Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 39,90 €
  • Gebundenes Buch

Wie haben deutsche Historiker zwischen dem Ende des Ersten und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs die französische Geschichtswissenschaft aufgenommen und bewertet? Dieser Frage geht S. Kaudelka in dieser Untersuchung nach, die zugleich deutsche Forschungen zur Geschichte des Nachbarlands in der Zwischenkriegszeit thematisiert. Trotz unterschiedlicher nationaler Historikerkulturen lässt sich das Beziehungsspektrum nicht auf ein einfaches Gegensatzdenken reduzieren. In der spannungsreichen Beschäftigung mit der Geschichtswissenschaft des »Erbfeinds« lassen sich ebenso heimliche Faszination und…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Wie haben deutsche Historiker zwischen dem Ende des Ersten und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs die französische Geschichtswissenschaft aufgenommen und bewertet? Dieser Frage geht S. Kaudelka in dieser Untersuchung nach, die zugleich deutsche Forschungen zur Geschichte des Nachbarlands in der Zwischenkriegszeit thematisiert. Trotz unterschiedlicher nationaler Historikerkulturen lässt sich das Beziehungsspektrum nicht auf ein einfaches Gegensatzdenken reduzieren. In der spannungsreichen Beschäftigung mit der Geschichtswissenschaft des »Erbfeinds« lassen sich ebenso heimliche Faszination und produktiver Dialog feststellen. In der Verknüpfung ideen-, personen- und geschichtlicher Zugangsweisen leistet die Arbeit einen fundierten Beitrag zur internationalen Geschichte der Historiografie.
Autorenporträt
Dr. Steffen Kaudelka ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Universitätsgeschichte Jenas im 20. Jahrhundert an der Universität Jena.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.08.2003

Karl der Große oder Charlemagne?
Unter Brüdern: Steffen Kaudelka über die deutsche Wahrnehmung der französischen Geschichtswissenschaft
Frankreich und Deutschland, das ist eine alte Geschichte, die mit drei Brüdern begann, die sich um das Erbe ihres Vaters stritten, das Reich des frommen Karolingers Ludwig, das sie 843 in Verdun unter sich aufteilten. Erst vor vierzig Jahren haben die beiden Völker, die aus dieser Teilung hervorgingen, Freundschaft geschlossen, nach Jahrhunderten blutigen Zwists. Das „Land der feindlichen, der bösartigen, der heimlich geliebten Brüder” hat der Historiker Hermann Heimpel am Vorabend des Zweiten Weltkriegs auf dem Höhepunkt der Entfremdung Frankreich einmal genannt.
Überhaupt die Historiker. Eigentlich sollten sie diese histoire infinie wahrheitsgetreu und leidenschaftslos erzählen. Dabei sind sie selbst ein Teil von ihr. Wie viel Tinte haben sie nicht vergossen im geistigen Kampf gegen den „Erbfeind”. 1914 schrieben sie glühende Manifeste, nach dem Ersten Weltkrieg versäumten vor allem deutsche Historiker die Demobilisierung und schrien nach Revanche für die Schmach von Versailles. Stritten sich darum, wessen Vater Karl der Große denn nun sei. Und heute? Heute gibt das Werk der Verständigung der Branche Arbeit und Brot, und Karl der Große firmiert als pater Europae.
Zwischen Tradition und Trend
Kaum ein Feld der europäischen Geschichte ist so gut beackert wie das der deutsch-französischen Beziehungen. Dagegen ist die Geschichte der Geschichtswissenschaft bis vor kurzem eine von wenigen Spezialisten bestellte Brache gewesen. Bis die Frage nach dem Verhalten der deutschen Historiker im Nationalsozialismus einen historiographischen Trend angestoßen hat, der sich mittlerweile, nach den ersten bahnbrechenden Studien über die „Ostforschung”, nach Westen wendet. Die Dissertation von Steffen Kaudelka „Rezeption im Zeitalter der Konfrontation” positioniert sich nicht ungeschickt an der Schnittstelle von Tradition und Trend. Sie umfasst vier Fallstudien, die sich locker um die Frage nach der Wahrnehmung der französischen Geschichte und Geschichtswissenschaft im Deutschen Reich von 1920 bis etwa 1940 gruppieren.
Im ersten Teil unternimmt Kaudelka eine vergleichende Lektüre zweier Überblicksdarstellungen zur deutsch-französischen Beziehungsgeschichte, die zu Beginn der dreißiger Jahre in Deutschland und Frankreich für ein breiteres Publikum geschrieben wurden. Während Gaston Zellers „La France et l’Allemagne depuis dix siècles” eher positive Bilanz zog und eine friedliche Verständigung zwischen beiden Völkern für möglich hielt, schlug Johannes Haller mit seinen „Tausend Jahre deutsch-französischer Beziehungen” jedes Versöhnungsangebot in den Wind. Diese Sicht der Dinge beruhte nicht bloß auf gekränktem Nationalismus, sondern auch auf Ablehnung der Französischen Revolution und ihres Exportschlagers, der Demokratie. Kaudelka kann anhand von Rezensionen und Tagungsberichten der Westdeutschen Forschungsgemeinschaft zeigen, dass insbesondere diesseits des Rheins eine differenzierte Auseinandersetzung mit beiden Büchern stattfand, die dokumentiert, „mit welcher Intensität die deutsch-französische Konkurrenz um die Deutungsmacht der deutschen Geschichte ausgetragen wurde”. Dagegen begnügte sich Marc Bloch mit dem treffenden Hinweis, Hallers Buch sei im Gegensatz zu dem Zellers kein Geschichtsbuch, sondern ein Dokument des Geisteszustandes deutscher Historiker.
Die Rezeption Blochs in Deutschland nimmt Kaudelka in seiner zweiten Studie in den Blick, mit dem nicht sehr überraschenden Ergebnis, dass dessen Werke zwar zur Kenntnis, die von ihnen ausgehenden Anregungen aber nicht angenommen wurden. Als Ausnahmen sind der völkische Historiker Hermann Aubin, der 1929 die Gründung der Zeitschrift Annales wegen ihrer innovativen Methoden begrüßte, und Theodor Schieffer zu nennen, eine der wenigen integren Historiker jener Zeit, der Blochs „Societé féodale” mitten im Krieg zwei positive Rezensionen widmete.
Sehr viel Mühe gibt sich Kaudelka, das Werk der Historikerin Hedwig Hintze zu rehabilitieren, die sich 1928 als erste Frau an einer deutschen Universität in Berlin habilitierte. Sie war mit Otto Hintze verheiratet, dem heute wieder aktuellen Programmatiker einer vergleichenden europäischen Verfassungsgeschichte. Durch diese Verbindung hatte sie Zugang zur Männerwelt der Historiker. Anders als Haller bejahte sie die Französische Revolution und versuchte deren Impulse durch ihre Frankreich-Geschichtsschreibung in Deutschland zu fördern. 1933 musste sie emigrieren. 1942 nahm sie sich im Exil das Leben. Seit dem Frankfurter Historikertag von 1998 ist der Nachwuchspreis des Historikerverbandes nach ihr benannt.
Schlechte Verlierer
Die deutschen Historiker schrieben nach dem Ersten Weltkrieg, so könnte man sagen, eine Geschichte der schlechten Verlierer. Ihre traditionelle Fixierung auf Außen- und Machtpolitik machte es ihnen schwer, die Niederlage von 1918 zu verwinden. Wer von den Zunftgenossen dagegen für die deutsch-französische Verständigung eintrat, geriet bald in Verdacht, mit dem Feind zu paktieren. Kaudelka bemüht sich ehrlich, diesen glücklosen Grenzgängern gerecht zu werden. Zu ihnen zählt auch Heinrich Sproemberg, der in den dreißiger Jahren unter der Ägide von Robert Holtzmann versuchte, den wissenschaftlichen Austausch durch eine „Geschäftsstelle zur Verbreitung geschichtswissenschaftlicher Literatur im Ausland” zu fördern, ein Unternehmen, das noch vor Kriegsausbruch durch Forscher aus dem Umkreis der Westforschung unterminiert wurde. Aber auch von französischer Seite wurden seine Initiativen mit Misstrauen beäugt. Für Bloch gehörte er „zu jenem Typus von Deutschen, die allzu freundlich, ja unterwürfig und beflissen sind”. Er zog „eine strengere und würdigere Gattung bei weitem vor” und versagte Sproemberg die Mitarbeit.
Für Außenseiter wie Sproemberg und Hintze eine Lanze gebrochen zu haben, ist vielleicht Kaudelkas größter Verdienst. Auch die Wahl des Untersuchungszeitraums, der Kontinuitäten vor und nach 1933 sichtbar macht, ist positiv hervorzuheben. Das Buch vermag das Bild zweier antagonistischer Geschichtskulturen in Frankreich und im Deutschen Reich zu differenzieren. Gleichwohl ergeben die vier Studien trotz ihres Umfangs keine Gesamtschau. Es ist bezeichnend, dass Kaudelka mit Bloch und Zeller zwei Elsässer ins Verhör nimmt, die allein aufgrund ihrer Herkunft ein besonderes Verhältnis zu Deutschland haben mussten. Wichtige Stationen der deutschen Diskussion wie der 1935 erschienene Sammelband „Karl der Große oder Charlemagne?” oder die anlässlich des Jahrestages von Verdun 1943 veröffentlichten Aufsätze bleiben unberücksichtigt. Nähme man im übrigen das Temperament des Buches als Indikator für den derzeitigen Zustand der deutsch-französischen Beziehungen, es gäbe zu den beruhigendsten Prognosen Anlass.
CHRISTIAN JOSTMANN
STEFFEN KAUDELKA: Rezeption im Zeitalter der Konfrontation. Französische Geschichtswissenschaft und Geschichte in Deutschland 1920-1940. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003. 544 Seiten, 59 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Während die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen bestens erforscht ist, fristete die Geschichte der Geschichtswissenschaft bis vor kurzem eher ein Schattendasein, weiß Rezensent Christian Jostmann. Mit seiner Dissertation "Rezeption im Zeitalter der Konfrontation" positioniert sich Steffen Kaudelka nach Ansicht Jostmanns nun "nicht ungeschickt" an der "Schnittstelle von Tradition und Trend": in vier Fallstudien geht Kaudelka darin der Frage nach der Wahrnehmung der französischen Geschichte und Geschichtswissenschaft im Deutschen Reich von 1920 bis etwa 1940 nach. Nach einem Vergleich zweier Überblicksdarstellungen zur deutsch-französischen Beziehungsgeschichte untersucht Kaudelka die Rezeption Marc Blochs in Deutschland, um dann das Werk der Historikerin Hedwig Hintze zu rehabilitieren, berichtet Jostmann. Es ist das "vielleicht größte Verdienst" Kaudelkas, so Jostmann, dass er Historiker würdigt, die sich auch nach 1918 für die deutsch-französische Verständigung einsetzten, eben Außenseitern wie Heinrich Sproemberg und Hedwig Hintze. Insgesamt gelingt es Kaudelka, das Bild zweier antagonistischer Geschichtskulturen in Frankreich und im Deutschen Reich zu differenzieren, hält Jostmann fest.

© Perlentaucher Medien GmbH