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Über die Geburtsstunde des Impressionismus.
Ross King entwirft im Aufeinandertreffen zweier französischer Maler Mitte des 19. Jahrhunderts das Zeitgemälde einer Epoche im Umbruch. Vor dem Auge des Lesers entsteht ein facettenreiches Bild des Zweiten Kaiserreiches unter Napoleon III. Das Buch erzählt von Mode und Moral, von Künstlern und der Boheme, von Festen und Weltausstellungen, bahnbrechenden Erfindungen, politischen Intrigen und amourösen Abenteuern, von Kriegen und Revolutionen.
Paris um 1860: Die gute alte Zeit, nach der sich viele zurücksehnen, ist endgültig vorbei. Einer von
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Produktbeschreibung
Über die Geburtsstunde des Impressionismus.

Ross King entwirft im Aufeinandertreffen zweier französischer Maler Mitte des 19. Jahrhunderts das Zeitgemälde einer Epoche im Umbruch. Vor dem Auge des Lesers entsteht ein facettenreiches Bild des Zweiten Kaiserreiches unter Napoleon III. Das Buch erzählt von Mode und Moral, von Künstlern und der Boheme, von Festen und Weltausstellungen, bahnbrechenden Erfindungen, politischen Intrigen und amourösen Abenteuern, von Kriegen und Revolutionen.
Paris um 1860: Die gute alte Zeit, nach der sich viele zurücksehnen, ist endgültig vorbei. Einer von diesen Rückwärtsgewandten ist der zu jener Zeit berühmteste Maler Frankreichs Ernest Meissonier. Seine akribischen Historienbilder erzielen bei Sammlern Höchstpreise. Nur wenige Kilometer vom luxuriösen Palais des Malerfürsten entfernt, komponiert der zwei Jahrzehnte jüngere Edouard Manet, nach heutigen Begriffen ein "junger Wilder", seine skandalumwitterten Bilder. Inspiriert von alten Meistern wie Raffael oder Tizian, entwickelt er selbstbewusst seinen eigenen Stil. Aber nicht nur seine Maltechnik beunruhigt das Publikum. Zu einer Zeit, da ein Mann im schwarzen Gehrock auf einem Gemälde weitaus verstörender wirkt als eine laszive nackte Frau, ist sein berühmtes Bild "Frühstück im Freien" eine Provokation. Beim "Pariser Salon", der jährlich stattfindenden offiziellen Ausstellung mit einer Million Besuchern, kommt es 1863 zum Eklat: Es ist die Geburtsstunde des Impressionismus.Mit dem Geschick eines Romanciers und dem Scharfsinn eines Historikers bringt uns Ross King die großen Maler nahe, die als Verlierer von damals die Stars von heute sind.
Autorenporträt
Ross King, geboren 1962 in Kanada, Studium der Literatur und Kunstgeschichte in London und Toronto. Veröffentlichungen historischer Romane. Der Autor lebst als freier Schriftsteller in Oxford.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.09.2007

Der Hochstapler und das Gorillaweibchen
Ross Kings meisterliche Darstellung zum Ursprung der modernen Malerei im Paris des zweiten Kaiserreichs
Dieses Jahr hatte Salvador Dalí nicht nur seine jüngsten Werke zum Auftakt der Herbstsaison mit nach Paris genommen, sondern auch seinen neuesten Clou. „Hommage à Meissonier” hieß der, und er bestand vor allem aus einem monumentalen Gemälde – und einer Art Performance. Beides wurde im Hotel Meurice vorgestellt, wo der schillernde Meister residierte: Das deprimierende Malwerk „Der Thunfischfang” – Dalí bezeichnete es als das „ehrgeizigste Bild, das ich je gemacht habe, weil es den Untertitel Hommage à Meissonier trägt” – und die, nun ja, Performance. Zu ihr gehörte ein Vortrag, eine fanatische Huldigung des lange schon toten, völlig vergessenen französischen Malers Ernest Meisssonier, und ein Malkurs, den er höchstselbst im Hotel durchzuführen gedachte. Zumindest war dies angekündigt worden: dass „Dalí im Rahmen der Ausstellung Unterricht in Komposition und Zeichnung nach lebenden Modellen geben wird”.
So also sah, im Epochenjahr 1967, der jüngste Eklat des Exzentrikers aus: Ein todernst gemeinter Rückgriff auf die verpönte Salonmalerei des 19. Jahrhunderts, auf die akademische Kunst des bürgerlichen Zeitalters. Auf Ernest Meissonier, der diese Tradition verkörperte wie kein zweiter, der sie zum Gipfel führte und von dort oben, vom Rang als berühmtester, bestbezahlter Maler seiner Zeit, als Virtuose der Wirklichkeitswiedergabe, abrupt ins Vergessen stürzte. So rasant verschwand dieser eben noch bewunderte Malerfürst aus der Kunstgeschichte, dass heute diese damnatio memoriae viel bemerkenswerter anmutet als der unaufhaltsame Triumphzug des Impressionismus, mit dem sein Niedergang natürlich direkt verbunden ist.
Vertreibung aus dem Louvre
Ernest Meissonier gehörte mit der Salonmalerei zu den Verlierern des „Kampfes um die moderne Kunst”, und natürlich wurde die Geschichte von den Siegern gemalt und geschrieben. In diesem Fall wurden die Rollen so entschieden verteilt, dass man sogar sämtliche sichtbaren Spuren der Verlierer möglichst tilgte: Nur wenige Jahre vor Dalís „Hommage à Meissonier”, 1964, hatte etwa der französische Kulturminister André Malraux das Marmorbildnis des Malers, der einmal, nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen, fast schon den ganzen Stolz Frankreichs darstellte, aus dem Louvre entfernen lassen; die Bronzestatue Meissoniers aus dem Zentrum Poissys war da bereits zu Altmetall verarbeitet worden. Allein im Dalí-Museum von Figueras sollte dem verschmähten Maler ein Ehrenplatz vorbehalten sein. Hier konnten sich die Besucher über die kleinen, detaillierten, gleichsam mit der Lupe gefertigten Gemälde jenes Mannes wundern, von dem sie zumeist nie zuvor gehört hatten – allenfalls, wenn sich Dalí mit aufgerissenen Augen und zitternden Bart-Enden rühmte, ein „Meissonier des Unbewussten” zu sein.
Der historisch wie kunsthistorisch äußerst versierte amerikanische Schriftsteller Ross King hat nun genau jenen „Maler von Liliput” (so dessen großer Bewunderer Th. Gautier) zu einer der beiden Hauptfiguren seines neuen, glänzend geschriebenen und komponierten Buches gemacht. Es widmet sich dem zentralen, dem kanonischen Kapitel aus der Heilsgeschichte der modernen Kunst: den Skandalen, die Édouard Manets Werke in den französischen Salons auslösten, und die, als malerische Ereignisse wie als gesellschaftliche Spektakel, den ersten Impressionisten-Ausstellungen vorausgingen.
Im Mittelpunkt stehen dabei natürlich das Gemälde „Frühstück im Grünen”, das 1863 auf dem Salon des Refusés, dem „Salon der Ausgestoßenen”, als einzigartige Farce von der sensationslüsternen Meute verlacht wurde, und die „Olympia”, jenes in brutaler Nacktheit gemalte „Gorillaweibchen” (so ein Zeitgenosse), das auf dem offiziellen Salon von 1865 zu unerhörten Tumulten führte. Sahen die einen in der Olympia die Darstellung eines toten Flittchens aus der Pariser Leichenhalle Morgue, so forderten die anderen die Expertise der staatlichen Gesundheitsbehörden, um zu klären, womit die auffällig angespannte Hand im Schoß der Nackten eigentlich beschäftigt sei.
Mit der ersten privat organisierten Gruppenausstellung der jungen impressionistischen Maler von 1874 endet dann schon dieses prallgefüllte Buch, das unterhaltsam, ja spannend zu lesen ist. Es bietet ein opulentes kulturgeschichtliches Panorama jener Spätphase des zweiten Kaiserreiches in Frankreich und erzählt in dichter Beschreibung die „Revolution” der frühen impressionistischen Malerei, ohne naive Heils- oder Heldengeschichte zu schreiben. Ross King wirft einen neuen, wesentlich genaueren, intimeren, originelleren Blick aufs altbekannte Geschehen.
Denn diese längst klassische Geschichte – die Ablösung der Salonmalerei durch den Impressionismus – wird hier nicht nur, wie stets, aus der Perspektive der Sieger erzählt. Sondern auch aus dem Blickwinkel eben jenes heute vergessenen Ernest Meissonier, der in diesen entscheidenden Jahren auf dem Höhepunkt seines Ruhmes und Könnens stand und unweigerlich als Antipode Manets erscheinen muss.
King hat nun die Lebensläufe, die Karrieren beider so höchst unterschiedlicher Künstler verknüpft und in den zeit- und kunstgeschichtlichen Rahmen eingewoben: das Paris zur Zeit Kaiser Napoleons III., die detailliert beschriebene Suite skandalumwitterter Salon-Ausstellungen, die in heute unvorstellbarem Ausmaß das bürgerliche Publikum bewegten und echauffierten, die kunsttheoretischen Debatten und maltechnischen Entwicklungen. Neben den zahlreichen Exkursionen in die Kulturgeschichte dieser Epoche – vom illegalen Handel mit Aktfotografien in den Pariser Gassen bis zur Erschießung des Kaisers von Mexiko – liegt darin der größte Vorzug dieses Buches: diese Parallelisierung frappiert und fasziniert.
Realismus der Kadaver
Denn einerseits kreuzten sich die Wege der beiden Protagonisten beständig: 1863 etwa gehörte Meissonier zur Jury des Salons, und im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 war der erfolgreiche Salon-Löwe sogar der unmittelbare militärische Vorgesetzte des jüngeren Dandys Manet. Andererseits aber, dies arbeitet King vorzüglich heraus, war auch im übertragenen Sinne ihr Schicksal zutiefst miteinander verbunden. Gerade die technische Perfektion, die quasi fotorealistische Qualität in der Wirklichkeitswiedergabe des Meissonier bereitete letztlich den Boden für den allmählich aufkommenden Geschmack am flüchtigen, nachlässigen, geradezu dilettantisch anmutenden Pinselduktus des Impressionisten: Meissonier hatte die akademische Manier durch seine Virtuosität zu Tode geritten – er war so vorzüglich, dass er zu langweilen begann.
Außerdem, welch eine Tragödie für den Fanatiker der Präzision, für den von der augentäuschenden Echtheit des Dargestellten Besessenen, für den wie ein Kriminologe arbeitenden Maler, wurden die ersten Stimmen laut, die erklärten, dass die Farbkleckse eines Manets die Welt viel lebendiger, viel genauer wiederzugeben vermögen als die minutiösen Pinselstriche des eben noch gefeierten Meisters. Meissonier sei ein Hochstapler, der vorgebe, Bewegung einfangen zu können, während er doch letztlich nur sezierte Leichen, Kadaver male. Das war gleichsam das Todesurteil für den Ruhm des Mannes, der so viel Geld mit seiner Kunst verdient hatte wie wohl kein lebender Maler vor ihm. Auch deswegen mag Salvador Dalí ihm eine solch pompöse Reverenz erwiesen haben: dem märchenhaft reichen Goldfinger, dem Alchimisten, dem letzten großen Malerfürsten vor dem Aufmarsch der Gaukler. MANFRED SCHWARZ
ROSS KING: Zum Frühstück ins Freie. Manet, Monet und die Ursprünge der modernen Malerei. Aus dem Englischen von Stefanie Kremer. Knaus Verlag, München 2007. 576 Seiten, 24,95 Euro.
Ernst Meissonier (links) war der gefeierte Meister der Pariser Salonmalerei, bis er rasant vom Triumph des Impressionismus überrollt wurde und in Vergessenheit geriet. Er, der Meister der perfekten Wirklichkeitswiedergabe, wurde, eben noch bewundert, zum verpönten Verlierer im „Kampf um die moderne Kunst”. Die Impressionisten hingegen gewannen die Oberhand – obwohl Édouard Manet mit seiner „Olympia” (Bild oben) auf dem offiziellen Pariser Salon von 1865 zunächst einen unerhörten Skandal auslöste – einige sahen in der Olympia ein totes Flittchen aus der Pariser Leichenhalle. Jetzt hat der historisch und kunsthistorisch versierte Schriftsteller Ross King dem Antagonismus zwischen Manet und Meissonier ein packendes Buch gewidmet. Fotos: Roger Viollet; bridgemanart.com
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2007

Verschossen in eine Schnapsidee

Was passiert, wenn ein erfahrener Autor wie Ross King eine Vorliebe ins Kraut schießen lässt? Die Antwort steht in seinem Buch über den Impressionismus.

Eine Umfrage nach der beliebtesten Kunstepoche hätte vor hundert Jahren ergeben: die Renaissance. In der Renaissance erkannte sich die Moderne wieder, Renaissance bedeutete Aufbruch, Dynamik, Fortschritt, mit der Renaissance begann die Gegenwart. Heute erübrigt sich eine Volksbefragung. Sie findet jeden Tag in den Museen und an den Postkartenständen statt. Die Kunst, die wir als Beginn unserer Epoche empfinden, ist der Impressionismus. Täglich wird der Gründungsmythos durch Akklamation bestätigt.

Liest man das Buch von Ross King, einem erfahrenen Autor kunsthistorischer Sachbücher, so ist man angenehm überrascht, mit welchem Geschick er in seiner Geschichte des Impressionismus überanstrengte Interpretationen links liegenlässt. Auf fast jeder Seite und in fast jeder Fußnote merkt man, wie gründlich er sich in der Forschung umgetan hat. Ross King hat zweifellos eine außergewöhnliche Autorität. So würde man dieses gut recherchierte und geschickt komponierte Buch gern ohne Einschränkung loben, wenn der Autor sich nicht in eine Schnapsidee verrannt hätte, die auch dem wohlwollenden Leser irgendwann auf die Nerven gehen muss: Er erzählt die Geschichte des Impressionismus als eine Art Wettkampf zwischen Manet, dem Wortführer der Impressionisten, und Meissonier, dem Star der konservativen Kunst.

Seit Plutarchs paarweisen Biographien, immer ein berühmter Römer mit einem berühmten Griechen konfrontiert, hat das Genre der Doppelbiographie eine ehrwürdige Tradition. Auch kunsthistorische Sachbücher greifen mitunter auf diese Form zurück. So gelang dem britischen, in Amerika lehrenden Historiker Simon Schama vor acht Jahren ein Bestsellererfolg mit "Rembrandts Augen", entgegen dem Titel eine Doppelbiographie von Rembrandt und Rubens. "Rembrandts Augen" erzählt von der Rivalität zweier Männer, die sich nie begegnet sind. Rubens, der Ältere, hat schon Erfolg. Rembrandt muss noch darum kämpfen, er will ein zweiter Rubens werden.

Manches ist bei Ross King ganz ähnlich. Auch Meissonier, der Ältere, hat riesige Erfolge, während Manet als der Jüngere sich noch danach sehnt. Aber anders als beim Duell der beiden geographisch getrennten Niederländer lässt es sich in Paris gar nicht vermeiden, dass Meissonier und Manet sich gelegentlich, wenngleich folgenlos, persönlich begegnen. Und anders als Rembrandt, der sich nicht selten an Bildkompositionen von Rubens anlehnt, will Manet keineswegs so malen wie Meissonier. Aber die naheliegende Annahme, dass Manet gern genauso erfolgreich wäre, reicht für den Autor schon aus, um diesen Stoff als Duell zu inszenieren mit immer wieder hinausgezögertem Showdown. Als schließlich der Lichtmaler Manet den Sieg davonträgt und der Schurke Meissonier mitsamt seiner pingeligen Altmeistertechnik in den Kulissen verschwindet, fühlt der Leser sich glücklich wie im Kino, wenn alles gut ausgegangen und beim Happy End die Welt wieder in Ordnung ist.

Was danach noch kommt, also die grandiose impressionistische Spätzeit mit den symbolistischen Farben von Degas, den Proustschen Bilderzyklen von Monet und den pointillistischen Versuchungen, denen der alte Pissarro erliegt, all das erfahren wir nicht mehr. Das heißt im Klartext, dass dieses Buch keine Geschichte des Impressionismus ist, sein eigentliches Thema ist dessen Vor- und Frühgeschichte. Sie wird so sehr auf die Dramaturgie des Duells getrimmt, dass dabei kein eigentlich kunsthistorisches, sondern ein kulturgeschichtliches Buch entstanden ist. Das müsste nichts Schlimmes sein, hätte der Autor nicht an seinem Liebling Meissonier einen solchen Narren gefressen. Das verführt ihn dazu, die wichtigen Kunstrevolutionen vor dem Impressionismus allenfalls zu streifen - weil sein geliebter Meissonier dabei ja keine Rolle spielte.

So erfahren wir, wenn überhaupt, dann stets viel zu wenig über den Siegeszug der englischen Malerei mit ihren aquarellhaften Landschaften, über die Ein-Mann-Revolte des antiautoritären Courbet oder über den folgenreichen Siegeszug der Freilichtmaler von Barbizon. Dadurch entsteht von der französischen Kunstgeschichte unmittelbar vor dem Impressionismus ein lückenhaftes Bild. Stattdessen dürfen wir die Pariser Kunstpolitik aus nächster Nähe betrachten.

Die Kapitel folgen den offiziellen Ausstellungen des "Salon", dessen Jury-Intrigen minutiös analysiert werden. Welchen Einfluss Staat und Kunstakademie nehmen, wer bevorzugt und wer benachteiligt wird, mit welchen Tricks man hinter den Kulissen kämpft, wie Kritik und Publikum reagieren - das ist der Stoff, aus dem das Buch gemacht ist. Die Geschichte der großen Ausstellungen liest sich spannend, sie ist gespickt mit vielen gut gesicherten Fakten, so dass man das Buch als Nachschlagewerk benutzen könnte. Und fairerweise darf man nicht verschweigen, dass es sogar eine diskutierenswerte kunsthistorische Akzentverschiebung vorschlägt. King weist, gut dokumentiert, darauf hin, dass das Phänomen "Neue Malerei" schon existierte, ehe die Impressionisten auftauchten, die dann schnell als Speerspitze jener Neuen Malerei empfunden wurden. Mit Neuer Malerei war die skizzenhafte Malweise gemeint, die als Provokation empfunden wurde und deshalb heftig umstritten war. Der Hinweis ist wertvoll, soweit er die Vorgeschichte des Impressionismus betrifft. Er übersieht aber, dass die impressionistischen Bilder keineswegs nur wegen ihrer Skizzenhaftigkeit verhöhnt wurden, sondern auch wegen ihrer vermeintlich proletarischen Aspekte. Tanzvergnügungen auf dem Montmartre und Segelpartien in den Vororten, solche Sujets empfinden wir als Ausdruck unbeschwerter Lebensfreude, aber das damalige Publikum meinte, gemalte Dienstmädchenromane vor sich zu sehen. Es empfand die impressionistischen Sujets als Propaganda für ein Milieu am äußersten Rand der Respektierlichkeit, schon ganz nah an der Prostitution. Was als Romanlektüre tabu war, konnte an der Museumswand nicht akzeptiert werden. Der Spott der Spießbürger galt der Courbet-Tradition des Impressionismus, die King völlig übersieht.

Die Liebe des Autors zu Meissonier ist so heftig, dass wir über ihn mehr erfahren als über Manet, und von den anderen Impressionisten, sofern sie überhaupt auftreten dürfen, hören wir meist nur das Allernötigste. Meissoniers Krankheiten und Liebschaften, die Einrichtung seines Hauses und seines Ateliers, dazu der quasifotografische Genauigkeitsfimmel, der ihn, gleichsam ein Muybridge ohne Kamera, dazu bringt, in seinem Garten Schienen zu installieren, um ein galoppierendes Pferd noch besser beobachten zu können - alles, aber auch alles, was wir schon immer über Meissonier gar nicht wissen wollten, wird hier vor uns ausgebreitet. Zwar erfahren wir auch über Manet manches Detail, aber das wird durchweg sehr viel lustloser erzählt, so dass wir Meissonier schließlich plastischer vor uns sehen und besser kennen als Manet. Das ständige Ernstnehmen und Interessantfinden Meissoniers führt unweigerlich dazu, dass auch seine Malerei aufgewertet wird, so dass der Autor, um die Dinge wieder zurechtzurücken, sich am Schluss aufraffen muss und seinen Liebling, vermutlich zähneknirschend, doch noch mit einigen scharfen Formulierungen bedenkt. So heißt der strahlende Sieger schließlich Manet, aber der Leser wird den Verdacht nicht los, Ross King hätte es lieber anders gehabt.

Als Frühgeschichte des Impressionismus erinnert das Buch an die Mogelpackung der Berliner Ausstellung des Metropolitan Museum, die unlängst in der Nationalgalerie gezeigt wurde. In Berlin hatte die Werbung den Eindruck verbreitet, es gehe um den Impressionismus, so dass viele Besucher dann schwer enttäuscht waren, als sie sich trotz manch impressionistischer Kostbarkeit doch immer wieder mit ganzen Wänden voll Courbet und Puvis de Chavannes konfrontiert sahen.

Dabei bot die Ausstellung durchaus ein getreues Abbild der kompletten New Yorker Frankreich-Abteilung. Die breite Berücksichtigung nichtimpressionistischer Malerei ist in Amerika selbstverständlich. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Amerikas Kunstleben moderner ist als unseres, deshalb übersehen wir gern, dass Amerika auch radikal altmodischer ist als Europa. Jene Koexistenz von Impressionismus und Akademie, zu der uns das Pariser Orsay-Museum beharrlich umerziehen will, gibt es in Amerika seit hundert Jahren. In Amerika hat man von Anfang an so gekauft, so gesammelt und so Museen eingerichtet. Deshalb rannte die neuerliche Rehabilitierung der akademischen Malerei dort offene Türen ein. Insofern ist das Buch das Kanadiers Ross King ein Buch von jenseits des Ozeans. Man kann viel aus ihm lernen und sich über lange Strecken sogar regelrecht verführen lassen. Aber am Schluss sollte man wie bei jeder Verführung doch den Mut haben, nein zu sagen.

WILFRIED WIEGAND

Ross King: "Zum Frühstück ins Freie". Manet, Monet und die Ursprünge der modernen Malerei. Aus dem Englischen von Stefanie Kremer. Albrecht Knaus Verlag, München 2007. 544 S., 46 S/W- und 16 Farb-Abb., geb., 24,95 [Euro].

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"Ross King gelingen (...) viele überraschende Querverweise zu Geschichte und Kultur Frankreichs wie Europas im 19. Jahrhundert, die man sich ohne ihn mühsam zusammensuchen müsste." Die Welt

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Manfred Schwarz preist wortreich und völlig begeistert dieses Buch des Schriftstellers Ross King über die Ursprünge der französischen modernen Malerei mit Manet und Monet als deren herausragenden Protagonisten. Der Rezensent beteuert, wie beschlagen der Autor sowohl kunsthistorisch als auch geschichtlich sei und hält diese Arbeit für meisterlich wie brillant. Ross stellt die Auseinandersetzung zwischen dem außerordentlich erfolgreichen Salonmaler Ernest Meissonier und dem zunächst als Dilettant geschmähten Manet in den Mittelpunkt seiner Darstellung. Das klappt hervorragend, findet Schwarz, und passt sehr gut zur gründlichen Darstellung von Kunstdebatten und Maltechniken der Zeit. Gerade durch das dramaturgische Gerüst sei das Ganze äußerst fesselnd und vergnüglich zu lesen, beteuert Rezensent, Ross nicht entlässt, ohne ihm noch unerreichte Genauigkeit und Originalität zu attestieren.

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