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Techno ist tot, zumindest offiziell. In Wirklichkeit waren elektronische Musik und die nächtliche Subkultur des Ausgehens - jenseits von sozialen Utopien und Love Parade - nie kreativer und interessanter als heute. Und nie so an einem Ort konzentriert: Jedes Wochenende bevölkern junge Leute aus ganz Europa ein paar Kilometer am Berliner Spreeufer; sie kommen mit Billigfliegern und bleiben nicht selten, bis die letzte After Hour nach Tagen fast wieder ins nächste Wochenende mündet ... Tobias Rapp, selbst DJ und ein intimer Kenner der Szene, porträtiert die faszinierendste, exzessivste und…mehr

Produktbeschreibung
Techno ist tot, zumindest offiziell. In Wirklichkeit waren elektronische Musik und die nächtliche Subkultur des Ausgehens - jenseits von sozialen Utopien und Love Parade - nie kreativer und interessanter als heute. Und nie so an einem Ort konzentriert: Jedes Wochenende bevölkern junge Leute aus ganz Europa ein paar Kilometer am Berliner Spreeufer; sie kommen mit Billigfliegern und bleiben nicht selten, bis die letzte After Hour nach Tagen fast wieder ins nächste Wochenende mündet ... Tobias Rapp, selbst DJ und ein intimer Kenner der Szene, porträtiert die faszinierendste, exzessivste und insgeheim einflußreichste Hauptstadtkultur und ihre Protagonisten: Tänzer und DJs, Musikproduzenten und Stadtplaner.
Autorenporträt
Tobias Rapp ist Journalist beim Spiegel und DJ.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2009

Report aus Berlin

Das Buch beginnt mit einem Affront gegen alle Uninformierten, Unorientierten, Unbekehrten. "Ein neues Berlin entsteht", deklamiert Tobias Rapp, was an sich keine schlechte Nachricht wäre, würde ihr nicht die Zuspitzung des langjährigen "taz"-Journalisten, im Nebenamt Nachteule, die utopische Zündung nehmen. Denn weder Sie noch wir, noch irgendwer, ganz einfach "keiner kriegt es mit". Rapp ist die Ausnahme, ein Sehender unter Blinden, der jetzt ein überfälliges Opus der Nacht verfasst hat. Man hat sich also gefreut auf dieses Buch zum Soundtrack einer Stadt, die das internationale Partyvolk inzwischen in Easyjet-Einheiten in die Warteschlangen seiner Techno-Clubs lockt. Und dann das: ein Text, geschrieben wie im Wachkoma. Es geht Rapp darum, "die Bedingungen der Möglichkeit des Tanzglücks zu beschreiben". Doch selten hat die Lektüre einer Ekstase weniger Lust aufs Feiern gemacht. "Lost and Sound" ist reinste Kladde, die Blickwinkel, Schreibstile und Genres sind lieblos aneinandergereiht. Gerade wenn Rapp über die Welt des Rausches spricht, ist das oft sprachliches Methadon. Alles ist "kaputt", "verstrahlt", "verspult", wobei man sich fragt: Was, zum Teufel, passiert hier eigentlich? Dieses Buch selbst ist wie eine bunte Pillenmischung. Ein bisschen Milieustudie, ein bisschen Musikkritik, ein bisschen Ich-Reportage. Man bekommt einen guten Einblick in die Szene, doch wie Rapp selbst einräumt: "Das Nachtleben folgt einem komplizierten Regelwerk, das noch nie jemand aufgeschrieben hat, weil es sich ständig ändert. Man beherrscht es, indem man einfach immer weiter ausgeht." Vielleicht ist die Zeit für ihre Historisierung noch nicht reif. Vielleicht sollten wir einfach feiern gehen. (Tobias Rapp: "Lost and Sound". Berlin, Techno und der Easyjetset. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 265 S., br., 8,50 [Euro].) teut

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.04.2009

Superhelden der Schlaflosigkeit
Zeitgeist, verdichtet: Was wurde eigentlich aus Techno? Tobias Rapp sucht in Berliner Hinterhöfen, Heizkraftwerken und Holzverschlägen
Am Sonntagabend schwappen viele Fragen ans Spreeufer. Kommt er noch? Ist er schon da? Wann fängt er an? Die Rede ist von Ricardo Villalobos, einem Fixstern am Firmament des Nachtlebens, dessen Strahlkraft man schon an der Schar der „Rave-Satelliten” ermessen kann: Sehr schöne Mädchen und coole Jungs, die den DJ immer umschwirren, wenn er sonntags nach einem durchfeierten Wochenende noch im „Club der Visionäre” Platten auflegt und die Party, die schon seit Freitagabend läuft, langsam ihrem fiebrigen Finale entgegen steuert. Ricardo Villalobos ist der wichtigste DJ und Produzent elektronischer Musik der nuller Jahre. Doch diesen Superhelden der Schlaflosen kennt fast keiner, der nicht in die Nacht und ihre Rituale eingeweiht ist.
Diesen blinden Fleck nutzt Tobias Rapp, ehemals Musikredakteur der taz und jetzt beim Spiegel, zu einem außergewöhnlichen und unterhaltsamen Porträt des Berliner Nachtlebens. In „Lost and Sound. Berlin, Techno und der Easyjetset” beschreibt er, wie unterhalb des Radars der öffentlichen Aufmerksamkeit ein neues Berlin entstanden ist, das so gar nicht zu neowilhelminischen Fantasien und hochfliegenden Hauptstadtplänen passen mag.
Dass ausgerechnet Techno dafür verantwortlich sei, dass Berlin zur weltweiten Feiermetropole wurde, scheint erstmal ein recht antizyklischer Befund. Denn um die Jahrtausendwende wurde es eigenartig ruhig, nachdem es in den neunziger Jahren viel Lärm um das große Bumm Bumm gab. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen übertrug die Loveparade live und in voller Länge, die Feuilletons sahen in DJs die neuen Rockstars und entdeckten veränderte Geschlechterrollen in den Stroboskop-Blitzen der Clubs. Kulturwissenschaftler füllten interdisziplinäre Sammelbände mit Aufsätzen wie „Topografien des Begehrens: Pop/Techno mit Lacan”. Die Maschinen-Musik knipste eine immense Deutungswut an, die Anfang der nuller Jahre schlagartig implodiere. Techno aber gibt es immer noch, nur eben im Untergrund. Und, so findet Tobias Rapp: „Nie war die elektronische Musik und die Subkultur des Ausgehens kreativer und interessanter als heute.”
Mittwoch Watergate, Donnerstag Weekend und Golden Gate, Freitag Tresor, Samstag Berghain, Sonntag Bar 25. Schon dass in Berlin andauernd irgendwo getanzt wird und das meist ziemlich lange, gibt Rapp Recht. In schönen Erzählpassagen berichtet er über den besinnungslosen Taumel der Party-Parallelgesellschaft, die auf vier Säulen lastet: Ossis, Schwule, Touristen und Kreative. Zwischen den Großgefühlen der Tanzfläche skizziert er die ökonomischen Nischen, die den Betrieb am laufen halten. Wie funktionieren erfolgreiche Plattenlabel in Zeiten, da niemand mehr Tonträger kauft? Ist eine Musik, die mittlerweile kinderleicht zu produzieren ist, ein Triumph der Mediendemokraten oder der Kulturpessimisten? Und wie kommt es zu dem babylonischen Sprachengewirr, das in den episch langen Schlangen vor dem Berghain herrscht, jenem weltweit berühmten Tempel des Hedonismus? Hier steht der Easyjetset an. Junge Menschen, die dank billiger Flugtickets, sozialer Netzwerke und Internet-Plattformen wie Resident Advisor ein extrem präzises Bild des Berliner Nachtlebens haben. Nicht selten wissen sie mehr als die Berliner über ihren popkulturellen Sehnsuchtsort.
Die Dauer-Feierei ist längst ein realer Wirtschaftsfaktor. Von 400 auf 28000 ist die Zahl der Hostel-Betten in den letzten Jahren gestiegen. Geschätzte 8000 Arbeitsplätze sichert die Clubwelt der Berliner Wirtschaft. Nach Museen werden Clubs in einer Studie des Tourismusverbands als zweiter Grund genannt, Berlin zu besuchen. Weit vor Opern und Theatern. Und seit Richard Floria, dem Säulenheiligen der modernen Standorttheorie, gilt es bei Stadtplanern als ausgemacht, dass Kreativität eine Schlüsselressource im weltweiten Wettbewerb um Wirtschaftskraft ist. Den Freaks folgen die Kreativen und denen folgen die Arbeitsplätze. Nicht umgekehrt.
Renitenz in Schlauchbooten
Dass Tobias Rapp diese Zusammenhänge in seinen Streifzug durch die Clubszene einbaut, macht sein Buch so lesenswert. Sowieso ist es ein Glücksfall. Anders als etwa in England werden in Deutschland nicht viele Bücher über Pop-Musik geschrieben und nur wenige wagen sich an die Gegenwart. Das mag Ausdruck der latenten Vergangenheitssehnsucht der Popkultur sein, ist aber bedauernswert, weil doch Pop ob seiner Schnelllebigkeit den Zeitgeist extrem verdichtet. Und in der Rückschau ein Archiv des Überschwangs entstehen lässt. So führt „Lost and Sound” etwas weiter, das Ende der übermütigen neunziger Jahre abbrach. Damals hießen die Bücher „Energy Flash” (Simon Reynolds), sie versuchten sich an einer völlig neue Form des Schreibens, einer „Sonic Fiction” (Kwodo Eshun) und thematisch ging es gerne um das Große und Ganze, etwa um eine „Ravende Gesellschaft” oder um eine „DJ Culture”. Die Zeichen standen auf Welteroberung. Von diesem Geist ist heute nichts mehr übrig. Techno mag in den neunziger Jahren das Versprechen gewesen sein, dass jeder zu den Verhältnissen tanzen konnte, die er sich schnell mal programmierte. Heute geht es eher um das private Glück als um die großen Entwürfe. Und so ist auch Rapps Reise durch die Clubs keine Jubelarie auf das Befreiungsversprechen der Nacht, sondern eine Bestandsaufnahme einer Ausgeh- und Musikkultur, die „sehr vielen Menschen erfolgreich das Gefühl vermittelt, dass nicht überall die Freiheit der Sicherheit geopfert worden ist.”
Das Buch feiert die Andersartigen, die Unausgeschlafenen, die Träumer und Exzentriker, die im Nachtleben umherschwirren. Es hebt sie aber auch nicht in den Himmel. Das einmal der Schulterschluss zwischen Pop und Politik klappt, und Linke und Raver tatsächlich zusammen auf die Barrikaden gehen, ist einer einmaligen Bedrohung geschuldet: Böse Investoren wollten einen Büroturm ausgerechnet auf einen der allerbesten Berliner Dancefloors bauen. Die Bar 25, wo hinter einem Bretterverschlag direkt an der Spree unfassbare Ausschweifungen stattfinden. Als die Grundstückseigner mit Investoren in einem Boot das Grundstück besichtigen wollten, blockierten die renitenten Raver mit einer Armada von Schlauchbooten kurzerhand die Spree. Der Dampfer drehte bei. Die Party geht weiter. Einstweilen jedenfalls. Denn das Glück auf der Tanzfläche ist so flüchtig, wie die Konstellation an sozialen Gruppen, die es entstehen lassen. FELIX DENK
TOBIAS RAPP: Lost and Sound. Techno, Berlin und der Easyjetset. Suhrkamp. Frankfurt/Main 2009, 267 S., 8,50 Euro.
Der beste Club? Der allerbeste! Berghain, Berlin Foto: Ullstein
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bestens unterhalten hat sich Felix Denk bei der Lektüre von Tobias Rapps Buch über "Techno, Berlin und der Easyjetset". In diesem instruktiven Porträt des Berliner Nachtlebens findet er insbesondere eine qualifizierte Antwort auf die Frage, was eigentlich aus Techno geworden ist: als Massenphänomen Ende der neunziger Jahre auf dem Höhepunkt ist die Maschinen-Musik um die Jahrtausendwende in den Underground zurückgekehrt, wo sie heute vitaler, origineller und vielfältiger scheint denn je. Gespannt folgt Denk dem Autor bei seinen Streifzügen durch die Clubwelt, in der sich die Nachtschwärmer tummeln und der Easyjetset feiert. Er hat auch eine Menge über die Clubszene als starke Wirtschaftskraft in Berlin erfahren und darüber, wie ein Techno-Plattenlabel funktioniert.

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