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Anhand von 4 exemplarischen Prosawerken untersucht die Studie, wie die subjektive Bedingung des Schreibens nach Nietzsche und der vermeintlichem Absage an ein mit sich identisches Selbstbewusstsein in der Moderne neu fundiert wird.

Produktbeschreibung
Anhand von 4 exemplarischen Prosawerken untersucht die Studie, wie die subjektive Bedingung des Schreibens nach Nietzsche und der vermeintlichem Absage an ein mit sich identisches Selbstbewusstsein in der Moderne neu fundiert wird.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.2005

Dämmerung des toten Subjekts
Wie das Ich abhanden kam: Eine Studie von Marcel Krings

Heute sorgt nicht mehr das Ich, sondern der Mensch für Gesprächsstoff. Nach der Kritik am autonomen Ich der Idealisten durch Poststrukturalismus, Dekonstruktion und Psychoanalyse bleibt nichts anderes mehr übrig, als den "abhängigen" Menschen in seinen Umwelten und Kontexten zu untersuchen. Spätestens seit das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein Projekt über den "Wandel des Menschenbildes" ausschreibt, ist es deutlich geworden: Die Anthropologie hat die Subjektphilosophie abgelöst.

Fernab von diesem wissenschaftlichen Mainstream leistet sich eine schlanke, flüssig geschriebene Dissertation den Anachronismus, das Ich wiederzuentdecken. Ihr Autor, Marcel Krings, ist Lektor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Paris. Sein Gepäck besteht aus dem bewährten Kanon des intellektuellen Frankreich-Reisenden: Valéry, Rilke, Celan und Beckett. Um dem Thema angesichts seiner Unzeitigkeit Geltung zu verleihen, beginnt die Studie mit einer ausführlichen Einführung in die Egologie, die Forschungsrichtung, welche sich nach dem postmodernen "Tod des Ich" mit dem Ich des Idealismus befaßt. Ein Überblick über ausgewählte Positionen der Subjektphilosophie seit Kant unterfüttert das theoretische Gerüst historisch. Vier Untersuchungen über die Auflösung des Ich folgen, geordnet nach Autoren und mit einer steigenden Dramatik hin zum endgültigen Ich-Verlust: Paul Valéry und Rainer Maria Rilke bemühen sich angesichts einer alles zermalmenden Moderne um die Rettung des schöpferischen Ich - und scheitern am Entwurf einer magischen Ästhetik. Im Fall Paul Celans (im Zentrum steht hier das "Gespräch im Gebirg") scheint das Ich allenfalls als vage Ahnung auf; Samuel Becketts "Namenloser" travestiert und parodiert bereits die Rede vom Ich.

Zwar können diese Einzelinterpretationen durch ihre Genauigkeit überzeugen, aber die Studie weist zwei Webfehler auf: Zum einen löst sie ihr Vorhaben, über eine "Poetik des Ich" zu informieren, nicht ein. Vielmehr dokumentiert sie das Scheitern solcher Entwürfe. Welche spezifische Leistung Poesie bei der Ausbildung und Beschreibung des Ich im Angesicht des Ich-Verlustes spielen könnte, bleibt aufgrund dieser ambivalenten Ausgangslage unklar.

Zum anderen ist die Studie durch einen Bruch gekennzeichnet: Die Flughöhe der Abstraktion, wie sie die Einleitung bietet, läßt sich nur mühevoll auf die Niederungen der Textinterpretation absenken. Problematisch ist dabei weniger die Freude am Theoretisieren, die der Arbeit zugute kommt. Vielmehr stört, daß zwischen der Subjektphilosophie und den behandelten Autoren eine Lücke klafft. Rilke beispielsweise las weder Kant noch Fichte oder Schelling. Wenn ihm Nietzsches Polemik gegen ein begrifflich fixiertes Ich geläufig war, dann vor allem durch Lou Andreas-Salomé sowie durch die zahllosen Heftchen, Bestseller und Gazetten aus dem Genre der "Weltanschauungsliteratur".

Selbst wenn Anachronismen Luxus und schon deshalb sympathisch sind - Krings' Studie hätte enorm gewinnen können, wenn sie sich dem Mainstream nicht verwehrt, sondern mit anthropologischem Interesse Kontexte des Ich in den Blick genommen hätte. Mit der Egologie unter die Oberfläche dieses Mainstream zu tauchen - das wäre eine reizvolle Aufgabe gewesen.

SANDRA POTT

Marcel Krings: "Selbstentwürfe". Zur Poetik des Ich bei Valéry, Rilke, Celan und Beckett. Francke Verlag, Tübingen 2005. 263 S., br., 49,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sandra Pott beginnt mit sehr viel Sympathie für Marcel Krings? Projekt, den von der Postmoderne deklarierten "Tod des Ich" zu ignorieren und sich dem Subjekt im Idealismus zuzuwenden. Damit jedenfalls ist die "Egologie" beschäftigt, in die Krings ausführlich einführt, bevor er sich seinen Autoren zuwendet. Doch dann die Enttäuschung: Es geht gar nicht um die "Poetik des Ich", wie im Titel versprochen, sondern um das "Scheitern solcher Entwürfe" - von Valery, der sich noch wehrte, bis Beckett, der es mit parodistischen Mitteln konstatierte. Außerdem stellt die Rezensentin einen Bruch zwischen Theorieteil und Einzelstudien fest - beide wollen nicht so recht zueinander finden, und zwar einfach deshalb, weil beispielsweise Rilke nicht Kant oder Fichte las. Fazit: gute Werkinterpretationen, aber der Arbeit insgesamt fehlt es an Richtung und Erkenntniskraft.

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