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"Der größte Dichter dieser Zeit ist mit ihm dahin", notierte Arthur Schnitzler wenige Tage nach dem Tod Hugo von Hofmannsthals im Juli 1929 in sein Tagebuch. "Eine Dichtertragödie von unvergleichlicher Intensität" würde Hofmannsthals Lebensgeschichte enthüllen, schrieb Felix Salten und deutete damit auf Spannungen, mit denen sich einer der letzten großen Dichter des untergehenden Europa konfrontiert sah. In diesem Buch gelingt es Ulrich Weinzierl, einem der besten Kenner der klassischen Moderne, Hofmannsthal als genialen Dichter und als Menschen sichtbar zu machen, in dem sich die Abgründe des Fin de Siecle spiegeln.…mehr

Produktbeschreibung
"Der größte Dichter dieser Zeit ist mit ihm dahin", notierte Arthur Schnitzler wenige Tage nach dem Tod Hugo von Hofmannsthals im Juli 1929 in sein Tagebuch. "Eine Dichtertragödie von unvergleichlicher Intensität" würde Hofmannsthals Lebensgeschichte enthüllen, schrieb Felix Salten und deutete damit auf Spannungen, mit denen sich einer der letzten großen Dichter des untergehenden Europa konfrontiert sah.
In diesem Buch gelingt es Ulrich Weinzierl, einem der besten Kenner der klassischen Moderne, Hofmannsthal als genialen Dichter und als Menschen sichtbar zu machen, in dem sich die Abgründe des Fin de Siecle spiegeln.
Autorenporträt
Ulrich Weinzierl (1954-2023) wurde in Wien geboren, studierte Germanistik und berichtete zwischen Mitte der achtziger Jahre bis 2013 als Feuilletonkorrespondent zuerst für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und seit 2000 für die Welt aus Wien. Gemeinsam mit Marcel Reich-Ranicki Herausgeber der Werke von Alfred Polgar. Bücher über Carl Seelig (1982), Alfred Polgar (1985, Neuausgabe 2005) und Arthur Schnitzler (1994). Bei Zsolnay erschienen 2005 Hofmannsthal. Skizzen zu seinem Bild, 2015 Alfred Polgars Marlene. Bild einer berühmten Zeitgenossin sowie 2019 eine vierbändige Werkausgabe von Hermynia zur Mühlen im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Wüstenrot Stiftung, mit Ulrich Weinzierl als Herausgeber. Im Herbst 2015 ist sein Buch Stefan Zweigs brennendes Geheimnis erschienen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Geheimnisse eines hinreißend Schwierigen
Ulrich Weinzierl skizziert Hofmannsthal / Von Ernst Osterkamp

Als Katja Mann im Jahre 1928 anläßlich der Münchner Uraufführung von dessen Trauerspiel "Der Turm" Hugo von Hofmannsthal wiedersah, konnte es ihrem aufmerksamen Blick nicht entgehen, daß der "ununterbrochen plappernde" Dichter "dicker geworden" war. Was würde sie da erst heute sagen? Denn mittlerweile ist Hugo von Hofmannsthal einer der korpulentesten Dichter der Moderne geworden. Dabei hatte man ihn doch so herrlich schlank in Erinnerung: eine Handvoll schönster Gedichte, einige wundervolle Erzählungen und hübsche Prosastücke, eine zauberhafte Komödie auch und natürlich die Libretti . . . Heute dagegen? Sein ununterbrochenes Plappern und der Konservierungswille der Philologie haben in unheiliger Allianz den Dichter zu einer unförmigen Gestalt aufgeschwemmt: eine monumentale kritische Ausgabe, zahlreiche wohlkommentierte Briefwechsel, Hofmannsthal-Blätter hier, Jahrbücher dort . . . Wir kennen den hinreißenden Jüngling kaum wieder, mit dem wir in unseren besseren Tagen niveauvolle Unterhaltungen über literarische Gegenstände führten, und fragen uns beklommen, ob sein unablässiges Plappern und der Eifer der Philologen seine Gestalt nun zur Unkenntlichkeit oder nicht doch zur Kenntlichkeit aufgeschwemmt haben. In solchen Augenblicken greifen wir gern zu einer schlanken Biographie.

Ulrich Weinzierl hat eine solche geschrieben. Bisher hat sich der Dichter konsequent der Kunst der Biographen entzogen, und dies wohl weniger, weil er ein Meister der "totalen Ich-Verschweigung" (Hermann Broch) war und sich gegen "läppischen Biographismus" aufs heftigste verwahrt hat, sondern weil das biographische Material bei diesem Meister des Briefs und Virtuosen des Gesprächs mittlerweile ins Uferlose angewachsen ist, ohne daß sich die Konturen der Gestalt zur Eindeutigkeit verfestigt hätten. Ohne die Sensibilität fürs Gesellschaftliche und die Empathie des Psychologen, die Hofmannsthal auszeichnen, ist seinem "Geheimnis" (eines seiner Grund- und Hauptwörter) nicht beizukommen, und über beides verfügt Ulrich Weinzierl im hohen Maße. Außerdem verfügt er über Ironie. Das hilft ihm dabei, produktive Distanz zu halten, denn er mag den Hugo zwar sehr, aber andererseits doch auch nicht allzusehr. So nimmt er ihm gegenüber die Schreibhaltung desjenigen ein, der zwar, wie der Dichter es sich wünschte, das Geheimnis der Person respektiert, aber gerade deswegen sich auch das Recht herausnimmt, dieses Geheimnis "zumindest in Grundzügen zu umreißen", was dann am Ende auch nichts anderes heißt, als alles menschlich Interessante über ihn auszuplaudern. Das ist schon deshalb völlig legitim, weil dabei seine Hauptquelle immer Hofmannsthal selbst bleibt: Hätt' er halt nicht so viel plappern sollen!

Was Weinzierl aber vollkommen respekiert, ist das Geheimnis der Poesie; negativ gesagt: Er klammert das dichterische Werk Hofmannsthals mit fast schon unheimlicher Konsequenz aus seiner Darstellung aus. Nur an ganz wenigen Stellen scheint auf, was ihn eigentlich am Werk fasziniert, und dabei fällt dann - naturgemäß - auf die Komödie "Der Schwierige" das meiste Licht. Denn Weinzierls Buch gilt dem Geheimnis eines hinreißend Schwierigen.

Natürlich läßt sich die Biographie keines großen Künstlers unter Ausklammerung seines Werks schreiben. Diesen daher auch bescheiden "Skizzen zu einem Bild" genannten Versuch hat Weinzierl aus Hunderten von Zitaten zusammengesetzt, die er mit knapp kommentierenden Federstrichen so metier- und materialsicher untereinander verbunden hat, daß man tatsächlich ein ausgeführtes Portrait vor Augen zu haben meint. Weinzierl hat auch die ungedruckten Quellen systematisch ausgewertet: die unveröffentlichte Korrespondenz Hofmannsthals mit seiner Frau Gerty nicht anders als Briefe der Eltern und Kinder oder die noch ungedruckten Tagebücher Harry Graf Kesslers; das Buch bietet also viel unbekanntes Material. So konnte Weinzierl denn sein Porträt auf einen Turm von 947 Fußnoten aufsockeln, der wiederum auf dem Fundament einer achtzehn Seiten umfassenden Bibliographie ruht.

Weinzierl setzt in drei Schritten jeweils bei Uneindeutigem an. Zunächst beim "Phantasma des jüdischen Blutes", dann beim "Zauber der Noblesse" - dem sozialen und politischen Agieren eines Herrn aus jüngstem Adel. Schließlich im dritten und umfangreichsten Teil bei der Hofmannsthalschen Erotik, dem "Mysterium von Freundschaft und Liebe". Was den Hofmannsthalschen "Herkunftskomplex" anbetrifft, bewahrheitet sich auch in seinem Fall der Satz Jean-Paul Sartres, wer für einen Juden gehalten werde, der sei eben Jude, auf geradezu groteske Weise: "Das Klischee vom reichen Juden haftete trotz gegenteiliger Faktenlage auch Hugo von Hofmannsthal an." Zwar hatte Hofmannsthal einen jüdischen Großvater, und seine Frau Gerty stammte aus jüdischem Hause, konvertierte bei der Eheschließung aber zum Katholizismus, und beides war nicht genug, um ihn zum Juden zu erklären. Auch war sein Elternhaus alles andere als reich, aber das antisemitische Klischee verband automatisch das eine mit dem anderen, und in einem nächsten Schritt bemächtigte sich dann das reaktionäre Ressentiment gegen den modernen Künstler des antisemitischen Stereotyps. Es ist beklemmend, zu sehen, wie selbstverständlich selbst Hofmannsthals bewährteste Freunde wie Harry Graf Kessler bei Bedarf antisemitische Ressentiments zur Geltung brachten. Nicht weniger beklemmend sind freilich die Verbalexzesse, zu denen Hofmannsthal selbst in der Lage war; all dies zeigt, wie methodisch der Aberwitz des Antisemitismus sein Zeitalter vergiftete. Eine besonders bittere Ironie freilich stellte es am Ende dar, als die gleichgeschaltete "Literarische Welt" im Jahre 1933 den Dichter aufgrund seiner Münchner Rede "Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation" dafür rühmte, "zu den Wegbereitern des Dritten Reiches" zu gehören.

Auch wenn Weinzierl sonst die Geheimnisse der Kreativität ausklammert, fällt er angesichts des Phantasmas von Hofmannsthals Judentum doch ein eindeutiges Urteil: Der ",Defekt' der Geburt" sei "wesentlich an Hofmannsthals literarischer Leistung beteiligt" gewesen; nur aus der "Innensicht des Außenseiters" habe ein Werk wie "Der Schwierige" geschrieben werden können. Allerdings trug dieser "Defekt" auch zu dem erheblichen sozialen Ehrgeiz des Dichters bei, zu dem Faible schon des ganz jungen Hofmannsthal für die hohe Aristokratie. "Snobismus als Geisteskrankheit", so diagnostizierte Arthur Schnitzler kühl. Aber gerade die Hysterie des Willens zur Noblesse verrät doch immer den, der nicht wirklich dazugehört. Der Leser spürt, wie es Weinzierl schwerfällt, seine Sympathie zu bewahren. Vollends verläßt sie ihn, als er das "unwürdige Verhalten" Hofmannsthals im Ersten Weltkrieg nachzeichnet: Es ist dasjenige eines "Heldentodverweigerers", der sich dem Dienst an der Front entzieht und mit virtuoser Verlogenheit den Rückzug in die Schreibstubenetappe heroisch maskiert. Für dasjenige, was Hofmannsthals patriotische Schriftstellerei in den Kriegsjahren zu Papier bringt, findet Weinzierl Wendungen wie "aberwitziger Dreck", "Ausflüge ins Aberwitzige", "Brokatprosa", "Verrat an seinem Kunst- und Sprachverstand", und das wollen wir denn doch gerechte Urteile nennen.

Hofmannsthal sei, so hat Richard Alewyn einmal gesagt, ein "Genie der Freundschaft" gewesen. Weinzierl zieht es vor, vom "Geheimnis von Freundschaft und Liebe" zu reden, und deutet bereits damit an, daß der Faktor Genie auch auf dem Gebiet der Freundschaft auf einen hohen Komplexitätsgrad deutet; vulgo: auch als Freund war er schwierig, sehr schwierig sogar. Er hat enge Freundschaften geradezu leidenschaftlich ersehnt, aber er war auch ein Virtuose in der Kunst, sich zu entziehen, und so neigte er denn "mit beunruhigender Regelmäßigkeit" dazu, seine Freunde auf heftige und oft irreparable Weise zu brüskieren. Wirklich ungefährdet waren unter den zahlreichen Männerfreundschaften nur zwei: diejenigen mit Eberhard von Bodenhausen und mit Carl J. Burckhardt.

Kein Zweifel: das "Geheimnis von Freundschaft und Liebe" hat auch eine ausgeprägte homoerotische Dimension. Nicht wenige von seinen engsten Freunden waren Homosexuelle: Leopold von Andrian, Harry Graf Kessler, Rudolf Alexander Schröder. Zwar hatte er die Annäherung Stefan Georges im Winter 1891/92 verstört zurückgewiesen, aber das heißt nicht, daß ihm homoerotische Neigungen fremd gewesen wären. Weinzierl geht diesen Spuren sensibel nach: Kessler etwa notiert noch 1911 in seinem Tagebuch, Frauen gegenüber habe Hofmannsthal "etwas von einem Diplomaten, von einem achtzigjährigen". Daß er seine Affizierbarkeit bei Bedarf in homophobe Ausfälligkeiten umzupolen vermochte, paßt ebenso ins Bild wie sein dröhnendes Bekenntnis zur Ehe, die er proklamierte wie eine lebensrettende Ideologie.

Ulrich Weinzierl baut sich aus der Fülle der Zitate, aus denen er sein Porträt Hofmannsthals zusammensetzt, zugleich die geistig-politische Landkarte seiner Zeit zusammen. Aber er ist auch ein bescheidener Porträtist, der ganz und gar hinter das von ihm mit reichen Händen ausgebreitete und konstellierte Material zurückzutreten liebt, und das finden wir bei einem so glänzenden Stilisten doch auch ein wenig schade. Und nun legen wir den Hugo beiseite und lesen wieder Hofmannsthal; dieses so gescheite wie elegante Buch macht Lust darauf.

Ulrich Weinzierl: "Hofmannsthal". Skizzen zu einem Bild. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2005. 319 S., geb., 21,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.09.2005

Demontage eines Dichters
Im Rausch der Aufdeckung von Schwächen: Ulrich Weinzierl porträtiert Hugo von Hofmannsthal
Ulrich Weinzierls karg-neutraler Buchtitel „Hofmannsthal” verspricht - aus der Feder des 1954 in Wien geborenen Schnitzler-Spezialisten und subtilen Kenners der klassischen österreichischen Moderne - eine Dichter-Monografie. Auch der Untertitel „Skizzen zu seinem Bild” verheißt kaum Skandal-trächtiges oder Elektrisierendes. Doch wer annähme, er bekomme es mit einer germanistisch soliden und entsprechend unaufregenden Hofmannsthal-Hagiografie zu tun, der täuschte sich heftig. Schon nach wenigen Seiten erkennt der von Weinzierls pfiffiger Verve faszinierte Leser, dass er einem ohne philologische Verehrungssteifheit geschriebenen, manchmal rücksichtslos aggressiv frechen Text folgt. Da werden mannigfache Zitate dargeboten, die Hofmannsthals Anti-Semitismus vorführen, zudem die bizarren
gelegentlichen Taktlosigkeiten seines Snobismus und die Strategie seiner Mogeleien.
Im Tadel, in der spöttischen Kommentierung geht Weinzierl etwas weiter, als man es einem Hofmannsthal-Bewunderer zubilligen möchte. Es existieren gewiss mannigfache drastische Belege dafür, dass der empfindliche Dichter hasste, was ihn belästigte „als ein gewisses intellectuelles Wiener Juden-Milieu, das für mich das Schlimmste vom Schlimmen ist”. Aber darf man, wie Weinzierl es tut, Hofmannsthals Schelte auf gewisse jüdische Kritiker und Literaten, die ihm das Leben schwer machten, gleich in eine Analogie, einen Zusammenhang mit Schmähungen des Dr. Joseph Goebbels bringen, dessen antisemitischer Wahn die Billigung der „Endlösung” einschloss?
Erlaubt - auch da forciert Weinzierl - der Umstand, dass Hofmannsthal den leider allenthalben unterschätzten Stefan Zweig zwar abschätzig zu den „Individuen sechsten Ranges” zählte, aber seine Briefe an Zweig als „Ihr aufrichtig ergebener” unterschrieb - erlaubt eine derartige Grußfloskel, Hofmannsthals Zweig-Korrespondenz nun gleich „besonders verlogen” zu nennen? Solche despektierlichen Formulierungen setzen sich doch heillos fest im Bewusstsein aller nicht ohnehin von Zynismus vergifteten Leser! Die überdies von Weinzierl dazu bewogen werden, Hofmannsthal arglistige Täuschung im Hinblick auf die wahre Autorschaft beim „Rosenkavalier”-Libretto zu unterstellen.
Tönender Chauvinismus
Wie weit ging Harry Graf Kesslers schöpferische Mitarbeit an dem Libretto? Weinzierl zitiert, was Hofmannsthal seinem Vater berichtete (er habe mit Kessler das Szenarium einer reizenden Spieloper gemacht), aber auch, was er Richard Strauss zu schreiben für richtig hielt (er habe es gemacht und mit Kessler durchgesprochen). Grimmig kommentiert Weinzierl: „Den Unterschied zwischen ,mit jemandem gemacht‘ und ,mit jemandem durchgesprochen‘ möchte man, altwienerisch gesagt, Klavier spielen können”. So instruiert, nimmt es uns Leser kaum Wunder, etwas später den Grafen Kessler mit dem Satz zitiert zu finden, „dann sei H. (ofmannsthal) ein ganz infamer Lügner, wenn er das behaupte . . .”.
Hier könnten noch manche von Weinzierl dargebotene Schwächen Hofmannsthals ausgebreitet werden. Etwa, wie chauvinistisch der Dichter im Ersten Weltkrieg tönte: „Das was gestern in Deutschland vorgegangen ist, muß einen für immer stolz und glücklich machen, diesem Volk anzugehören. Ein solches Volk kann nicht besiegt werden” (So am 5. August 1914). Oder Hofmannsthals von Karl Kraus blamierte Verherrlichung des Krieges, an dem er persönlich aber doch lieber nicht teilnahm. Schließlich sein Hass auf gewisse Richtungen moderner Malerei: „der Halbschwindler Kokoschka, der gemeine Schwindler Schiele”.
Weinzierl, der fleißig und witzig entlegene Quellen auftut, das Marbacher Archiv für sich fruchtbar macht und in mehr als 900 Fußnoten auch Unterschlagungen, Auslassungen, Beschönigungen korrigiert, hat überwältigend ergiebig gearbeitet. Wahrscheinlich lag es gar nicht in seiner Absicht, ein Anti-Hofmannsthal-Pamphlet zu verfassen. Er lobt durchaus auch mal seinen Helden, nennt die idiotischen Gründe, die Hofmannsthal um den wohlverdienten Nobelpreis brachten: Viermal war Hofmannsthal für die Auszeichnung vorgeschlagen worden - viermal wendete sich der Gutachter Per Hallström, wohl auch ein wenig antisemitisch, gegen ihn wegen der Frivolität von „Elektra” und „Rosenkavalier”!
Was Literaturkritikern oft genug unterläuft: Dass sie ihren Tadel ausführlich begründen, sich aber beim Lob mit kurzer Akklamation begnügen, - das versehrt auch die Proportionen von Weinzierls Hofmannsthal-Text. In seiner Monografie fällt kein eindringlicher Satz über die Sprache des „Rosenkavaliers”, die Weisheit des „Schwierigen”, den wehmütigen Zauber der frühen Loris-Lyrik. Höchstens im Vorbeigehen werden solche Wunder zugestanden. Dabei hätte der wer weiß wie schlaue Kessler eben doch nicht einen einzigen Satz der Marschallin in ewige Sicherheit zu bringen vermocht! Schade, dass Weinzierl sich so wenig Hofmannsthals poetischer Fülle (die für uns Nachgeborene wichtig und wertvoll ist) widmete und dafür umso umfänglicher Hofmannsthals Schwächen!
Eine Art Rausch heiteren Besser-Wissens hat den Pamphletisten wider Willen ergriffen. Man braucht, leider, an keinem Zitat zu zweifeln. Nur: In welchem Lebens- und Werk-Zusammenhang alle diese Äußerungen entstanden, was die Wiener Öffentlichkeit Hofmannsthal zufügte - Strauss schrieb 1911 an Kessler: „Wiener Aufführung des Rosenkavalier war herrlich, Publikum dagegen sehr dämlich und Presse geradezu skandalös . . . Unser armer Hugo wurde unglaublich verrissen, die Wiener sind eine rechte - bagagi!” -, davon ist bei Weinzierl nicht die Rede. Umso bereitwilliger teilt er mit, dass Kafka 1912 im Tagebuch befand, Hofmannsthal habe einen „falschen Klang in der Stimme”, dass Katja Mann sich spöttisch erinnerte, Hofmannsthal hätte sich bei einem späten Münchner Auftritt mit Liebedienerei lächerlich gemacht und er sähe, „dicker geworden und brillengeschmückt, durchaus aus wie ein jüdischer Rechtsanwalt”.
Der Sekretär des Freiherrn
Warum der politisch gnadenlos korrekte Weinzierl mit Hofmannsthals 1927 in München affirmativ geäußertem Wunsch nach einer die Nation einigenden „konservativen Revolution” hadert, darüber könnte man gewiss heute noch kontrovers diskutieren. Die hier mit archivarischem Fleiß angehäuften Fakten über Privates, Sexuelles, Homophiles, Schwärmerisches bei Hofmannsthals Freunden und Gefährten sind hingegen mittlerweile ohne bedeutenderes öffentliches Interesse. Dass und in welcher Weise Hofmannsthals hoch geschätzter homosexueller Freund Leopold Reichsfreiherr von Andrian durch seinen Sekretär, Diener und Liebhaber mit Namen Mühllechner erpresst wurde, müssen wir eigentlich nicht so genau wissen. JOACHIM KAISER
ULRICH WEINZIERL: Hofmannsthal - Skizzen zu seinem Bild. Zsolnay Verlag, Wien 2005. 319 Seiten, 21,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Dem Rezensenten Hans-Albrecht Koch ist das Bemühen anzumerken, Ulrich Weinzierls Skizzen zu Hugo von Hofmannsthal gerecht zu werden. Im Grunde aber, das wird dabei schon deutlich, hat ihn das Buch ziemlich enttäuscht. Keine Frage nämlich, dass Weinzierl einer der größten Kenner von Leben und Werk des Dichters ist. Umso bedauerlicher eben darum, dass er sich - offenkundig mit Absicht - auf die "menschlich, allzumenschlichen Seiten" des Autors konzentriert, ohne je konsequent der Frage nachzugehen, wie sich das Leben und das Werk zueinander verhalten. Halbwegs einleuchtend findet Koch die Fokussierung auf die Themen "Judentum, Adel, Freundschaft" - denn das sind die Dinge, mit denen Hofmannsthal zeitlebens nicht wirklich zu Rande gekommen ist. Aber auch hier spart der Rezensent nicht mit Kritik: "Weinzierls Süffisanz gegen alles und jeden" ist ihm recht unangenehm aufgefallen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Schon nach wenigen Seiten erkennt der von Weinzierls pfiffiger Verve faszinierte Leser, dass er einem ohne philologische Verehrungssteifheit geschriebenen, manchmal rücksichtslos aggressiv frechen Text folgt."
Joachim Kaiser, Süddeutsche Zeitung, 20.09.05

"[...] ein bemerkenswertes Buch. Bemerkenswert, weil das Leben Hofmannsthals vor allem in seinen emotionalen Facetten äußerst plastisch vor Augen tritt. Bemerkenswert auch wegen des außerordentlichen Sachverstands, der in jeder Zeile waltet und eine kleine Kulturgeschichte des österreichischen ´fin de siècle´ mitliefert. Fast bewundernswert schließlich, weil ein Biograf selten so wenig Denkmalsbau betrieben hat."
Steffen Richter, Der Tagesspiegel, 22.01.06

"Was der Autor bescheiden ´Skizzen zu seinem Bild´ nennt, ist in Wahrheit ein subtil ausgearbeitetes Porträt, in dem altbekanntes Material neu gewichtet und neues (etwa der Nachlassakt im Bezirksgericht Liesing) souverän ausgewertet erscheinen."
DanielaStrigl, Der Standard, 31.12.05

"Ein sehr wichtiges literarhistorisches Buch...Ich wusste viel über Hofmannsthal, aber erst Weinzierl hat mir gezeigt, wie wenig ich doch wusste. Das Buch ist interessanter als die meisten heutigen Romane."
Marcel Reich-Ranicki, Bunte, 20.10.2005