehende zeigen. Die Mischung zwischen Analysen und Erzählungen macht dieses Buch empfehlenswert.
FRANK NIESS
LOTTA SUTER: Einzig und allein. Die USA im Ausnahmezustand. Rotpunktverlag Zürich. 256 Seiten, 18,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Frank Nieß ist sehr angetan. "Die Mischung zwischen Analysen und Erzählungen macht dieses Buch empfehlenswert", schreibt er. Die Schweizer Publizistin Lotta Suter, seit 1997 Neuengländerin, schafft es, nicht nur einen satten historischen Abriss über die Schattenseiten des amerikanischen Patriotismus vorzulegen, eine Studie der allgemeinen Hysterie, in die das amerikanische Sendungsbewusstsein stets umzuschlagen droht, wie sich nicht nur aktuell unter George W. Bush und seinem "Patriot Act" zeigt, sondern wie schon nach dem Ersten Weltkrieg und in der Zeit des McCarthyismus festzustellen war. Suter bringt überdies eine bereichernde persönliche Perspektive ein. Bis zu den Pilgervätern zurück verfolgt die Autorin die Geschichte der amerikanischen Ausnahmezustände. Hinter diesem prekären patriotischen Gleichgewicht steht, so Suter, der "Mythos des zum Überleben auserwählten Volkes". Aktuell jedoch, mahnt die Autorin, seien sogar die Bürgerrechte in Gefahr. Ein Überwachungsstaat drohe.

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