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Ohne den Ersten Weltkrieg sind die geistigen und politischen Bewegungen im Deutschland des 20. Jahrhunderts nicht zu verstehen. Er wurde das fundamentale Datum aller folgenden Kultur; er mobilisierte den Ideenvorrat einer ganzen Generation deutscher Intellektueller. Diesen Vorgang beleuchtet Kurt Flasch nicht nur an einzelnen Autoren - von Max Scheler über Friedrich Meinecke bis zu Hugo Ball - sondern auch an allgemeinen Grundzügen der damaligen Zeiterfahrung.

Produktbeschreibung
Ohne den Ersten Weltkrieg sind die geistigen und politischen Bewegungen im Deutschland des 20. Jahrhunderts nicht zu verstehen. Er wurde das fundamentale Datum aller folgenden Kultur; er mobilisierte den Ideenvorrat einer ganzen Generation deutscher Intellektueller. Diesen Vorgang beleuchtet Kurt Flasch nicht nur an einzelnen Autoren - von Max Scheler über Friedrich Meinecke bis zu Hugo Ball - sondern auch an allgemeinen Grundzügen der damaligen Zeiterfahrung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Vielleicht sagt es dem Professor zu
Reichlich seltsamer Geschmack: Kurt Flasch serviert Kostproben von 1914 / Von Patrick Bahners

Auf den "Festtag" des 28. August 1999 hat Kurt Flasch das Vorwort seines neuen Buches datiert. Er stellt sich auf die Seite Goethes, des Weltbürgers, Ironikers und souveränen Individuums, auch des Kritikers des Christentums, und markiert damit den weitestmöglichen Abstand zu den Nationalisten und Pathetikern, die im August 1914 von deutschen Kanzeln und Lehrkanzeln die Verschmelzung der Deutschen zum großen Ganzen zelebrierten. Aber er weiß natürlich, dass die Kriegsredner auch Goethe zur Fahne riefen. Dass die Deutschen das Volk der Unendlichkeit seien, legte Rudolf Eucken im Sommer 1914 in einer Rede über die weltgeschichtliche Bedeutung des deutschen Geistes dar, sei von Nikolaus von Kues zuerst ausgesprochen und im "Faust" gestaltet worden. Friedrich Meinecke, der am 4. August 1914 eine von Flasch interpretierte Meditation über Politik und Kultur niederschrieb, schlug nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor, die Deutschen sollten sich zur Besinnung über ihre Katastrophe in Goethe-Gemeinden sammeln. Heutige Barbaren, die sich dadurch als Kulturwissenschaftler zu qualifizieren glauben, dass sie ihren Großvätern die Verklärung der Kultur vorwerfen, spotten über Meineckes Ratschlag. Auch Flasch schildert mit erhellender Nüchternheit das Behagen der Bildungsbürger in der Kultur, das Sonderreich des Geistes, das ihnen die Politik vom Leibe hielt, das Wolkenadlerheim von Ordinarien, die über allem schwebten und über alles redeten. Und doch darf man vermuten, dass, träte in Mainz ein Kapitel von Meineckes Goethe-Kirche zusammen, auch Kurt Flasch zu einem Leseabend erschiene, und wäre es aus Neugier. Indem er an Goethes Geburtstag sein Werk in die Welt schickt, gibt der Autor zu erkennen, dass über die deutschen Intellektuellen und den Ersten Weltkrieg ein deutscher Intellektueller schreibt, den der Stoff nicht loslässt, den er begreifen will.

Das bemerkenswerte und merkwürdige Buch leistet einen Beitrag zur Methodendebatte der Geisteswissenschaften, der nicht theoretischer, sondern praktischer Natur ist. Es demonstriert eine seltene Haltung: Distanz fällt hier ineins mit dem Engagement. Mit dem Goethewort, nur die Lumpe seien bescheiden, wehrt Flasch im Vorwort die fiktive Einrede ab, es sei anmaßend, nach Jacob Burckhardts "Kultur der Renaissance in Italien" noch einmal einer kulturgeschichtlichen Untersuchung den Untertitel "Ein Versuch" zu geben. Die Koketterie macht stutzig. Legt der Verfasser die Messlatte nicht gefährlich hoch? Auf die Verwechselbarkeit der beiden Projekte muss man schon gestoßen werden. Zuwenig haben Flaschs locker gereihte Betrachtungen mit der strengen Ordnung von Burckhardts Entwurf gemein, dessen Form die Zentralperspektive bestimmt, die sein Thema ist. Wo Burckhardts Epochenpanorama Vollständigkeit vorspiegelt, im Sinne zwar nicht des sachlich Erschöpfenden, aber des künstlerisch Befriedigenden, da gibt Flasch Splitter: hauptsächlich Glossen zu Kriegsschriften, aber auch späteren Werken etwa von Ernst Troeltsch und Max Scheler, knappste Stichworte zu "Themen" und "Tendenzen". Das Methodenkapitel steht in der Mitte, wird aber zerrissen von einem weiteren biografischen Abriss, der sich in ein Stück Autobiografie verwandelt: Kurt Flasch gehört zu den wenigen lebenden Personen, die Kurt Riezler, den Ratgeber Bethmann-Hollwegs, noch erlebt haben, 1954 bei einem Vortrag in der Frankfurter Universität. Formal sind Burckhardt und Flasch himmelweit entfernt, aber gerade dieser Graben weist den neuen Versuch als Gegenbild zum Klassiker aus.

Die Unkultur des zweiten dunklen Zeitalters in Deutschland" könnte das Buch heißen, lässt es sich doch lesen als Gespenstergeschichte von der Wiedergeburt jenes Mittelalters, das Flasch ein Leben lang erforscht und dabei freilich auch aufgehellt hat. Die Philosophen des Krieges passten ihre Aussagen über Gründe und Ursachen dogmatischen Prämissen an, zuerst und zuletzt dem Postulat vom unvermeidlichen deutschen Sieg, aber auch metaphysischen Glaubenssätzen vom Menschengeist, der über rohe Gewalt siegt, und vom Willen, der erreicht, was er erstrebt. Die Harmonisierung widerstreitender Voraussetzungen, ihre Immunisierung gegen den Einspruch der Erfahrung, war auch das Geschäft einer Scholastik, die in der katholischen Kirche der Vorkriegszeit noch einmal zum Maß erhoben wurde. Die Öffnung des katholischen Denkens für die vom Protestantismus geprägte moderne Philosophie wurde in Deutschland freilich ausgerechnet durch den Krieg befördert: Die Kreuzzugspropaganda der französischen Katholiken nötigte ihre deutschen Glaubensbrüder, den deutschen Geist gegen den Atheismusvorwurf zu verteidigen. Solche ungewollten, von niemandem erstrebten und dennoch erreichten Konsequenzen des Krieges verbieten es Flasch, von "Unkultur" zu reden: Dieser Manichäismus war die Denkform der Prediger, die einen Kulturkampf zwischen den Ideen von 1914 und 1789 ausriefen und wie Augustinus um der Konsistenz des Glaubens willen die Masse der Sünder in die Hölle schickten, die diesmal schon auf Erden brannte.

Aber so sehr Flasch sich in seiner Terminologie der Logik des Schreckens entzieht, so wenig er die Theoretiker der Feindschaft seinerseits als Feinde des Menschengeschlechts verdammen möchte, so deutlich ist der Befund: Die Lebensphilosophen, denen der tausendfache Tod die Wahrheit ihres Kults der Macht und der Bewegung bestätigen musste, waren die Grabredner der Kultur im Sinne Burckhardts. Die Verdeckung der Welt und des Menschen ist das philosophische Resultat des Krieges. Der Realismus der Renaissance vergeht in den Kriegsreden, die von Geschichte und selbst von Politik nicht handeln, nur von Wille, Geist und Seele. Zur Volksseele werden die Individuen verschmolzen, während ihre Körper im Schützengraben geopfert werden. Das Vertrackte, ja das Verteufelte ist aber, dass dieser Sündenfall der deutschen Wissenschaft, ihr Abfall vom Humanismus, nicht einfach die Verneinung der Bildung ist, sondern zugleich ihr Ergebnis. Schon Burckhardts Zerlegung des Staates als eines Kunstwerks hatte der Ästhetisierung einer um Recht und Moral nicht mehr besorgten Politik Material geliefert. Nur deshalb konnte der Krieg mit theologischen Formeln überhöht werden, weil das Bildungsbürgertum einer Religion der Immanenz vertraute: Es gab die Goethe-Gemeinden schon. Auf den letzten Seiten seines Versuchs schildert Burckhardt die "Erschütterung des Glaubens überhaupt". Am Ende steht die Seligkeit auf Erden, wie sie sich die platonische Akademie unter Aufnahme mittelalterlich-mystischer Motive ausmalte.

Hier schließen viele Arbeiten von Flasch an, der feststellen muss, dass die nationalistische Vereinnahmung von Meister Eckhart und Nikolaus von Kues der erste Schritt zu ihrer Historisierung war. Die historischen Bedingungen seines eigenen Philosophierens möchte er begreifen. Er bekennt sich zum Historismus, dessen Überwindung er eine Legende nennt. Einmal hat der Historismus schon in den Nihilismus geführt. Aber die Metaphysik taugt nicht zum Gegenmittel, denn die verborgenen und im Krieg ausgesprochenen metaphysischen Prämissen, der Glaube an den Sinn und die Kultur, waren, wie Nietzsche wusste, gerade das Nihilistische an der deutschen historischen Religion. Flasch radikalisiert den Historismus. Wie eine Philosophie verfahren kann, die den Krieg gedacht hat, die Unhintergehbarkeit der Erfahrung, und historische und systematische Betrachtung nicht mehr trennt, das erläutert das packende Schlusskapitel exemplarisch, an Martin Heidegger, der es verschmähte, den Menschen wieder zu entdecken.

Kurt Flasch: "Die geistige Mobilmachung". Die deutschen Intellektuellen und der Erste Weltkrieg. Ein Versuch. Alexander Fest Verlag, Berlin 2000. 448 S., Abb., geb., 68,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2000

Predigen für den Krieg
Kurt Flasch schildert die geistige Mobilmachung von 1914
Mit dem Ersten Weltkrieg beginnt der europäische Zivilisationslack abzublättern. Und sichtbar wird unter diesem Lack etwas ganz Neues: Die Verbindung nämlich von Nationalismus und Technik wird gesichert durch künstliche Atavismen. Im Rückblick wird sichtbar, was alle europäischen Kriege des 20. Jahrhunderts bestimmen wird: die heilsgeschichtliche Aufladung eines Krieges, der im Dienste des neuen Gottes, der Nation, geführt wird.
Seit dem Ersten Weltkrieg ist jeder Krieg ein heiliger Krieg. Kurt Flasch, eben siebzig geworden, bekannt als profunder Kenner der spätantiken und mittelalterlichen Philosophie, hat sein jüngstes Buch Zeugnissen gewidmet, die uns noch fremder erscheinen als diese mittelalterlichen Philosophen – der schier unüberschaubaren Zahl von Reden und Traktaten zum Ersten Weltkrieg. 13 000 Titel umfasst Flaschs – im Buch nicht abgedruckte – Sammlung von im weitesten Sinne theoretischen Texten hierzu. Der Erste Weltkrieg ist nicht bloß der Krieg der Massen auf dem Schlachtfeld, er ist auch der Krieg der Massen in der Heimat. Und er ist ein individualitätsauflösender Krieg noch dort, wo die Individualität gefeiert wird.
Der Erste Weltkrieg bedeutete die Politisierung der gesamten deutschen intellektuellen Elite. Und zwar im Sinne einer Indienstnahme des Geistes. Die deutsche Universität, so scheint es, ergriff die einzigartige Chance, ihre gesellschaftliche Funktion zu beweisen. Ob idealistischer Philosoph oder positivistischer Theologe, ob Historiker oder Biologe – am 1.  August 1914 wurden sie alle zu überamtlichen Propagandisten, die dem gebildeten und weniger gebildeten Volk den Krieg erklärten. Ihr Auftrag war nicht weniger als die Bedingung einer jeden Mobilmachung: die geistige Mobilmachung. Der Ruf zu den Waffen erscholl nirgendwo so laut wie in der akademischen Welt, die so ihren Beitrag zum Krieg leistete. Wer heute von der notwendigen gesellschaftlichen Verantwortung der Universitäten und der Intellektuellen spricht, wer die Politisierung des Geistes fordert, der sollte – das ist eine große Lektion von 1914 – nie vergessen, was das alles bedeuten kann.
Mit dem 1. August 1914 entdeckten die deutschen Intellektuellen quer durch alle Lager ihren Patriotismus: Süß ist es, für das Vaterland zu sterben, süßer noch, für das Vaterland zu reden. Und wie sie redeten! Sie redeten über den Krieg und den Geist, über die Waffen und die Kultur, über Deutschland und Europa, über das Heil und die Lüge, über Treu und Tücke, und sie redeten über die Rede. „Flammende Wahrzeichen, die den Heeressäulen der Nation voranziehen”, das sind die Kriegsreden deutscher Intellektuellen mit den Worten Ernst Troeltschs vom 2. August. Wie Jahwe das Volk Israel auf dem Auszug aus Ägypten geführt hat, so jetzt die deutschen Professoren das deutsche Heer. Da der Redner seine Worte nicht in Bajonette, Gewehre und Kanonen verwandeln kann, muss er seinem Volk anders dienen: indem er nämlich den Geist mobilisiert.
Der Erste Weltkrieg wird in die Geschichte als Materialschlacht eingehen, als eine Materialschlacht, die den Menschen als Werkzeug instrumentalisiert. Doch alle deutschen Kriegsreden erzählen das Gegenteil: Der Erste Weltkrieg ist ein Krieg des Geistes. In ihm steht der Geist des deutschen Volkes gegen List und Tücke von Russen und Briten. Gegen die vorzivilisatorische Barbarei Russlands und gegen den Krämergeist Englands. Im Ersten Weltkrieg soll sich die deutsche Seele bewähren – und mit ihr die ganze Menschheit. „Wir wollen uns nicht in erträumte Welten verlieren, sondern wir wollen die Wirklichkeit in ein Reich der Innerlichkeit verwandeln. ” Der große Krieg offenbart das deutsche Wesen, in dem sich Idealismus und Arbeit begegnen. Dem Krieg diese identitätsstiftende Seite abzugewinnen, das ist nicht die geringste Aufgabe der deutschen Intellektuellen. Im Krieg werden die Deutschen deutsch.
Die Kriegsreden sind, wie Troeltsch hervorhebt, Predigten. Der Krieg ist ein gerechter Krieg, er ist heiliger Krieg. Gerecht ist er, weil Deutschland durch die List und Tücke seiner Feinde umzingelt und in den Krieg gedrängt worden ist; heilig ist er, weil er der Verteidigung des deutschen Wesens gilt. Der Krieg, so der Altphilologe Wilamowitz-Moellendorf, zerreißt die Hülle der Konvention – diese Figur bleibt bis in die zwanziger und dreißiger Jahre hinein wirksam.
Die säkularisierten Predigten, als die besonders die Kriegsreden von 1914 erscheinen, betreiben eine religiöse Mobilmachung. Nach der Marneschlacht ändert sich der Ton, jetzt treten die Opfer in den Vordergrund. Doch in den Augen der Mütter, deren Söhne in den Schützengräben ihr Leben gelassen haben, sieht der Theologe Adolf von Harnack nur Tränen der Freude. „Wer solche Tränen geschaut und in solche Augen geblickt hat, der hat den Eindruck des Ewigen und Seligen mitten im Leid. Und nicht nur traurig, nein fromm und feierlich zugleich wird uns zumute, wenn wir wieder von einem Todesopfer hören. Der Tod ist verschlungen. Tod, wo ist dein Stachel?” Kriegstheologie nennt Flasch das. Der Herr steh uns bei!
Überhaupt kein Gedanke
Dass es auch andere Stimmen gab, verliert Flasch nicht aus den Augen. Es sei nur an Annette Kolb erinnert: „Gedanken sind aus diesem Krieg überhaupt nicht zu holen. ” Gegen das philosophische Schwadronieren der alten Herren wird die existentielle Erfahrung des Unsinns betont. Doch solche Stimmen sind selten. Was die Frauen betrifft, so spricht Flasch von einer Nationalisierung ihrer Herzen. Und das geht einher mit der Tendenz der „Entselbstung” (Marianne Weber), die der Krieg in den Reden befördert. 1914 bedeutet das Ende des Individualismus, das Ende des Liberalismus. 1914 bedeutet das Ende von 1789. Das Ende der internationalen Verbrüderung, das Ende der allgemeinen Gleichheit, das Ende individueller Freiheit. Aus dem Krieg, so die Hoffnung der Redner, wird Deutschland geschlossener hervorgehen, der Sinn von Autorität und Hierarchie offenbart sich im Krieg, und die technische Entwicklung tut das übrige zur Entindividualisierung. Der Krieg schweißt einen deutschen Kollektivpanzer. Flasch wertet diese Tendenz auch methodisch aus. Zwar ist die erste Hälfte des Buches Einzeldarstellungen berühmter Autoren gewidmet, doch diese Analyse, so Flasch selbst, täuscht nur „die eigenwertige Pracht individueller Reflexion vor, wie sie im Massengerede und Massengewoge, in der Flut der Anordnungen und Formulare der Kriegszeit im Untergehen begriffen war”.
Die Geister, die die deutschen Professoren und Intellektuellen 1914 beschworen haben, wurden sie nie mehr los. Im Januar 1918 erkannte Troeltsch in der „Demobilisierung der Geister” die vordringlichste Aufgabe der Intellektuellen, denn nur so wäre der Friede zu haben. Kurt Flaschs große Studie über die geistige Mobilmachung ist anrührend, weil der große Philosophiehistoriker nicht selten, vom heiligen Zorn gepackt, seine ausführlichen Wiedergaben der Kriegsreden mit den wunderbarsten Einwürfen und Vorwürfen spickt. Dadurch verlieren die Analysen nicht an Wert, sondern sie gewinnen im Gegenteil an Gewicht. Mit dem Buch über die Kriegsreden hat Flasch ein Buch über die deutsche Universität geschrieben – und eines über Deutschland. Man mag das alles als das schwere Erbe Hegels deuten, der die Pflicht zum Staat hervorhebt. Nach der Lektüre muß das Resümee verheerend ausfallen: Der Herr behüte uns vor der Politisierung der deutschen Intellektuellen. Was sich hier offenbart, ist ja nicht nur der Zustand des späten Kaiserreiches, was sich hier offenbart, ist der politische Kern der deutschen Geistesgeschichte.
ARMIN ADAM
KURT FLASCH: Die geistige Mobilmachung. Die deutschen Intellektuellen und der Erste Weltkrieg. Ein Versuch. Alexander Fest Verlag, Berlin 2000.
447 Seiten, 68 Mark.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Ausführlich würdigt Patrick Bahners das "bemerkenswerte und merkwürdige" Buch, das sich mit der Haltung deutscher Intellektueller zum Ersten Weltkrieg beschäftigt. Mit seiner Haltung von Distanz und Engagement sei dem Autor mit seiner "Radikalisierung des Historismus" ein "praktischer Beitrag zur Methodendebatte" gelungen, so der Rezensent. Material und Kontext der Debatte über den "Abfall vom Humanismus", "Sündenfall der deutschen Wissenschaft" etc. ist ihm selbst allerdings derart vertraut, dass er dem uneingeweihten Leser über das Buch recht wenig mitteilt und sich oftmals mit Andeutungen zufriedengibt, um sich dann selbst als Redner in die Debatte einzumischen. Die kulturellen Eckpfeiler scheinen für die Diskutanten dabei "Goethe", "die Kirche", "die Lebensphilosophen" und Heidegger" zu sein. Der Bezugspunkt des Autors in seinem so genannten "Versuch" ist vor allem Jacob Burckhardts "Kultur der Renaissance in Italien". Dies findet Bahners kritische Zustimmung, und er hebt hervor, dass es sich bei der geistigen Vorbereitung des Krieges nicht um "Unkultur" oder Negation von Bildung gehandelt hat, sondern um das Resultat einer bestimmten Entwicklung von Bildung, in der das Bildungsbürgertum "Sinn" und "Kultur" an sich metaphysisch überhöhte.

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