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Das Seelenleben des Ungeborenen und die Einbeziehung der pränatalen Erfahrungen in die Psychotherapie stehen im Zentrum dieses Buches.

Produktbeschreibung
Das Seelenleben des Ungeborenen und die Einbeziehung der pränatalen Erfahrungen in die Psychotherapie stehen im Zentrum dieses Buches.

Autorenporträt
Dr. med. Ludwig Janus ist Psychoanalytiker und ärztlicher Psychotherapeut in eigener Praxis in Heidelberg seit 1975, außerdem Lehranalytiker am Institut für Psychoanalyse Frankfurt. Zahlreiche Veröffentlichungen von ihm widmen sich vor allem der pränatalen Psychologie und der Psychohistorie.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2001

Im Traumbunker
Ludwig Janus’ Buch über pränatale
Psychologie und Therapie
„In den psychotherapeutischen Lehrbüchern tauchen die Begriffe Geburt und Schwangerschaft, geschweige denn Geburtserfahrung und vorgeburtliche Erfahrung kaum auf. Das bedeutet aus pränatalpsychologischer Sicht ein systematisches Ablenken von der lebensgeschichtlichen Relevanz der Erfahrungen am Lebensanfang. ” Diese wuchtigen Sätze von Ludwig Janus, der sich seit Jahrzehnten um die Integration der prä- und perinatalen Psychologie in den weiten Bereich der Tiefenpsychologie bemüht, stehen am Ende seines von tiefer Selbsterfahrung in Psychoanalyse und Primärtherapien im weitesten Sinne und einer fundierten Literaturkenntnis getragenen neuen Buches. Janus ist seit 1995 auch Präsident der Internationalen Studiengemeinschaft für Pränatale und Perinatale Psychologie und Medizin und Mitherausgeber von deren Fachzeitschrift. Er hat einen langen Weg der Werbung um Aufmerksamkeit hinter sich, wobei es ihn besonders geschmerzt hat, dass die frühe Quasi-Exkommunikation von Otto Rank und seinem – von Freud scharf kritisierten – Buch über das „Geburtstrauma” nicht längst wieder aufgehoben wurde. Nach seinem langen Weg findet Janus nun zu gelasseneren Analysen und Wünschen, die zur Integration der perinatalen Psychologie, vor allem aber der reichen therapeutischen Erfahrungen der verschiedensten Schulen mit der Psychoanalyse führen könnten.
In entfremdeter, episodischer oder mythologischer Form war das Thema in der Psychoanalyse von Anfang an da, es hat nur nie einen Niederschlag im Setting, in der Situation neben der Couch gefunden. Denn der Umgang mit dem vorsprachlichen Erlebens-Ich, im Gegensatz zum von der Psychoanalyse geforderten Sprach-Ich, braucht oft Veränderungen im Setting: Halt gebende Berührung und manchmal eine massive Verlängerung der Sitzungsdauer. Denn der Zugang zum frühen Trauma, etwa auf Grund von pränatalen Schocks, Steckenbleiben während der Geburt, Abtreibungsversuchen, Zangengeburt, aber auch massiver Ablehnung des Kindes, erfolgt leichter über Körperinnerungen als über verbal kodierte Erinnerungen.
Verständlicherweise fordert Janus, dass Therapeuten in einer Selbsterfahrung ihrer frühen Lebensstadien diese Dimensionen kennengelernt haben sollten, um einen so früh beschädigten Patienten angemessen begleiten zu können. Selbstkritisch betont Janus, dass er rückblickend in seinen Analysen viele Anzeichen früher Traumatisierung zwar gespürt, aber mangels eigener Fortbildung nicht angemessen aufgegriffen hat. Aber er sieht auch die Brücken, die psychoanalytische Pioniere zu diesen frühen Stadien geschlagen haben, vor allen in den Londoner Schulen – es seien nur Melanie Klein, Winnicott, Bion und vor allem Michael Balint genannt.
Der kleine Hans wird analysiert
Souverän kritisch und zugleich verständnisvoll geht Janus mit Freuds Fixierung auf die zentrale Bedeutung des Vaters in den Neurosen um. Er verweist auf mögliche Motive Freuds, die Bedeutung der frühen Mutter zu vernachlässigen und die Beschädigungen aus dem frühen Kontinent der vorsprachlichen Jahre sozusagen umzuschreiben auf Konflikte mit dem Vater, so etwa in der Analyse des „Kleinen Hans”, dessen Phobie Janus eher mit viel früheren Schrecken in Zusammenhang bringt als mit der Angst vor dem Vater. Ebenso einleuchtend ist seine Nachinterpretation des „Wolfsmannes”, einer großen Fallgeschichte von Freud, die Janus von den frühen, prä- und perinatalen Turbulenzen herleitet.
Janus wird dabei nie polemisch oder scharf, obwohl er spürbar leidet an der oft noch immer spürbaren rigiden Abschottung der klassischen Analyse gegenüber den Phasen der frühesten und oft so bedrohten Identitätsbildung, die, werden sie nicht verstanden, in eine unkenntliche und doch lebensmindernde oder -bedrohende Form übergehen können. Die Folge in vielen Lebenssituationen wie in vielen Therapien ist „Beziehungsentgleisung”. Prä- und perinatale Traumen können zu massiven Phobien führen, zu Vernichtungsängsten, Entleerung des Selbst, Katastrophenängsten, Schreckhaftigkeit, Dunkelangst, Engegefühlen, psychosomatische Symptomen und massiver Selbstablehnung.
Wenn eine „Aufarbeitung” der Störungen im frühen familiären Milieu nicht glückt, werden die Traumen konserviert, eingebunkert, verdrängt in kaum zugängliche Tiefen, um in ganz unerwarteten Lebenssituationen ihre bedrohliche Mächtigkeit erneut zu entfalten. Manchmal ist es ein Umzug, der die Schrecknisse der Geburt wieder hochbringt; manchmal eine überraschende Berührung, manchmal eine Kränkung: es sind unvorhersehbare trigger-Ereignisse, die zu schwer verständlichen Verhaltensweisen oder seelischen Notfallreaktionen führen.
Die neuere Trauma-Forschung (Krieg, Vergewaltigung, Folter, Missbrauch, Katastrophen) bahnt inzwischen einen breiten Weg zu den Reaktionsweisen der Seele, die frühen oder auch späten Traumatisierungen ausgesetzt ist, so dass zu hoffen ist, dass sich die Forschungsströme in absehbarer Zeit verbinden können. Janus’ Buch bietet eine Fülle von fruchtbaren Ausblicken und Desideraten von Praxis und Forschung. Man kann nur hoffen, dass dieses „weise” Buch in seiner unpolemischen Art zu Grenzöffnungen führt.
TILMANN MOSER
LUDWIG JANUS: Der Seelenraum des Ungeborenen. Pränatale Psychologie und Therapie. Patmos/Walter Verlag, Düsseldorf Zürich 2000. 235 S. , 48 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Tilmann Moser erhofft sich für dieses Buch ausdrücklich starke Beachtung, zumal er der Ansicht ist, dass dieses "`weise` Buch in seiner unpolemischen Art zu Grenzöffnungen" führen könne. Seiner Ansicht nach sind die Spätfolgen von prä- und perinatalen Traumata (wie etwa Abtreibungsversuche, Geburtskomplikationen) für das spätere Leben der Betroffenen noch nicht ausreichend im Bewusstsein von Therapeuten verankert oder aber es fehle an entsprechenden Fortbildungsmöglichkeiten. Moser gefällt es, dass sich der Autor nicht nur in der Literatur bewandert zeigt, sondern vor allem, dass seine Überlegungen auch auf langjähriger Erfahrung beruhen, wobei Janus auch offen von eigenen Fehlern, Schwächen und zwischenzeitlichem Scheitern spricht. Doch die Thesen, die Janus schließlich nach langjähriger Beschäftigung mit dem Thema entwickelt hat, scheinen den Rezensenten durchaus zu überzeugen. So gehe der Autor "souverän kritisch und zugleich verständnisvoll" auf Freuds Thesen von der Bedeutung des Vaters bei Neurosen ein, wobei Janus jedoch selbst einen anderen Standpunkt vertrete, etwa bei Freuds Fallgeschichte des `Wolfmannes`. Insgesamt eine "Fülle von fruchtbaren Ausblicken und Desideraten von Praxis und Forschung", so lautet das Fazit des Rezensenten.

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