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Erledigungen vor der Feier – ein bezwingendes Debut. Tilman Rammstedt führt auf wunderbare Weise vor, wie wenig wunderbar sich das Leben manchmal zeigt. Es könnte so leicht sein zu zweit, wenn man sich nicht ständig selbst im Wege stünde. Tilman Rammstedts Helden wissen viel zu gut, was sie tun. So wartet hinter jedem geglückten Augenblick schon das betretene Schweigen danach. „Wenn man das Weite suchen will, dann ist es nicht nur wichtig, Schuhe und eine Jacke anzuziehen, es ist auch wichtig, nicht erst im Zimmer auf und ab zu laufen“ – der Erzähler hat viele Wünsche, aber es findet sich…mehr

Produktbeschreibung
Erledigungen vor der Feier – ein bezwingendes Debut. Tilman Rammstedt führt auf wunderbare Weise vor, wie wenig wunderbar sich das Leben manchmal zeigt.
Es könnte so leicht sein zu zweit, wenn man sich nicht ständig selbst im Wege stünde. Tilman Rammstedts Helden wissen viel zu gut, was sie tun. So wartet hinter jedem geglückten Augenblick schon das betretene Schweigen danach. „Wenn man das Weite suchen will, dann ist es nicht nur wichtig, Schuhe und eine Jacke anzuziehen, es ist auch wichtig, nicht erst im Zimmer auf und ab zu laufen“ – der Erzähler hat viele Wünsche, aber es findet sich immer ein Grund, sie nicht zu verwirklichen. Er ist verliebt in eine wunderbar-wunderliche Frau, aber aus Furcht, sich festzulegen, bleiben die beiden unverbindlich. So tun sie die Dinge, die man nur tun kann, solange man kein Liebespaar ist - bis zu jener Nacht, "in der wir aufhörten, nicht miteinander zu schlafen".
Mit Tucholskys schwermütiger Leichtigkeit schaffen es Tilman Rammstedts Figuren ein ums andere Mal, dem Glück aus dem Weg zu gehen. So groß ihre Sehnsucht ist: Vor der Feier warten viele Hindernisse.
Autorenporträt
Tilman Rammstedt wurde 1975 in Bielefeld geboren und studierte Philosophie und Literaturwissenschaft in Edinburgh, Tübingen und Berlin. Er ist Texter und "schlechtester Musiker" bei der Gruppe "Fön" und ständiges Mitglied der Lesebühne "Visch & Ferse". 2001 war der faszinierende Vorleser Preisträger des Open Mike. Tilman Rammstedt lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.08.2003

Das Mundstück der Flötenlehrerin
Nichts passiert, das aber intensiv: Tilman Rammstedts Prosa-Debüt
In der jungen deutschen Gegenwartsliteratur, Post-Judith-Hermann, wird gern geraucht. „Ich zündete mir eine Zigarette an”, das ist vielleicht sogar die Essenz, der Satz der Sätze. Die Zigarette stiftet Behaglichkeit, Rauch steigt auf, ein Weichzeichner-Nebel. Alles so angenehm! Man kann hervorragend am Fenster stehen und darüber nachdenken, wer man ist und was man will vom Leben, und sollte sich nach zwei Packungen Marlboro Medium herausstellen, dass man nicht weiß, wer man ist und was man will vom Leben, dann kann man den Rest des Tages weiterreflektieren, warum das so ist. Unterm Strich ergibt das maximale Gedankenschwere bei größtmöglichem Genuss-Faktor. WohlfühlLiteratur!
Es ist vielleicht nicht unbedingt ein gutes Zeichen, wenn in einem Buch bereits auf Seite acht von einem Frühstück berichtet wird, bei dem „mehr Zigaretten als nötig” geraucht werden, und wenn es dann auf Seite elf schon wieder heißt: „und wir rauchten eine Zigarette”, fragt man sich bang, wie viele Zigaretten wohl noch auf einen zukommen werden, auf insgesamt 114 Seiten, und ob hochfrequentes Passivrauchen nicht womöglich der Gesundheit des Lesers schadet.
Es ist eine Frau, die hier Kette raucht, eine ziemlich bezaubernde Frau, was die Sache dann doch sehr sympathisch macht. L. heißt sie, einfach nur L., die restlichen Buchstaben hält sie vor dem Erzähler geheim oder dieser vor dem Leser, so genau weiß man das nicht. Was zwischen der Frau und dem Erzähler läuft, weiß man auch nicht genau. Sie treffen sich zu „Heißgetränken”, sie unternehmen Ausflüge zu Naherholungszielen, sie führen innige Gespräche. Sie tun, was man eben so tut, wenn man eine „Beziehung” hat, was für L. aber nur solange okay ist, wie sie keine „Beziehung” haben. Im Grunde passiert nichts, das aber sehr intensiv.
Der Fanta-Hannes und die Rike
„Sommer”, „Winter”, „Frühling”, „Herbst” heißen die ersten Kapitel in Tilman Rammstedts Prosaskizzen-Sammlung „Erledigungen vor der Feier”: Die Jahreszeiten der Liebe. Erst im Herbst hat das Paar, was für beide überraschend kommt, Sex: „Die Nacht, in der wir aufhörten, nicht miteinander zu schlafen”. Ein toller Satz, einer den man sofort auf ein T-Shirt gedruckt haben will, vielleicht der Satz der Sätze in diesem Buch. Wobei „Wie gerne wäre ich in meine Flötenlehrerin verliebt gewesen”, ein paar Seiten weiter, auch nicht schlecht ist, mindestens so gut jedenfalls wie „Ich wünschte, ich würde mich für Tennis interessieren” von Tocotronic.
Man denkt bisweilen an den sloganhaften Witz in den Texten deutscher Popgruppen, wenn man Rammstedts Debüt liest, und man denkt oft an Eric Rohmer, vor allem natürlich an dessen Liebesfilm-Zyklus der vier Jahreszeiten. Wie bei Rohmer machen die Figuren die Dinge immer ein wenig komplizierter, als nötig wäre, und neigen zur Introspektion. Weil sie entscheidungsschwach sind, führen sie ein Leben im Konjunktiv, worunter sie aber nicht zu leiden scheinen. In Rammstedts Flötenlehrerin-Erzählung wird das Prinzip auf die Spitze getrieben. Vier Seiten lang nur Spekulationen darüber, wie die Liebe zur Lehrerin sich gestaltet hätte, wie ihr Mund im Vergleich zum Mundstück der Flöte geschmeckt hätte, ungeheuer detailliert, mit tollen Wörtern wie „Filzschutzhülle”, vielleicht überhaupt das Wort der Wörter in diesem Buch.
Die komplizierte Sache mit L., die aufhört, bevor sie angefangen hat; die Geschichte mit Sarah, die der Erzähler gegen seinen Willen küsst; die Flötenlehrerin – irgendwie erinnert das alles ein wenig an Gaspard, den Mathematikstudenten mit der Gitarre in Rohmers „Sommer”, der sich eine Freundin wünscht, am Ende nach langem Hin und Her Verabredungen mit drei Mädchen hat – und dann doch lieber zuhause bleibt und sich in die Gebrauchsanweisung seines neuen Vierspurgeräts vertieft.
Mit der sehr gelungenen L.-Episode hat Rammstedt den Berliner „Open Mike”-Wettbewerb 2001 gewonnen. Dabei orientiert sich gerade diese Erzählung weniger als alle anderen am Lesebühnenstil der Slam-Poetry-Autoren, der sich häufig in der Kneipen-Kompatibilität erschöpft und auf der widersinnigen Annahme aufbaut, dass allein schon der Aufführungsort Gaststätte Welthaltigkeit in die Literatur bringt.
Im Publikum war beim „Open Mike” wohl auch ein Agent des Dumont-Verlags, der Rammstedt sofort überredet hat, die Geschichte als Buch herauszubringen, und weil 23 Seiten noch kein Buch ergeben, hat man noch ein paar andere, weniger gelungene Geschichten aus Rammstedts Lesemappe dazugepackt. Und so lernt der Leser jetzt auch den hyperaktiven Hannes kennen, der immer Fanta trinkt, und die kapriziöse Rike, die unbedingt Pia-Rike genannt werden will, und von einem Malte ist zu erfahren, dass er noch mit L.s Freundin Julia zusammen ist, „aber nicht mehr so richtig”. Es ist das hinlänglich bekannte Personal der jungen deutschen Wohlfühlliteratur, rauchend, nachdenkend. Wirklich zueinander finden die Erzählfäden nicht, aber Rammstedt ist hin und wieder erfolgreich bei dem Versuch, den Satz der Sätze zu schreiben. Oder zumindest das Wort der Worte.
OLIVER FUCHS
TILMAN RAMMSTEDT: Erledigungen vor der Feier. Dumont Verlag, Köln 2003. 114 Seiten, 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2003

Wohngemeinschaften der Liebe
Entschlossen zur Leidenschaft: Tilman Rammstedts Debüt

Die Liebe ist eine paradoxe Situation. Sie beruht auf der Übereinkunft der Liebenden, ihren Gesten und Blicken eine Einzigartigkeit zu unterstellen, die für Fremde unsichtbar bleibt. Es gibt nur wenig dümmere Anblicke als Liebespaare, die Ach! seufzen und sich dabei tief in die Augen blicken. Was für sie ein Moment der Wahrheit ist, der sie die Welt ringsum vergessen läßt, ist für Zuschauer bloß ein weiteres trauriges Beispiel dafür, daß von Verliebten nichts zu erwarten ist.

Diese Diskrepanz zwischen Innen- und Außenperspektive ist das Thema von Tilman Rammstedt, nur daß sein Ich-Erzähler die eigenen Liebesbemühungen selbst mit einem fremden, distanzierten Blick wie von außen betrachtet. Ob in den neckischen Streitereien mit L., ob beim Ausflug mit Kristin oder im Rückblick auf die Freundschaft mit Sarah, stets deutet er die Kompliziertheit des Liebens oder sich Verliebens als komplexes Zeichensystem. Familienzwiste und Wohngemeinschaftsproblematiken unterscheiden sich, so betrachtet, nicht von der Liebe. Die Figuren sind austauschbar, die kurzen Abschnitte nur durch Absätze voneinander getrennt, was dazu verführt, sie durchgängig zu lesen wie einen Roman. Eher aber handelt es sich bei "Erledigungen vor der Feier" um Variationen eines Themas, um Fingerübungen für eine Theorie des kommunikativen Handelns. Statt über Gefühle zu schreiben, betreibt Rammstedt eine Semiologie der Liebe und erforscht die Mißverständnismöglichkeiten, die daraus folgen. Er gibt sich nicht mit bedeutungsvollen Blicken und einem geseufzten Ach! zufrieden, sondern sieht genauer hin. In den Augen der Geliebten entdeckt er nicht die Wahrheit, sondern kleine Adern, Iris, Pupille: "Alles, nur keine Wertung, und die Blicke führen nicht weit."

Rammstedts Figuren sind Schauspieler, die das Miteinandersein ersehnen, es aber immer bloß darstellen und zugleich um die Mängel ihrer Schauspielkunst wissen. Es sind traurige, komische Gestalten. Sie stehen neben sich und sehen sich zu. Jede Geste, jeder Blick kann richtig oder falsch sein, kann gelingen oder mißlingen und bietet Anlaß zu Fehlinterpretationen. Nichts geschieht für diese Figuren zufällig. Wenn sie beleidigt sind, beschließen sie vorher, beleidigt zu sein. Selbst Augenblicke der Leidenschaft erfordern den Entschluß, leidenschaftlich zu werden. Also findet Leidenschaft nicht statt. Wer zu lange über seine Idealvorstellungen einer Beziehung spricht, stellt schließlich fest, daß das andauernde Sprechen über die Idealvorstellungen keineswegs zu den Idealvorstellungen gehört - ist also schon gescheitert.

Wo alles zum Zeichen wird, mißlingen selbst einfachste Dinge: "Dann umarmten wir uns die entscheidenden Sekunden zu lange, dann lagen unsere Wangen aneinander, und plötzlich waren dann auch die Zungen im Spiel und die Hände, und dann schauten wir etwas traurig und verabschiedeten uns und telefonierten nicht." Liebe, die doch das Thema dieses Buches ist, findet nicht statt, weil der Ich-Erzähler und seinen Freundinnen das Klischee fürchten. Sie wollen, was Liebespaare tun, selbst nur tun, solange sie kein Liebespaar sind. Folglich ist die Beziehung die haltbarste, die vorbei ist. Erst die Vergangenheit erlöst von der "kräfteraubenden Unverbindlichkeit" des Lebens, die dem Erzähler so sehr zu schaffen macht. Erst in der Vergangenheit ist Klarheit möglich, wenn es gelingt, nicht miteinander zu telefonieren, ohne daß das Nichttelefonieren gleich zur Verweigerung mißrät. Kein hastiges Auflegen mehr nach dem ersten Klingelton, kein Schweigen auf dem Anrufbeantworter, keine nutzlosen ersten Sätze: "Wir telefonierten nicht, weil wir nichts hätten sagen können, weil es nicht um ein Melden ging, weil es schließlich Perfekt war."

Tilman Rammstedt entwickelt seine Paradoxien aus der Sprache heraus. Aus dem Satz "Sarah steht eigentlich im Perfekt" leitet er eine ganze Geschichte ab. Er ist kein epischer Erzähler, sondern einer, der die Kunst der Kürze bevorzugt. Gesprächsbemühungen und Beziehungsverwicklungen verwandelt er durch Reduktion in etwas Komisches. Vorbildhaft für diese Prosa sind Verknappungskünstler wie Peter Bichsel oder Reinhard Lettau, wenngleich Rammstedt deren Radikalität im Weglassen noch fehlt. Obwohl seine Texte nur wenige Seiten umfassen, wirken manche zu lang und zu selbstverliebt. Die Kunstfertigkeit, mit der er Sprache zu handhaben weiß, verführt ihn gelegentlich dazu, überflüssige Pirouetten zu drehen. Doch immer ist es die Freude an der Form, die sein Erzählen vorantreibt. Das unterschiedet ihn von den vielen Debütanten der letzten Jahre, die auf schlichteste Weise von ähnlichen Themen - erster Liebe, sich trennenden Eltern und der Ratlosigkeit der Jugend - berichteten. Rammstedt verwandelt das Gewöhnliche in Literatur, in eine rhythmische, musikalische Prosa, die Lust auf mehr macht.

JÖRG MAGENAU

Tilman Rammstedt: "Erledigungen vor der Feier". DuMont Literaturverlag, Köln 2003. 114 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Eine Gebrauchsanweisung der Liebe voll reizvoller Komplikationen und Vorbehalte." (Der Tagesspiegel)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Von diesem Prosadebüt, in dem in kurzen Abschnitten von den Schwierigkeiten in Liebesbeziehungen erzählt wird, ist Jörg Magenau sehr angetan. Er lobt den Tilmann Rammstedt dafür, eine ganze "Semiologie der Liebe" zu entfalten und die typischen "Missverständnisse " zwischen Liebenden mit seinen Texten unter die Lupe zu nehmen. Der Rezensent sieht Rammstedts Prosa der "Kürze" verpflichtet und erkennt eine stilistisch Verwandtschaft zu Autoren wie Peter Bichsel oder Reinhard Lettau. Zwar, so der Rezensent kritisch, könne es der Autor noch nicht ganz mit diesen "Verknappungskünstlern" aufnehmen, und so mancher seiner Texte sei noch zu "lang und zu selbstverliebt". Trotzdem preist er ihn als einen Autor, der das "Gewöhnliche in Literatur" verwandelt, und deshalb freut sich Magenau schon jetzt auf mehr von dieser "rhythmischen, musikalischen Prosa".

© Perlentaucher Medien GmbH
"... ein glänzender Beobachter, der wie mit dem Objektiv auf seine Personen und ihre alltäglichen Probleme und Verrichtungen blickt, cool und distanziert." (Stuttgarter Zeitung)

"Rammstedt ist ein fabelhafter Erzähler." (Frankfurter Rundschau)
"Eine Gebrauchsanweisung der Liebe voll reizvoller Komplikationen und Vorbehalte." (Der Tagesspiegel)
Man möchte Rammstedt ständig zitieren. Frankfurter Rundschau