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Ismail Ferik Pascha: der islamische Name täuscht. Hoher Würdenträger Ägyptens, von Geburt jedoch Grieche und Christ, wird er nach Kreta entsandt, um dort einen Aufstand niederzuschlagen. Dies bedeutet für ihn eine Rückkehr in die Heimat und eine Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit. Kreta zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Als kleiner Junge wird Emmanouil während kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Osmanen aus seinem Heimatdorf verschleppt. Er wächst mit der Kultur und Religion Ägyptens auf, konvertiert schließlich zum Islam und steigt unter dem Namen Ismail Ferik…mehr

Produktbeschreibung
Ismail Ferik Pascha: der islamische Name täuscht. Hoher Würdenträger Ägyptens, von Geburt jedoch Grieche und Christ, wird er nach Kreta entsandt, um dort einen Aufstand niederzuschlagen. Dies bedeutet für ihn eine Rückkehr in die Heimat und eine Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit. Kreta zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Als kleiner Junge wird Emmanouil während kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Osmanen aus seinem Heimatdorf verschleppt. Er wächst mit der Kultur und Religion Ägyptens auf, konvertiert schließlich zum Islam und steigt unter dem Namen Ismail Ferik Pascha in höchste gesellschaftliche Ränge auf, doch sein griechischer Ursprung läßt sich nicht verleugnen: Er baut eine Phantasiewelt der Erinnerung an seine Kindheit auf und führt ein zerrissenes Leben zwischen Pflicht und Neigung, zwischen Erinnerung und Gegenwart, zwischen Ägypten, das unter der Oberherrschaft des Osmanischen Reiches steht, und dem um seine Freiheit kämpfenden Kreta. Der Konflikt spitzt sich zu, als Ismail Ferik Pascha nach Kreta entsandt wird, einen Aufstand niederzuschlagen: der Anführer der Aufständischen ist sein Bruder. Rhea Galanaki begibt sich mit ihrem Roman in das Spannungsfeld der europäischen Geschichte und thematisiert die Frage nach Identität und nach Sinn und Ursprung des Nationalen. Das Leben des Ismail Ferik Pascha ist ein literarisch anspruchsvoller und in hohem Maße poetischer Text von großer Aktualität.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.2002

Bruder, wo bist du?
Gespaltene Identität: Rhea Galanaki zeigt den Orientalen im Griechen

Die Griechen, so konnte der Buchmessenschwerpunkt im letzten Jahr glauben machen, sind weniger die Erfinder Europas als eine europäische Erfindung. Vielleicht verkaufen sich deswegen die Bücher der alten Griechen immer noch besser als die der modernen. Will man die Griechen partout als Europäer verstehen, wird man ihnen nicht gerecht. Wenn man sie dagegen so zu lesen versucht, als wären ihre Vorfahren nicht tatsächlich die Begründer Europas gewesen, sondern uns so fremd wie Türken und Albaner, ihre Nachbarn; dann könnte man dem, was an dieser neuen griechischen Literatur befremdet, womöglich mehr Verständnis entgegenbringen.

Die Schriftstellerin Rhea Galanaki ist die Kronzeugin eines Griechenland zwischen den Kontinenten, eines Griechenland, das zwar in Europa liegt, dessen Seele aber ihren kräftigen orientalischen Anteil weder verleugnen kann noch will. Galanaki wurde in Heraklion geboren, auf Kreta, dem südlichsten Zipfel Europas und jenem Teil Griechenlands, der als letzter aus dem Osmanischen Reich herausgelöst wurde.

Von den kretischen Befreiungskriegen gegen die Osmanen handelt Galanakis Roman, dem äußeren Geschehen nach jedenfalls. Seit der Unabhängigkeit des griechischen Kernlandes suchten Aufstände gegen die - meist von Ägypten her ausgeübte - osmanische Herrschaft die Insel in regelmäßigen Intervallen heim. Den Nutzen daran hatten die europäischen Großmächte, die an der Schwächung des Osmanischen Reiches interessiert waren, den Schaden hatten die Bewohner der Insel und der osmanische Sultan.

"Das Leben des Ismail Ferik Pascha" ist ein historischer Roman, der auf alles verzichtet, was üblicherweise einen Historienschmöker ausmacht. Das Geschehen wird fast ausschließlich aus der Innenperspektive des Helden geschildert. Ismail Ferik Pascha war ein einfacher Bauernjunge auf einer Hochebene in Kreta und hieß ursprünglich Emmanuil. Im Herbst 1824 landen ägyptische Truppen auf Kreta, um den griechischen Aufstand niederzuschlagen. Emmanuils Vater wird getötet, sein Bruder nach Istanbul verschleppt, von wo er nach Odessa fliehen kann. Er selbst wird nach Ägypten gebracht. Alltag im Osmanischen Reich: Die schönsten und klügsten der gefangenen Knaben werden ausgelesen und in Eliteschulen zu künftigen Staatsbeamten und Heerführern herangezogen. Dieses Schicksal, nicht das schlechteste, wird auch Emmanuil zuteil. Man beschneidet ihn und gibt ihm den Namen Ismail.

Das Land am Nil steuert einen an Europa orientierten Reformkurs und wächst zur Konkurrenz für die eigentliche Zentralmacht in Istanbul heran. Ismail entreißt als erfolgreicher Feldherr zusammen mit dem ägyptischen Thronfolger den Osmanen die Herrschaft über Syrien und Palästina. Schlachten und politische Verwicklungen werden jedoch nur am Rande erwähnt. Statt dessen schildert Galanaki suggestiv das Psychogramm einer von der Geschichte gespaltenen Persönlichkeit. Ismails Versuche, sich mit der neuen, erfolgreich ausgeübten Rolle zu identifizieren, werden mit seinen immer wiederkehrenden Erinnerungen scharf kontrastiert.

Eines Tages bittet ein Vetter ihn um eine Audienz und stellt den Kontakt zum verschollen geglaubten Bruder her, der mittlerweile in Athen als reicher Kaufmann die griechische Unabhängigkeitsbewegung finanziert. Es kommt zu einem Briefwechsel, aber die innere Distanz der beiden wird nur um so deutlicher. Als dann 1866 in Kreta ein weiterer Aufstand losbricht, zu dessen Niederschlagung nun Ismail in seine alte Heimat geschickt wird, holt ihn die Vergangenheit ein.

In Heraklion sieht er die Hafenfestung wieder, wo er sich von seinem Bruder getrennt hatte: "Auf die Festung führte ein gepflasterter Weg zu, von niedrigen Pfeilern gesäumt, die wie aus Stein gemeißelt wirkten. Dort hatte ich zuletzt seine Hand berührt, auf einem dieser Pfeiler. Ich ging zitternd darauf zu und berührte ihn. Ich spürte die Kälte des Pfeilers, als wäre er wirklich aus Stein, doch das kümmerte mich nicht weiter. Ich wischte die kalte Feuchtigkeit zärtlich fort, wie den Schweiß meines Bruders. Oder halluzinierte ich bereits im Fieber? Wenn ich tatsächlich seine Stirn berührte, dann konnte sie nicht lebendig sein, so kühl war sie." Fortan kann Ismail die Zeitebenen nicht mehr auseinanderhalten. Visionen suchen ihn heim. Kurz nachdem er sein Elternhaus wiedergesehen hat, kommt er auf mysteriöse Weise zu Tode. Ob er vergiftet wurde oder Selbstmord beging, läßt Galanaki offen.

Ismail Ferik Pascha hat es wirklich gegeben; der Gewissenskonflikt, den Rhea Galanaki ihm andichtet, ist Mutmaßung. Als Stoff aber ist er großartig. Eindringlicher kann die seltsame Identität der modernen Griechen, die sich ihr Wesen von den Nordeuropäern erst erklären lassen mußten und dabei ihre orientalischen Traditionen verdrängten, nicht behandelt werden. Rhea Galanaki bringt den orientalischen Teil der griechischen Seele zum sprechen wie kaum ein anderer griechischer Schriftsteller ihrer Generation. Wer die neuere Literatur Griechenlands verstehen will, ist bei Galanaki an der richtigen Adresse.

STEFAN WEIDNER

Rhea Galanaki: "Das Leben des Ismail Ferik Pascha". Aus dem Griechischen übersetzt von Michaela Prinzinger. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 189 S., geb., 19,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Stefan Weidner zeigt sich begeistert von Rhea Galanakis historischen Roman um den Jungen Ismail Ferik Pascha, der 1824 nach einem griechischen Aufstand gegen die ägyptische Besatzungsmacht von Kreta nach Ägypten verschleppt wird, dort im Staatsdienst Karriere macht und Jahre später zur Niederschlagung eines Aufstandes wieder in die alte Heimat geschickt wird. Weidner hebt hervor, dass Galanaki auf alles verzichtet, was normalerweise einen Historienschmöker ausmacht: So schildert sie das Geschehen laut Rezensent nahezu ausschließlich aus der Innenperspektive des Helden, erwähnt Schlachten und politische Verwicklungen nur am Rande. Statt dessen schildere Galanaki suggestiv das Psychogramm einer von der Geschichte gespaltenen Persönlichkeit, lobt Weidner. Ismail Ferik Pascha hat es nach Auskunft Weidners wirklich gegeben; auch wenn der Gewissenskonflikt, den ihm Galanaki andichtet, Mutmaßung sei, als Stoff findet ihn Weidner einfach "großartig". Fazit des Rezensenten: "Eindringlicher kann die seltsame Identität der modernen Griechen (...) nicht behandelt werden."

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