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Kommentierte Werkauswahl in deutscher Erstübersetzung
Von seinen Gegnern als Fanatiker geschmäht, für Luther ein Heiliger: Dieses biographische Lesebuch zeigt den Dominikaner Girolamo Savonarola in seiner ganzen Ambivalenz. Sprachgewaltig, kompromisslos und mit an Fanatismus grenzender Rigorosität kämpft er darum, aus Florenz das neue Jerusalem zu machen - und wird so zum Stachel im Fleisch seiner Kirche.
Aller Augen sind auf Florenz, Hauptstadt der Renaissance und Laboratorium einer neuen Weltordnung, gerichtet, als der Dominikanerprior Fra Savonarola (1452-1498) die Kanzel betritt. Mit
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Produktbeschreibung
Kommentierte Werkauswahl in deutscher Erstübersetzung

Von seinen Gegnern als Fanatiker geschmäht, für Luther ein Heiliger: Dieses biographische Lesebuch zeigt den Dominikaner Girolamo Savonarola in seiner ganzen Ambivalenz. Sprachgewaltig, kompromisslos und mit an Fanatismus grenzender Rigorosität kämpft er darum, aus Florenz das neue Jerusalem zu machen - und wird so zum Stachel im Fleisch seiner Kirche.

Aller Augen sind auf Florenz, Hauptstadt der Renaissance und Laboratorium einer neuen Weltordnung, gerichtet, als der Dominikanerprior Fra Savonarola (1452-1498) die Kanzel betritt. Mit drastischen Predigten versetzt er seine Zuhörer in Angst und Schrecken. Er entlarvt und geißelt ihre Laster, vor allem das moderne "neuheidnische" Verhalten, öffentliche Unmoral, Luxus, Habgier und Aberglaube. Doch nicht nur den Adel trifft seine unbestechliche Kritik, auch von seinen Glaubensbrüdern fordert er geistige Umkehr und materielle Beschränkung. Er verachtet ihre Lauheit und warnt gar: "Willst du deinen Sohn verderben, so lass ihn Kleriker werden!" Savonarola wird zur ernsthaften Bedrohung für die römische Kirche. Bereits exkommuniziert, fordert er ein Konzil zu deren Erneuerung und zwingt so den Borgia-Papst Alexander VI. zum Handeln. Die Kirche entledigt sich ihres prominenten Kritikers. Im Mai 1498 lässt sie den Dominikaner als Häretiker und Schismatiker henken und verbrennen.

Diese repräsentative, textbegleitend kommentierte Werkauswahl würdigt den Ausnahmemenschen Savonarola als prägende Gestalt des Humanismus. Seine Schriften erscheinen hier überwiegend erstmals in deutscher Übersetzung.

Autorenporträt
Savonarola, Girolamo
Girolamo Savonarola (1452-1498) war Dominikanermönch und später rühriger Prior des Klosters San Marco in Florenz. Auf Betreiben seiner Gegner nahm die Stadt ihn in Haft und zwang ihn unter Folter zu Geständnissen, die er widerrief. Er wurde dennoch am 23. Mai 1498 als Häretiker und Schismatiker gehenkt und verbrannt.

Laager, Jacques
Jacques Laager ist ein in der Schweiz lebender Übersetzer aus dem Lateinischen und Griechischen. Für den Manesse Verlag übertrug er u.a. die «Legenda aurea», Pausanias' «Beschreibung Griechenlands» und Benvenuto Cellinis «Mein Leben».
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.10.2002

Der Verzückte
Wie Savonarola um die Liebe der Dame Florenz rang
Florenz strahlte. Nur unter der Kapuze einer schwarzen Mönchskutte atmete einer schwer: „In seinen Wangenhöhlen lagerte eine graue Blässe; die Flügel seiner großen, gehöckerten Nase blähten und schlossen sich zuckend; seine hässlichen Lippen waren zu dem Ausdruck eines verzweifelten Hasses verzerrt, und seine Augen, von Glut umzogen, schweiften irr und ekstatisch über den schönen Platz.” So schilderte Thomas Mann in der Novelle „Gladius Dei” (1902) die Gestalt des Predigermönchs Hieronymus (Girolamo) Savonarola, den er von der Piazza Signoria auf den Münchner Odeonsplatz transplantiert hatte.
Reich ist die Überlieferung an Legenden über das „fratzenhafte, phantastische Ungeheuer, den Mönch Savonarola”, wie Johann Wolfgang Goethe den vor 550 Jahren geborenen Bußprediger und Unheilspropheten nannte. Noch heute geht kein Ayatollah, Gotteskrieger oder religiöser Fanatiker vorüber, dem nicht nachgesagt würde, er sei „ein Savonarola”. Und wie vermählt ist der lange Schatten des Dominikanermönchs mit dem alles überstrahlenden Mythos von Florenz: Der finstere Dämon gilt als Antipode der gleichfalls überzeichneten Lichtgestalt des Lorenzo „il Magnifico” aus dem Hause Medici. Der Legende nach soll Savonarola dem heimlichen Fürsten von Florenz noch auf dem Sterbebett die Absolution verweigert haben.
Tatsächlich hatte der Zuwanderer aus Ferrara die Geschicke von Florenz konsequent mit seinem persönlichen Los verknüpft – bis in den Hinrichtungstod, der ihn am Ende seiner langjährigen, großes Aufsehen und manchen Aufruhr erregenden Predigertätigkeit, im Jahre 1498 auf der Piazza Signoria ereilte: Aber anders, als es dem Todessüchtigen selbst vorschwebte, starb er nicht für seine Lehren, sondern weil er in die Fänge eines internationalen Machtpokers geraten war, aus dem schon bald eine völlig neue Weltkarte hervorging. Zu einem Zeitpunkt, als Florenz den Zenit seiner Machtentfaltung und seines Reichtums überschritten hatte, kündigte Savonarola der Stadt schwere Übel und Nöte an und warb für eine umfassende religiöse und politische Erneuerung auf der Grundlage der alten kommunalen Stadtverfassung. An seinen Prophezeiungen war bei nüchterner Betrachtung nichts Übernatürliches, außer dass der Prediger seine eigene Stimme mit derjenigen Gottes verwechselte.
Ein Schritt auf dem Weg zur Entdämonisierung ist jetzt getan: Erstmals nach den Pionierarbeiten des Kirchenkämpfers Joseph Schnitzer vor bald einem Jahrhundert kann man Savonarolas Predigten neben weiteren Schriften jetzt in einer repräsentativen, für den einfachen Lektüregebrauch überdies sattsam kommentierten Auswahl in deutscher Übertragung nachlesen. Gewiss: Es fehlt die Stimme des Predigers, es fehlen seine Gebärden, und auch das lebhafte Echo unter seinen Zuhören muss man sich dazudenken oder die Chronisten zu Rate ziehen, die überliefern, dass „die Leute wie von Sinnen waren”. Aber bei aller Strenge der Aussagen besticht ein eigenwilliger, überaus sinnlicher, manchmal verträumter Ton in der Diktion des Predigers. Sie lässt eher an einen hartnäckigen, mit unterschiedlichem Erfolg seine flatterhafte Geliebte umwerbenden Verehrer als an einen Fanatiker und Zeloten denken. „O Florenz, Florenz ...”, so lautet der wiederkehrende Refrain seiner zärtlichen Anreden, oftmals verbunden mit einem pochenden „Weißt du noch ...?” oder „Erinnerst du dich nicht ...?”
Aus den Predigten tritt der Prediger paradoxerweise um so mehr selbst hervor, je mehr er sich als Werkzeug und Stimme Gottes begreift. Denn dies zwingt ihn dazu, seine Persönlichkeit zu seiner Sendung in lebendige Beziehung zu setzen. Immer wieder hält er öffentlich Rückschau über seine Biographie und sein Wirken: Einmal erzählt er die Geschichte eines Jünglings, der von zu Hause durchbrannte, bis ihn auf hoher See, wohin Gott ihn irregeleitet habe, plötzlich die Angst überfiel, um gleich darauf zu bekennen, dies sei seine eigene, Savonarolas Geschichte, die Geschichte eines „Fremden”, der „von Stadt zu Stadt” wanderte und gezwungen ist, außerhalb seiner Heimat zu predigen: „O Florenz, der Jüngling, der auf das hohe Meer hinausfuhr und sich beklagt, keinen Hafen mehr zu sehen, ist hier!” Selbstgespräche und Zwiesprache lösen einander ab, und in der Predigtdramaturgie, deren turtelndes Liebesgeflüster sich bald zur Ekstase steigert, wird Savonarola infolge seiner für einen professionellen Prediger eher schwachen Stimme und gebrechlichen körperlichen Konstitution immer wieder gezwungen, innezuhalten und sich und seinen Zuhörern eine Pause zu gönnen. Auch sie gehört zum Liebesakt und steigert das Verlangen: „Wir wollen uns darüber genau unterhalten, zunächst aber etwas ruhen”, heißt es einmal, und bald darauf wird die Dame Fiorenza schon wieder direkt angesprochen: „Nun ruhe etwas aus, darauf wollen wir mit dem Rest weiterfahren.” Ein andermal fügte der historische Herausgeber der schon bald nach Savonarolas Tod in gedruckter Form verbreiteten Predigten die Notiz hinzu: „Merke dir, der du dies liest: als der padre predicatore bei dieser Stelle seiner Predigt angelangt war rief er – gegen das Kruzifix gewendet – so laut und mit solcher Heftigkeit und Inbrunst, dass er das Volk in solche innere Erregung brachte, dass alle mit lauter Stimme riefen: , Barmherzigkeit! Es lebe unser König Jesus Christus!‘ Und hier brach die Predigt ab, und der padre predicatore erteilte den Segen und ging weg.”
Eros der Bilder
Nach der Lektüre dieses Buchs bleibt nichts mehr von der Legende des vermeintlichen Bilderstürmers zurück. Was Savonarola predigte, war buchstäblich aus den gleichen Stoffen gewirkt und mit ähnlichen Mustern gestrickt wie die florentinische Bilderwelt – nur wollte Savonorala sie vor der Profanierung und Indienstnahme für persönliche und familiäre Machtinteressen geschützt wissen. Sogar die von seinen Anhängern veranstalteten „Verbrennungen der Eitelkeiten” waren eher symbolische als ikonoklastische Handlungen. Ansonsten sind seinen Predigten manch bezaubernde und auch drastische Nachrichten aus dem florentinischen Alltag zu entnehmen, etwa über den Eros der Bilder, von dem der Prediger andeutet, dass nur der Beichtvater darüber Genaueres wisse. Was schließlich den entschiedenen Gegner der Medici und ihres Renaissancehofs angeht, so zeigen die zu vorwiegend festlichen Anlässen gehaltenen Predigten mit ihren unentwegten Aufrufen zu Prozessionen und Glaubensmanifestationen, dass Savonarola mit seinen Feinden gerade die spektakulären öffentlichen Formen teilte und darum konkurrierte, die Stadt mit einem permanenten Netz aus Liturgien, Zeremonien und Ritualen zu überziehen.
Wie jede übersteigerte Liebe musste auch die Liebesgeschichte von Hieronymus und Fiorenza unglücklich enden. Als habe er es geahnt, hieß es schon in einer seiner ersten großen Predigten am Tag von Allerheiligen des Jahres 1494: „Nicht singen, nur weinen kann man in terra aliena.” So sprach einer, der von seinem inneren Feuer verzehrt wurde.
VOLKER BREIDECKER
GIROLAMO SAVONAROLA: O Florenz! O Rom! O Italien! Predigten, Schriften, Briefe. Aus dem Lateinischen und Italienischen übersetzt von Jacques Laager. Manesse Verlag, Zürich 2002. 767 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2002

Nicht anpassen, sonst erlischt das Übernatürliche
Daß Savonarola weder von Unflat noch von Nägeln zu erschüttern war, bezeugen auch seine Schriften

In der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts verstärkte nicht nur der Teufel seine bekannten üblen Aktivitäten, auch Gott mobilisierte seine Helfer. Bußprediger traten auf, man sammelte für die Armen, bekannte öffentlich seine Sünden und verbrannte Gegenstände der "Eitelkeit". Johannes Kapistranus, ein gewaltig predigender Franziskaner, veranstaltete 1451/52 solche Autodafés in Wien, Leipzig, Nürnberg und anderswo. Spielbretter, Würfel, Kartenspiele flogen ebenso in die Flammen wie Kleider, Bücher und Schminkutensilien. In Reval predigte Johann von Hilten, verwirrte die Familie eines Kaufmanns und die ganze Stadt mit seinen Predigten und Intrigen, bis er 1477 verhaftet, abgeschoben und von seinem Orden bis 1500 gefangengehalten wurde. Luther hat ihn noch gekannt.

Seit 1489 predigte der Dominikanerbruder Girolamo Savonarola in Florenz gegen die Mißstände der Kirche, gegen den in Luxus und Laster verkommenen Klerus, gegen die Lauheit der Laien, gegen alles äußerliche Zeremonienwesen, Ziergesang und Orgeln im Gottesdienst, gegen Eitelkeiten und Schamlosigkeiten. Nach dem Tod des Lorenzo Magnifico Medici verstärkte sich das politische Engagement dieser Predigten. "Siehe", donnerte Savonarola im Gestus des alttestamentarischen Propheten, "es kommt eine finstere Zeit, siehe, sag' ich, es wird Feuer, Flammen, Steine und Felsen regnen, und es wird eine trübe Zeit werden." In Rom regierte inzwischen Papst Alexander VI. Borgia, permanent unterrichtet von diesen unerhörten Predigten. Er hatte allen Grund, sie zu fürchten. Der Prediger, der sich konsequent an die Bibel hielt und das Alte Testament bevorzugte, beunruhigte nicht nur die Kirche, sondern verschärfte auch die politische Krise der italienischen Teilstaaten, die innerlich uneins und von außen bedroht waren.

Speziell in Florenz kreuzte sich alles: "Adelsherrschaft, Tyrannis, Kämpfe des Mittelstandes mit dem Proletariat, volle und halbe und Scheindemokratie, Primat eines Hauses, Theokratie (mit Savonarola), bis auf jene Mischformen, welche das mediceische Gewaltfürstentum vorbereiteten", so Jacob Burckhardt.

Die in der Manesse Bibliothek der Weltliteratur von Jacques Laager in einer Auswahl lebendig übersetzten und kommentierten Predigten, Schriften und Briefe geben einen Einblick in das Leben und Wirken Savonarolas, den zu rehabilitieren und heiligzusprechen die Kirche heute wohl eher Anlaß hätte als den Gründer des Opus Dei. Denn Savonarola, "eine Art Trotzkist des Katholizismus" (Indro Montanelli), dachte und handelte wirklich prophetisch, freilich an der Grenze zum Größenwahn, der mit Demutsformeln verhüllt wird. An seiner persönlichen Integrität gibt es keine Zweifel. Auch seine theologischen Positionen, denen die des jungen Luther ähnelten, waren keineswegs häretisch. Was ihn zu Fall brachte, war die mehrfache fundamentalistische Herausforderung der Führungsspitze Roms, des Hauses Medici und des Florentiner Stadtadels. Weniger gefährlich waren für ihn wohl die Differenzen mit der humanistischen Intelligenz. Obwohl er ständig gegen die Bücher und den Disput der "Philosophen, der Redner, der Poeten und der übrigen, die aufgeblasenen Geistes sind", polemisierte, hatte er doch auch Freunde unter ihnen. Man stritt sich über die Aktualität der antiken Philosophie, und Savonarola, der für ein einfaches christliches Leben glühte, sagte nein: "Du nennst Seneca, Aristoteles und Philon - meinetwegen, sie sind gut, aber sie tragen zur christlichen Religion, die vom übernatürlichen Licht lebt, nichts bei." Man redete aneinander vorbei, weil eben die Ziele verschieden waren.

Gestürzt ist Savonarola durch seine Weigerung, sich in irgendeiner Weise der Politik anzupassen. Was ihm während der knappen vier Jahre seiner faktischen Herrschaft (1494 bis 1498) vorschwebte, war die Schaffung einer von Christus als König regierten "geistigen Stadt", eine Volksregierung durch einen vielköpfigen Rat, den Gran Consiglio mit Wahlbeamten. Sein Vorbild, das er für Florenz nur modifizieren wollte, war Venedig. Von einer doppelten Bewegung moralischer Verbesserung von unten und institutioneller Reform von oben erhoffte er sich innere Einigkeit, niedrige Steuern, Rückkehr zu guten Sitten, guten Gesetzen und guter Verwaltung unter Beteiligung der Handwerker. Noch kurz vor der Katastrophe schrieb er für die Stadt nieder, wie er sich das Regiment vorstellte. Auch dieser im vorliegenden Band enthaltene interessante Text ist, kaum anders als die Predigten, ein Dokument theologisch-utopischen Denkens. Sein Zeit- und Stadtgenosse, der Erzpolitiker Machiavelli, sah die Dinge anders.

Steht man heute als Tourist auf der Piazza della Signoria in Florenz, wo eine runde Porphyrplatte die Stelle von Savonarolas Hinrichtung am 23. Mai 1498 bezeichnet, dann kann man die Interaktion zwischen diesem rhetorischen Genie und den Besuchern des Gottesdienstes nur noch schwer nachvollziehen. Die Predigten waren Stadtereignisse. Der mit äußerster Intensität sprechende erschöpfte Frate mußte immer wieder um Ruhepausen bitten, es gab Unruhe, Zwischenrufe und Fragen, zuletzt sogar eine mit Unflat und Nägeln unbegehbar gemachte Kanzel. Dann die Kinderprozessionen, die Sammelaktionen, die Scheiterhaufen des Luxus, zu dem auch Sandro Botticelli einige seiner Bilder herantrug. Man stelle sich vor, daß zeitweilig noch die Pest herrschte und Piero de Medici versuchte, die Stadt mit Waffengewalt wieder einzunehmen. Unter dem Druck des Papstes knickte die Stadtregierung dann ein. Die Schlußphase der Exkommunikation Savonarolas und seiner Rechtfertigungen, die Erstürmung des Klosters San Marco, schließlich Folterung und Hinrichtung am Tag vor Himmelfahrt sind auch als Lektüre noch dramatisch genug. Am Abend schütteten die Henkersknechte die Asche vom Ponte Vecchio in den Arno, sorgfältig darauf bedacht, daß das Volk keine Reliquien seines strengen Propheten erbeutete.

MICHAEL STOLLEIS

Girolamo Savonarola: "O Florenz! O Rom! O Italien!" Predigten, Schriften, Briefe. Aus dem Lateinischen und Italienischen und mit einem Nachwort von Jacques Laager. Manesse Verlag, Zürich 2002. 768 S., geb., 24,90, Ldr., 59,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Nicht zufällig nennt Otto Kallscheuer den Volkstribun, Republikaner und Dominikaner Savonarola mit einem anderen politischen Intellektuellen und Reformer seines Jahrhunderts: Nikolaus von Kues alias Cusanus. Beide strebten eine Reform der Kirche und damit die politische Erneuerung Europas an, schreibt Kallscheuer, Cusanus "von oben" und Savonarola "von unten" - beide vergebens. Savonarola lebte ein knappes halbes Jahrhundert später als Cusanus, damals war Rom bereits ein Sündenbabel und kein Hort der Hoffnung mehr, was den puritanischen Prediger zu glühenden Reden wider den Machtmissbrauch durch die Kirchenoberen trieb. In diesen düsteren und apokalyptischen Visionen müsse man dennoch ein frühes Zeugnis "christlicher Bürgerfreiheit" erblicken, meint Kallscheuer. Savonarola setzte sich für die Demokratisierung und Unabhängigkeit der Stadtrepubliken ein, wofür er später mit dem Leben bezahlte. Der von Jacques Laager herausgegebene Band enthält in chronologischer Reihenfolge Auszüge aus Savonarolas Schriften; Kallscheuer notiert mit Genugtuung, dass Savonarolas "Philippika wider den Tyrannen" in der Auswahl vertreten ist.

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