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Die Schweizerischen Beiträge zur Altertumswissenschaft wurden kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von Bernhard Wyss in Verbindung mit Olof Gigon, Willy Theiler und Fritz Wehrli begründet, um Schweizer Forschungsarbeiten "aus dem gesamten Gebiete der Altertumswissenschaft" einem internationalen wissenschaftlichen Publikum zugänglich zu machen, und sie haben diesen Zweck mehr als ein halbes Jahrhundert lang in ausgezeichneter Weise erfüllt. Nach einer gewissen Unterbrechung erscheinen sie nunmehr neu im Verlag Schwabe, doch ist ihre Zielsetzung die gleiche geblieben, die der Reihe schon bei ihrer…mehr

Produktbeschreibung
Die Schweizerischen Beiträge zur Altertumswissenschaft wurden kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von Bernhard Wyss in Verbindung mit Olof Gigon, Willy Theiler und Fritz Wehrli begründet, um Schweizer Forschungsarbeiten "aus dem gesamten Gebiete der Altertumswissenschaft" einem internationalen wissenschaftlichen Publikum zugänglich zu machen, und sie haben diesen Zweck mehr als ein halbes Jahrhundert lang in ausgezeichneter Weise erfüllt. Nach einer gewissen Unterbrechung erscheinen sie nunmehr neu im Verlag Schwabe, doch ist ihre Zielsetzung die gleiche geblieben, die der Reihe schon bei ihrer Gründung zugedacht war: ein hochkarätiges Forum der Schweizer Altertumswissenschaft in all ihren Facetten zu sein, das der Publikation von monographischen Arbeiten, aber auch thematisch geschlossenen Sammelbänden dienen und dabei gleichermassen jüngeren und älteren Autorinnen und Autoren zur Verfügung stehen soll, die als Forscherinnen und Forscher auf den Gebieten der Altertumswissenschaft in der Schweiz arbeiten oder in enger wissenschaftlicher Beziehung zur Schweiz stehen. Die früher erschienenen 26 Bände können, soweit lieferbar, über den Verlag Schwabe bezogen werden.

Band 27:
Ziel des Buches ist, einen neuen Zugang zu Platon zu eröffnen. Die klassische Deutung der platonischen Philosophie im Sinn der Ideenlehre hat sich als unzureichend erwiesen. Sie ist ergänzt worden durch die sog. "ungeschriebene Lehre" bzw. die Prinzipienlehre der Tübinger Schule. Doch auch diese neue Deutung setzt noch eine Urerfahrung voraus, die nicht nur nicht geschrieben werden kann, sondern unbeschreibbar bzw. unsagbar ist. Diese unsagbare Erfahrung verweist auf die sog. Mysterien in der griechischen Welt. Platon hat nicht nur die Terminologie der Mysterieneinweihung verwendet, sondern geht im letzten aus von einer Art Mysterienerfahrung. Dabei handelt es sich um die lebendige Erfahrung des Gottes Apollon. - Ein erster Teil des Buches behandelt die Aporien des Tübinger-Paradigmas und zeigt, dass die Ungeschriebene Lehre Platons
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Christina Schefer hat im Wintersemester 1993/94 bei Walter Burkert an der Universität Zürich über das Thema "Platon und Apollon" promoviert; ihre Doktorarbeit erschien 1996.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Im Geheimen
War Platon ein Mystiker?
Als vor vier Jahrzehnten die sogenannte Tübinger Schule Platons „Ungeschriebene Lehre” verkündete und damit das Bild des einflussreichsten abendländischen Denkers mit ganz neuen Zügen versah, stieß sie auf energische Abwehr. Da sollte auf einmal die Theorie von zwei gegensätzlichen Prinzipien: dem Einen und der „unbestimmten Zweiheit”, die Ideenlehre verdrängen, die doch bis dato unangefochten als der platonischen Weisheit letzter Schluss galt. Das durfte nicht wahr sein, und so wurden die Zeugen – Platon selbst und sein größter Schüler Aristoteles – mundtot gemacht, indem man die einschlägigen Äußerungen mit viel philologischem Scharfsinn für unecht erklärte. Erst in den letzten fünfzehn Jahren setzte sich das neue Platon-Paradigma dann doch durch: Die Schriften enthalten nicht die ganze Wahrheit, sie ist zu ergänzen durch die „indirekte” Überlieferung von dem, was nur für die Ohren der Insider, also die Schüler der von Platon gegründeten „Akademie” bestimmt war. Auch in Platons veröffentlichten Dialogen gibt es genug Anhaltspunkte für die Existenz einer ungeschriebenen „eigentlichen” Philosophie. Als ihren Kern haben die Tübinger die esoterische Prinzipienlehre rekonstruiert.
Aber kaum scheint die Kampagne seitens der Anti-Esoteriker zum Stillstand gebracht, tritt neue Gegnerschaft auf den Plan, diesmal aus der entgegengesetzten Richtung. Christina Schefer präsentiert in ihrem (frühere Arbeiten der Verfasserin integrierenden) Buch über „Platons unsagbare Erfahrung” ein neues Paradigma, das die Prinzipientheorie zwar nicht aus den Angeln hebt, sie aber der Vorläufigkeit überführen zu können glaubt. Dabei geht sie methodisch ähnlich vor wie die Verfechter der indirekten Platonüberlieferung: Nicht nur die Dialoge weisen über sich hinaus auf ein ausgespartes Zentrum, sondern auch die „ungeschriebene Lehre” öffnet sich auf etwas anderes hin, eben das, was die Autorin als unsagbare Erfahrung bezeichnet.
Tanz mit dem Monster
Der Dualismus der schriftlichen und mündlichen Philosophie Platons, von den Tübingern zugunsten der mündlichen akzentuiert, wird also jetzt durch eine Dreier-Konstellation ersetzt, in der das zunächst Höhere durch eine dritte Größe zurückgestuft wird: Auch die mündlich vermittelte Lehre enthält nicht das Wesentliche. Als Kronzeuge fungiert Platon selbst mit jener berühmten Stelle aus dem sogenannten 7. Brief, die schon die „Esoteriker” als Hauptbeleg zitierten. Über das, womit es ihm ernst sei, heißt es dort, gebe es keine Schrift von ihm, und es werde auch keine geben; „denn es ist in keiner Weise sagbar wie andere Lerngegenstände”. Platons radikale Skepsis gilt also nicht nur der schriftlichen Mitteilung, sondern der Sprache überhaupt. Die höchste Einsicht entsteht „plötzlich wie ein von einem springenden Feuer entzündetes Licht in der Seele”. Erkenntnis wird zur Erleuchtung, zur „unsagbaren Erfahrung”.
Hier könnte Christina Schefers Studie zu Ende sein. Ihr Ergebnis: Die Platon-Interpretation der Tübinger Schule bedeutet zwar einen wichtigen Fortschritt gegenüber der herkömmlichen, aber dieser führt letztlich in eine Sackgasse: Auch in der Prinzipienlehre fassen wir nicht den Kern der platonischen Philosophie. Da dieser von ihm selbst als unsagbar bezeichnet wird, scheint jede weitere Bemühung, dem Geheimnis dieses Denkens auf die Spur zu kommen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Muss man also da, wo es bei Platon ernst wird, vielleicht noch unter Berufung auf Wittgensteins Redeverbot, schweigen?
Die Kritikerin des Tübinger Paradigmas will sich damit nicht abfinden. „Obschon sich das Unsagbare nicht sagen lässt, heißt das nicht, dass wir nichts über es sagen könnten. Zwar können wir die unsagbare Erfahrung weder denkend noch sprechend nachvollziehen, doch können wir denkend und sprechend zu ihr hinführen.” Der Umweg, auf dem das geschieht, ist der griechische Mysterienkult. Christina Schefer kann zeigen, dass die höchste philosophische Erkenntnis, die Platon unsagbar nennt, nicht nur metaphorisch der religiösen Erleuchtungserfahrung entspricht, die dem Adepten der mystischen Einweihung schließlich zuteil wird. Hinter den beiden Ebenen der Ideen- und Prinzipienlehre verbirgt sich als dritte Ebene die kultisch-religiöse Erfahrung des Apollon, die Epiphanie des Gottes.
Das ist das Resultat einer Analyse der in Platons Dialogen zahlreich vorkommenden Mysterienanspielungen. Besonders eindrucksvoll gerät die Deutung des „Phaidon', dessen Struktur den mystischen „Labyrinthtanz” nachahmt, die rituelle Wiederholung der mythischen Überwindung des kretischen Monstrums Minotauros durch den Athener Theseus. Tod und Wiedergeburt sind das Grundthema dieses Tanzes.
Der „andere Zugang zu Platon” führt somit über die Religion. Im Bann der von der Autorin geübten Interpretationskunst sind wir geneigt, dieses neue Platon-Paradigma zu akzeptieren. Erst nach der Lektüre melden sich Bedenken. Passt die Verwandlung des Philosophen in einen Mystiker, jenes Denkers, der wie kein zweiter in seinen Dialogen den Logos zum Instrument der Erkenntnis befördert hat, nicht allzu gut in eine Epoche, in der die Verachtung der Vernunft wieder einmal zum guten intellektuellen Ton gehört? Vielleicht hat jede Zeit gerade den Platon, den sie verdient.
ALBERT VON SCHIRNDING
CHRISTINA SCHEFER: Platons unsagbare Erfahrung. Ein anderer Zugang zu Platon. Schwabe & Co Verlag, Basel 2001. 276 Seiten, 54,20 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kaum ist die letzte Revolution in der Platon-Interpretation durchgesetzt, so Albert von Schirnding, schon droht die nächste. Die Tübinger Schule hatte die Ideenlehre der veröffentlichten Dialoge für weniger gültig erklärt als die esoterische Prinzipienlehre, die nur indirekt zu erschließen ist. Christina Schefer geht nun noch einen Schritt weiter: worum es Platon eigentlich gegangen ist, meint sie, sei die Unsagbarkeit, die Deutung der Erkenntnis als "unsagbare Erfahrung". Wie nun aber darüber sprechen? Schefer, so von Schirnding, geht den Umweg über die griechischen Mysterienkulte, die Platon erwähnt, und deutet ihn so als religiösen Denker. Der Rezensent ist durchaus angetan von der "Interpretationskunst" der Autorin - und meldet dann doch Bedenken an. Vielleicht sei eine solche anti-rationale Platon-Deutung vor allem dem Zeitgeist der vernunftfernen Epoche geschuldet, in der wir uns seiner Meinung nach befinden.

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