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Dringliche Denkanstösse für alle, deren Geschichtsbild das Verfalldatum erreicht und deren Träger die Lizenz zur Leichtgläubigkeit definitiv verloren haben. Wer mit jungen Menschen über die Schweiz redet, sollte Dejung gelesen haben. Warum die Schweizer Meister darin sind, zur rechten Zeit und nicht zu kurz zu kommen: Der Historiker Christoph Dejung legt eine neue Art von Schweizer Geschichte vor - geschrieben gegen den Strich der herkömmlichen Geschichtsschreibung. Anhand von Zahlen, Daten und Fakten entwickelt Dejung ein Bild des permanenten Sonderfalles Schweiz und rückt vieles, was nach…mehr

Produktbeschreibung
Dringliche Denkanstösse für alle, deren Geschichtsbild das Verfalldatum erreicht und deren Träger die Lizenz zur Leichtgläubigkeit definitiv verloren haben. Wer mit jungen Menschen über die Schweiz redet, sollte Dejung gelesen haben.
Warum die Schweizer Meister darin sind, zur rechten Zeit und nicht zu kurz zu kommen: Der Historiker Christoph Dejung legt eine neue Art von Schweizer Geschichte vor - geschrieben gegen den Strich der herkömmlichen Geschichtsschreibung. Anhand von Zahlen, Daten und Fakten entwickelt Dejung ein Bild des permanenten Sonderfalles Schweiz und rückt vieles, was nach wie vor unbewältigt ist, ins Licht unserer Zeit. Der unbequeme Historiker aus den Bündner Bergen räumt auf mit traditionellen Vorstellungen einer Schweiz, die nie heil, nie unversehrt und erst recht nicht besser war, als viele Politiker sie heute gerne darstellen. "Geschichte berichtet vom Wandel, und davon, dass im Wandel erstaunlich viel gleich bleibt. Sie sollte sich aber nicht täuschen lassen. In Wahrheit bleibt nichts gleich, ausser dass wir wir sind, die dem Wandel Unterworfenen." (aus dem Buch)
Autorenporträt
Christoph Dejung, geboren 1943 in Winterthur, Studien in geisteswissenschaftlichen Fächern. 1963 bis 2008 Tätigkeit als Lehrer in Philosophie, Geschichte, Staatskunde, Wirtschaft und Recht, Deutsch, Psychologie und Pädagogik. Autor zahlreicher Publikationen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.06.2008

Erfolgsrezept: Beharrungsvermögen, Individualismus, Finanzwirtschaft
Christoph Dejung hat ein sehr vernünftiges Buch über die Schweiz geschrieben, das die Eidgenossenschaft kritisch befragt und zugleich für sie einnimmt
Die Eidgenossenschaft, dieses sagenumwobene Gebilde, stößt ihre Bewunderer in jüngster Zeit des öfteren vor den Kopf. Mit fremdenfeindlichen Parolen und so schlichten wie falschen Erklärungen für die sozialen und politischen Verwerfungen in einer globalisierten Weltordnung erringen Rechtspopulisten fast ein Drittel der Stimmen. Lange Zeit schien ihr Erfolg kein Ende zu nehmen. Das Parlament unterbrach zwar diesen Siegeszug im vergangenen Dezember, indem es den Anführer der Populisten aus seinem Ministeramt warf. Die Zweifel an der Schweizer Demokratie wurden dadurch jedoch nicht vertrieben: Nehmen die verbleibenden siebzig Prozent diese groben Halbwahrheiten einfach hin? Und wo verstecken sich eigentlich die Intellektuellen? Solche Fragen sind bei vielen Schweizern nicht beliebt. Eher schon sind sie bei der Sache, wenn man mit ihnen nach Gründen für den Erfolg der Rechtspopulisten sucht. Aber die Leute um Christoph Blocher und seine Schweizerische Volkspartei bleiben unangenehm, umso mehr, als sie auftreten, als besäßen sie ein Patent auf das Volk, die Souveränität, ja die ganze Schweiz.
Christoph Dejung, Geschichtsphilosoph und bücherschreibender Gymnasiallehrer, antwortet in seinem Buch „Widerspruch. Auch eine Schweizer Geschichte seit 1945” auf dieses Unbehagen, und er tut es so klar, so ruhig, so vernünftig, dass die populistische Erregung verständlich wird, ohne dass der Autor irgendeine ihrer Voraussetzungen teilen müsste. Berichtet wird von einem Land, das – ein Wunder im Europa der vierziger Jahre – fast unversehrt in die Nachkriegszeit aufbricht. Fest in seinen Traditionen verwurzelt, betrachtet es den eigenen Erfolg mit Skepsis und glaubt dennoch fest an den technischen Fortschritt. Dreißig Jahre währt der Höhenflug, vorangetrieben vom Beharrungsvermögen und vom Individualismus einer über Jahrhunderte gewachsenen bürgerlichen Kultur (das ist kein Widerspruch) – und vom Bedürfnis der internationalen Finanzwirtschaft, dass es irgendwo auf der Welt ein Land gibt, das nach ihren Gesetzen funktioniert und dennoch keine politischen Allianzen eingeht.
Über den Mythos der uralten Schweizer Demokratie sagt Dejung, dieser sei „sehr wahr und sehr verlogen” zugleich: Neutralität, „Landigeist”, Konkordanz, das alles gibt es, und das „konservative Voranschreiten” hat eine lange Geschichte. Die Gründe dafür sind weitaus weniger heroisch und harmonisch, als es der Glaube an ein stolzes Bergvolk wahrhaben will: So wird die Landsgemeinde zwar als urdemokratisch beschrieben, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass ihre Wahlen auch unter einem Damoklesschwert standen – wenn der Chef daneben stand und aufpasste, ob man auch ja im richtigen Moment die Hand hob. Und es wird nicht verschwiegen, dass die Finanzwirtschaft, die lange die Schweiz als Ausnahme der Weltpolitik stützte, zunehmend weniger Interesse an dieser Sonderstellung hat. Jüngste Erosionserscheinungen sind der Untergang der Swissair, den die Schweizer als moralische Katastrophe empfanden, und die Niederlagen der Bank UBS.
Das Bild, das Dejung von der heutigen Schweiz entwirft, ist vielfältiger, heterogener, föderalistischer als die Vorstellung, die das Land von sich selbst verbreitet. Zwei Ideale überstrahlen dabei das ansonsten so nüchterne Werk, und an ihnen bemerkt man, mit welch schweizerischer Leidenschaft auch dieser Historiker an seinem Land hängt. Das eine ist ein starkes Umweltbewusstsein, das sich nicht scheut, naturrechtlich zu argumentieren: Die Praxis, die Straßen immer weiter auszubauen und gleichzeitig einen irritierenden „Kampf um Lebensraum” zu führen, begleitet von der permanenten Klage über einen „Ausverkauf der Heimat” – bei so viel Widerspruch verwandelt sich das Verständnis des Autors für die Langwierigkeit fundamentaldemokratischer Prozesse in offenen Unmut über einen gelegentlichen Starrsinn der Wählerschaft.
Keiner kann ganz stark werden
Das andere Schweizer Ideal, an dem Dejung unbedingt festhalten will, ist das einer sachlich fundierten Streitkultur. Er sieht diese Kultur, die doch für den Erhalt des Schweizer Wahlsystems mit seinen Plebisziten unerlässlich ist, einer Siegermentalität unterworfen. Dejung zweifelt an der Ernsthaftigkeit der Parteien, das Beste für das Land, die Leute, die Politik zu wollen; die „mediale Verdummung”, sagt Christoph Dejung, zerstöre längerfristig das intellektuelle Fundament der Schweizer Demokratie. „Was sich nach 1990 einstellte, war ein so nicht zu erwartender Vormarsch des Kindischen in der einheimischen Kultur der Schweiz.” Kindisch – das heißt hier: den landläufigen Mythen der Populärkultur geopfert.
Christoph Dejungs knappe Schilderung der Schweizer Geschichte nach 1945 ist ein Plädoyer für die differenzierte Kontroverse – und eine Einführung in ihre Funktionsweise. Tief überzeugt vom fein austarierten System der wechselnden Mehrheiten, legt er sein Augenmerk auf eine Politik, die sachlich argumentieren muss, weil keine Partei je tatsächlich stark werden kann. Die Erfahrung, dass lauter Minderheiten permanent zu Koalitionen gezwungen sind und diese einmal zum Sieg, einmal zur Niederlage führen müssen, dass sich jede Partei ständig in die Opposition und wieder zurück in die Regierung begibt, lässt ein Politikverständnis entstehen, das überraschende Schulterschlüsse nicht nur duldet, sondern auch fördert.
Dem Leser dieses Buches wird einiges zugemutet – wenn zum Beispiel die Altersversicherungen erläutert oder die Agrarsubventionen als identitätsstiftende Merkmale herausgearbeitet werden, was mit Umverteilungsmechanismen, aber auch der mythologisierten Darstellung in der Schule der 1950er und 1960er Jahre zusammenhängt und sich immer noch auf heutige politische Entscheide auswirkt. Doch handelt es sich dabei um zivilisatorische Errungenschaften, die in einer direkten Demokratie funktionieren müssen. Und weil der Autor von den Menschen und ihrer Fähigkeit zu Argument und Urteil überzeugt ist, erzählt er nicht nur die jüngere Geschichte einer außergewöhnlichen Nation, sondern er nimmt zugleich für sie ein.
CHRISTOPH LUZI
CHRISTOPH DEJUNG: Widerspruch. Auch eine Schweizer Geschichte seit 1945. Verlag Huber, Frauenfeld/Stuttgart/Wien, 2008. 272 Seiten, 26,50 Euro.
Schweiz im Umbau – hier beim Abbau des EM-Quartiers der Fußball-Nationalmannschaft in Feusisberg. Foto: ddp
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Irritiert über die jüngsten politischen Entwicklungen in der Schweiz schlägt Christoph Luzi das Buch auf. Und siehe da: Die Schweiz kann man kritisch sehen und dennoch mögen. So wirkt Christoph Dejungs Geschichte der Schweiz seit '45 auf den Rezensenten. Dankbar konstatiert Luzi die Ruhe und Klarheit der Darstellung. Immerhin geht es um ein Land voller Mythen. Überrascht stellt er fest, wie sich das Bergvolk auch betrachten lässt: Als sehr heterogen und föderalistisch. Dass der Autor schweizerische Ideale wie den Umweltschutz und eine sachliche Streitkultur hochhält, wertet Luzi als Indiz für die hinter aller hier waltenden Sachlichkeit glühende Leidenschaft. Schwere Lesekost wie Dejungs Erläuterungen zu den schweizerischen Altersversicherungen nimmt der Rezensent dafür in Kauf.

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