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Daß er Schriftsteller werden will, weiß dieser junge Mann sehr früh - schon mit zwanzig schreibt er für mehrere Zeitungen. Vor allem aber schreibt er für sich: Tagebuch. Kein strindbergsches Ringen mit sich selbst, kein Hadern mit Gott und der Welt - er blickt um sich, schaut zu und beschreibt. Er will "versuchen, das intellektuell Schwierigste auf dieser Welt zu bewerkstelligen: die Wirklichkeit am Schopfe packen und möglichst lebendig erfassen". Er schreibt ohne jede Rhetorik, spürbar geprägt von der Lektüre Montaignes und Stendhals, ein früher Leser aber auch von Proust. Das graue Heft, in…mehr

Produktbeschreibung
Daß er Schriftsteller werden will, weiß dieser junge Mann sehr früh - schon mit zwanzig schreibt er für mehrere Zeitungen. Vor allem aber schreibt er für sich: Tagebuch. Kein strindbergsches Ringen mit sich selbst, kein Hadern mit Gott und der Welt - er blickt um sich, schaut zu und beschreibt. Er will "versuchen, das intellektuell Schwierigste auf dieser Welt zu bewerkstelligen: die Wirklichkeit am Schopfe packen und möglichst lebendig erfassen". Er schreibt ohne jede Rhetorik, spürbar geprägt von der Lektüre Montaignes und Stendhals, ein früher Leser aber auch von Proust. Das graue Heft, in den Jahren 1918/19 niedergeschrieben, kompositorisch überarbeitet und fast fünfzig Jahre später veröffentlicht, zeigt einen Schriftsteller im Werden: spitze Beobachtungen, Reflexionen, kurze Erzählungen und Porträts. Es ist genau diese lebendige Art Prosa, die Josep Pla (1897 - 1981) neben Mercè Rodoreda zu dem bedeutendsten katalanischen Schriftsteller im 20. Jahrhundert machen wird. Er hat ein riesiges, vielfältiges Werk hinterlassen. Nur das Schreiben dicker Romane war seine Sache nicht; das kommt seinem Tagebuch sichtlich zugute.
Autorenporträt
Pla, JosepJosep Pla (1897 - 1981) hat mit seinem umfangreichen, im Lauf von sechs Jahrzehnten entstandenen Werk die katalanische Literatur des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt. Früh als Journalist tätig, ging er nach einem militärkritischen Artikel ins Exil nach Frankreich und reiste später im Auftrag verschiedener Zeitungen in viele Länder. Bekannt wurde er seinerzeit mit literarischen Reportagen aus Frankreich, Kuba, New York, Israel und der Sowjetunion. Im Rückblick zeigt sich, wie stark seine engere Heimat, das ländliche Katalonien, und deren widerständige Traditionen ihn geprägt und seinen Blick wachgehalten haben. So gilt sein berühmtes Tagebuch Das graue Heft auch als Quintessenz seines schriftstellerischen Werks.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Ein Dichter von Wind und Wetter
Kein Held, aber ein Kind seiner Zeit - der Katalane Josep Pla / Von Walter Haubrich

Dank der Buchmesse, auf der Katalonien diesmal Gastland ist, wurde Josep Pla gleich mit drei Werken ins Deutsche übersetzt. Bisher gab es hier nur zwei Bücher von ihm, über seine beiden berühmten katalanischen Landsleute, Dalí und Gaudí. Seine deutschen Verlage preisen ihn hemmungslos als "besten Erzähler seiner Zeit" und großen Romanautor. Er ist dies ebenso wenig, wie er der "bedeutendste katalanische Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts" ist. Im zwanzigsten Jahrhundert schrieben die besten Romanciers aus Katalonien auf Spanisch, weil das erzwungenermaßen ihre Schul- und Bildungssprache war. Das sind Autoren wie Juan Marsé, Ana María Matute, die Brüder Juan und Luis Goytisolo, Manuel Vázquez Montalbán und Eduardo Mendoza. Aber Pla ist zweifellos ein Verfasser brillanter Essays, Aphorismen, Erinnerungen, Reiseberichte und Landschaftsbeschreibungen.

Der Mainzer Romanist Eberhard Geisler gibt in seinem Nachwort einen Abriss über Plas Leben, vergisst aber gern die Vorliebe des Schriftstellers für ultrakonservative, ja, faschistische Tendenzen. Nicht nur für Mussolini, auch für Hitler hegt er Sympathien, lehnt aber den rassistischen Einschlag im Nationalsozialismus ab. Eine seiner damaligen Thesen: Dem Deutschland der Weimarer Republik - er lebte als Zeitungskorrespondent eine Zeitlang in Berlin - sei nur durch eine harte Hand, also eine Diktatur, zu helfen, da die Deutschen einfach zu sehr an den absoluten Gehorsam gegenüber der Obrigkeit gewohnt seien. Oder: Den Deutschen mangele es an Intelligenz, die deutsche Rasse sei "schlecht".

Gleich nach dem Aufstand spanischer Militärs unter General Franco gegen die gewählte Regierung der Zweiten Republik schloss sich Pla den Aufständischen an. Während des Bürgerkrieges ging er nach Biarritz und dann ins spanische Baskenland, nachdem dieses von Franco-Truppen erobert worden war. Dort lernte er Manuel Aznar kennen, einen Journalisten, der von sich selbst sagt, er sei "die am teuersten vermietete Feder Spaniens". Aznar, übrigens Großvater des gleichnamigen ehemaligen Ministerpräsidenten, hatte damals seine Feder an die faschistische Partei Falange vermietet und schrieb bis zu seinem Lebensende Hymnen auf den Diktator Franco. Er wurde dann zum Vorgänger von Pla als Chefredakteur der großen katalanischen Zeitung "La Vanguardia". Das einflussreichste Blatt Kataloniens ist heute eine der besten Tageszeitungen Europas. Und es stimmt, dass der konservative Regionalist Pla der Regierung Francos nicht linientreu und zuverlässig genug war, und so schickten sie einen Journalisten aus dem Madrider Parteiapparat an die Spitze der "Vanguardia", um diese Zeitung gleichzuschalten. Zu einem Widerstandskämpfer gegen die Franco-Diktatur wurde Pla durch seine Amtsenthebung natürlich nicht.

In der jungen Demokratie nach Francos Tod gab es in Katalonien politische Meinungsverschiedenheiten über Pla. Allerdings war es nicht so sehr die Linke, wie Geisler meint, die Pla seine Sympathie für die Diktatur nicht verzeihen wollte; Josep María Castellet, einer der wichtigsten linken katalanischen Intellektuellen, der die Auswahl aus "Das graue Heft" für die Bibliothek Suhrkamp zusammenstellte, hat Pla mehrmals für den Ehrenpreis der katalanischen Literatur nominiert, wurde aber immer überstimmt. Während die Texte Plas an allen katalanischen Schulen gelesen werden, fällt es gerade den rechten katalanischen Nationalisten schwer zuzugeben, dass ein Meister ihrer Sprache politisch mit den Unterdrückern dieser Sprache zusammenarbeiten konnte. Natürlich hat es unter den Katalanisten auch Befürworter und Nutznießer der Diktatur gegeben.

Pla hat seine Tagebuchnotizen von 1918 und 1919 später überarbeitet und erst 1962 unter dem Titel "El quadern gris" veröffentlicht; es ist also das Werk eines reifen Autors, der auf seine Tagebuchnotizen zurückblickt und sie mit späteren Erkenntnissen und der Weisheit des Alters anreichert. Pla teilt in dem Tagebuch seine Beobachtungen in Barcelona, wo er studiert und im Ateneum zahlreiche Intellektuelle kennenlernt, sowie vor allem aus seinem Heimatstädtchen Palafrugell an der Costa Brava mit. Er erzählt von seiner Familie, seinen Vorfahren, angesehenen Bürgern aus Palafrugell und Umgebung. Viele Eintragungen handeln vom Wetter, vor allem von den bösen und guten Winden an der Costa Brava. Wenige Schriftsteller haben so differenziert mit einem so umfangreichen und variablen Vokabular über Wind und Wetter geschrieben wie Pla auf Katalanisch. Eberhard Geisler hat die eher sensible als brillante Sprache in ein ausdrucksstarkes, originelles Deutsch übertragen.

Zwischen den Menschenbeschreibungen stehen abwägende Reflexionen über den Zustand der Welt und die menschlichen Verhältnisse, aber auch ironische Selbstbetrachtungen. Ironie ist eines der Merkmale der Aphorismen im "grauen Heft". Die Beschäftigung Plas mit katalanischer Literatur wie mit großen Autoren der Weltliteratur - Stendhal, Molière, Goethe, Nietzsche, Tolstoi, Dostojewski und den französischen Moralisten - findet auch ihren Niederschlag. Es ist Heimatliteratur, geschrieben von einem Mann, der die Welt kennt. Pla hat in Paris und Italien gelebt und alle großen europäischen Länder einschließlich der Sowjetunion bereist. Er hat sich gewünscht, dass man sein Tagebuch nicht in einem durchlese, sondern es auf dem Nachttisch liegen habe, um von Zeit zu Zeit hineinzuschauen. So lasse es sich am besten lesen, ähnlich wie Pessoas "Buch der Unruhe".

Aus dem Band "Cinc histories del mar" hat der Berenberg Verlag drei Geschichten ausgewählt und unter dem Titel "Der Untergang der Cala Galiota" veröffentlicht. Pla erzählt darin von eigenwilligen Menschen der Costa Brava, die fast immer auf dem Meer und vom Meer leben, und von einer langen Reise auf einem kleinen Boot, die er als junger Mann an der Küste entlang bis in die französischen Gewässer machte. "Einer aus Begur" ist der Bericht eines Fischers, der von den Deutschen im Ersten Weltkrieg als Lotse eines Unterseeboots angeheuert wird. Die Titelerzählung besteht vorwiegend aus den Gesprächen des Autors mit dem Mann, der sich immer mit "der Vater des Malers Dalí" vorstellt und Notar in Cadaques ist.

"Enge Straße" ist das Werk unter den Büchern Plas, das einem Roman am nächsten kommt. Er habe diesen Roman aus der katalanischen Provinz geschrieben, um sich von seiner anstrengenden Arbeit als Journalist abzulenken. In der Ich-Form hält Pla der Bevölkerung eines Dorfes mit viertausend Seelen einen Spiegel vor und erfährt fast alles aus dem Leben seiner Mitbürger durch seine geschwätzige Köchin. Und er erzählt davon sehr amüsant, mit sanfter, seine Figuren nie verletzender Ironie.

Josep Pla: "Das graue Heft". Tagebuch. Auswahl von J. M. Castellet. Aus dem Katalanischen übersetzt und mit einem Nachwort von Eberhard Geisler. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 250 S., geb., 14,80 [Euro].

Josep Pla: "Enge Straße". Roman aus der katalanischen Provinz. Aus dem Katalanischen übersetzt von Kirsten Brandt. Ammann Verlag, Zürich 2007. 283 S., geb., 22,90 [Euro].

Josep Pla: "Der Untergang der Cala Galiota". Geschichten vom Meer. Aus dem Katalanischen übersetzt von Theres Moser, Petra Zickmann und Angelika Maass. Berenberg Verlag, Berlin 2007. 150 S. geb., 19,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr angetan ist Rezensent Walter Haubrich davon, dass zur Frankfurter Buchmesse 2007 gleich drei Bücher von Joseph Pla ins Deutsche übersetzt wurden. Zunächst aber gibt er uns eine kleine Abhandlung über das Leben des Schriftstellers, der eine "Vorliebe" für "ultrakonservative, ja, faschistische Tendenzen" gehabt habe, was der Übersetzer Eberhard Geisler in seinem Nachwort jedoch "gern vergisst". Die Auswahl aus seinem Tagebuch von 1918/1919, von J.M. Castellet vorgenommen, biete Beschreibungen von Plas Universitätszeit in Barcelona, seiner Heimatstadt Palafrugell und seiner Familie. Aber auch von Lesefrüchten aus dem Füllhorn europäischer Literatur sei im Tagebuch die Rede. Besonders beeindruckt hat den Rezensenten, wie differenziert Pla über "Wind und Wetter" schreiben kann, und er mag Plas "ironische Selbstbetrachtungen". Großes Lob geht auch an die Übersetzung Eberhard Geislers, der Plas Notizen in ein "ausdrucksstarkes, originelles Deutsch" gebracht habe.

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