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Die Vorstellung der Vereinbarkeit, ja konstitutiven Zusammengehörigkeit von Aufklärung und Geheimnis ist inzwischen zu einer anerkannten Einsicht der Aufklärungsforschung geworden - die vorliegende Arbeit (eine im Sommersemester 2000 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln angenommende Habilitationsschrift) erkundet die kommunikationsgeschichtlichen und ästhetischen Implikationen dieses Konzepts.

Produktbeschreibung
Die Vorstellung der Vereinbarkeit, ja konstitutiven Zusammengehörigkeit von Aufklärung und Geheimnis ist inzwischen zu einer anerkannten Einsicht der Aufklärungsforschung geworden - die vorliegende Arbeit (eine im Sommersemester 2000 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln angenommende Habilitationsschrift) erkundet die kommunikationsgeschichtlichen und ästhetischen Implikationen dieses Konzepts.
Autorenporträt
Linda Simonis ist Privatdozentin für Neuere deutsche Literatur an der Universität zu Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2002

Walle, walle, Wunschkunst
Das Ganze als Lücke: Linda Simonis über die Ästhetik der Esoterik

Geheimnisse enthüllt "Die Kunst des Geheimen" nicht. Denn sie ist entschieden "theoretisch interessiert", und das heißt hier: ohne sonderliches Interesse an der unübersichtlichen Historie und ihren womöglich kniffligen Details. Man kann auch sagen: Dem Buch fehlt es an Neugier. Das großzügige "bekanntlich" gehört deshalb ebenso zu seinem Lieblingsvokabular wie das "Reformulieren", das "gewissermaßen" oder das souveräne "es kann nicht verwundern, daß . . .". So schadet es auch nichts, wenn Quellen in winzigen Fragmenten und gern aus zweiter Hand zitiert werden - "zitierte Einlassungen" müssen sie sich dann nennen lassen. Für Entspannung sorgen ferner zahllose kompromißbereite Formeln wie "es scheint", "es empfiehlt sich" oder "so die hier favorisierte These".

Wer so höflich auftritt, braucht nicht lange zu demonstrieren. Dazu paßt die wohl ungewollte Pikanterie, mit der das harmlose "vgl. auch" die Fußnoten durchzieht -, unversehens stellt es das Referat von Sachverhalten oder Forschungsthesen den originären Spendern gleich, als handle es sich um eigene Forschungsleistungen. Nicht zu vergessen das triumphierende "das entspricht genau . . .", das immer wieder die Rückkehr von Befunden in den ihnen längst gesteckten Rahmen verkündet. Die stilistischen Gesten des hier waltenden theoretischen Interesses sprechen ihre eigene Sprache.

Wo die befremdende Komplexität der Gegenstände nur zur Reduktion dient, muß dem Leser mit einer Rhetorik der Nachhaltigkeit zugesetzt werden. Da gibt es den "kairologischen Augenblick" oder das "Wahrheitsprogramm"; alles hat seine "Semantik", und jeder Gedanke ist eine "Denkfigur". Nie geht es ohne ein "sondern vielmehr", und kaum ein Begriff kommt ohne sein Doppel aus: dramatisch und theatralisch, Zeit- und Epochengemälde, Krankhaftes und Pathologisches, Entsprechung und Parallele, Täuschung und Illusion, Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit, Trennung und Separation - das nimmt kein Ende. Ungehemmt treibt solche Manier Satzperioden, Abschnitte und schließlich das ganze Buch ins Breite. Der betäubte Leser ertappt sich beim Wunsch nach dessen Halbierung.

Die Rede ist von einer literaturwissenschaftlichen Habilitationsschrift, die ihre besondere Zuständigkeit am "Phänomen des Geheimen und Esoterischen" im 18. Jahrhundert erproben möchte. Im Plural könnten nun freilich die Phänomene selbst disparater nicht sein, reichen sie doch von den Spielarten des sektiererischen Separatismus und der hermetischen Tradition, von Pansophie, Kabbala, Alchimie und Manierismus bis zu den Geheimgesellschaften in ihrer schier unüberschaubaren Vielfalt, ein geradezu furchterregendes Gewirr von "Diskursen". Den Plural, also die Einzelheiten, überläßt Linda Simonis allerdings getrost und manchmal mit Herablassung den Historikern und dem Forschungsstand. Ihre Forschungslücke bildet das Ganze, dessen "Struktur", "Äußerungsform" und "Funktion" im so ganz anders gearteten Kontext der Aufklärung. Die "Zugehensweise" nennt sich bald "diskurs- und kommunikationsgeschichtlich", bald "systemtheoretisch" oder auch, und dies "grundlegend", "kunsttheoretisch". Das Wunschbild ist eine Verbindung von Koselleck und Luhmann, die dann aber, und daran hat in der Tat noch niemand gedacht, besondere ästhetische Weihen erhalten soll.

Nach ausgewählten Lektionen über bereits gut bekannte Geheimnisträger, über Renaissance-Sozietäten, Johann Valentin Andreaes Rosenkreuzerschriften und masonische wie illuminatische Programme hat die Generalthese ihren eigentlichen "take off", wie es heißt, mit zwei Geheimbundromanen von Terrasson und Moritz. Mozart-Schikaneders masonische "Zauberflöte" und Goethes Fortsetzung folgen. Das Finale bestreiten, überraschend genug, die beiden "literarischen Kabbalisten" Hamann und Herder, der eine mit seinen beiden bekanntesten Texten (den "Sokratischen Denkwürdigkeiten" und der "Aesthetica in nuce") und als Repräsentant eines esoterisch-"verstiegenen" Stils, der andere als Theoretiker der biblisch-"ebräisch"-esoterischen Dichtung.

Nun gut, eine Kette von Einzelstudien, die alle irgendwie mit dem Geheimnis zu tun haben. Doch die Abfolge soll eine Ästhetisierung des "Geheimen und Esoterischen", ja die "Geschichte einer Ästhetisierung des Geheimnisses im 18. Jahrhundert" glauben machen - die literaturwissenschaftliche Trumpfkarte des Buches. Tatsächlich handelt es sich nicht um eine evolutionäre Linie, sondern, wie schon ein Blick auf die Chronologie zeigt, um ein willkürliches Arrangement, das die These - die "Kunst" des Geheimen - herbeizaubert, statt sie aufzuweisen.

Auch die unablässig beschworene Hilfsformel des "Performativen" ändert daran nichts. So gelten die (Initiations-)Rituale der Freimaurerei als "performance", die, natürlich an sich schon ästhetisch, unmittelbar und genetisch hinüberführe zum Roman, zum Theater, zur Oper, zur autonomen Kunst gar endlich. Der Allerweltsbegriff wird zum mächtigen Akteur des ästhetischen Fortschritts. "Die ritualisierten Handlungen und Prozesse stellen gewissermaßen vorgeformte ästhetische Ordnungsmuster bereit und sind insofern geeignet, den noch nicht voll entfalteten neuen literarischen Kommunikationstypen Halt zu geben und somit im Prozeß der allmählichen Ausbildung des modernen Kunstsystems eine stützende und tragende Funktion zu übernehmen." Ein Resümee und ein typischer Satz, anspruchsvoll und doch nicht ganz sicher, angestrengt und doch ohne aus der Sache gewonnene Evidenz.

HANS-JÜRGEN SCHINGS

Linda Simonis: "Die Kunst des Geheimen". Esoterische Kommunikation und ästhetische Darstellung im 18. Jahrhundert. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 2001. 456 S., br., 56 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dies ist eine literaturwissenschaftliche Habilitationsschrift - und Hans-Jürgen Schings, selbst Literaturprofessor, lässt in seiner Rezension keinen Zweifel, dass er sie keinesfalls angenommen hätte. Schon in der thematischen Spannbreite ist ihm das ganze zu disparat: Von "Alchimie" bis "Manierismus", von der "hermetischen Tradition" bis zur "Pansophie", zu all diesen in sich höchst unterschiedlichen Phänomenen des Esoterischen und Geheimen im 18. Jahrhundert, will Simonis den das Ganze erklärenden Rahmen liefern. Dabei, so nur einer der Vorwürfe Schings', bediene sich die Autorin der Forschungsergebnisse allzu ungeniert, sprachlich hat sie mehr als nur eine Neigung zur pompösen Redundanz. Und was die Erklärungskraft angeht, gelange Simonis nicht über eine Serie von "Einzelstudien" hinaus. Recht wenig hält der Rezensent zudem von der methodischen Vermischung von Systemtheorie und Diskursgeschichte, die sich auch und gerade durch den dauernden Verweis aufs "Performative" nicht retten lasse.

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