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In vielen Jahren hat Hans Blumenberg (1920-1996) in der Literatur, der bildenden Kunst und der Philosophie die unterschiedlichsten Löwenbilder und -geschichten gesammelt und sich seine Gedanken dazu gemacht. So auch über die Löwen des Henri Rousseau, die er als "verhinderte" Löwen bezeichnet, denn Rousseau habe das Paradies gemalt. Paradiese aber "sind dadurch definiert, dass in ihnen Löwen am wenigsten das sein können, was sie sind, zugleich aber an ihrem Wesen nicht leiden können. Diesem Paradox genügt das Fehlen des Mediums zwischen den Dingen, das diesen auf Rousseaus Bildern die magische…mehr

Produktbeschreibung
In vielen Jahren hat Hans Blumenberg (1920-1996) in der Literatur, der bildenden Kunst und der Philosophie die unterschiedlichsten Löwenbilder und -geschichten gesammelt und sich seine Gedanken dazu gemacht. So auch über die Löwen des Henri Rousseau, die er als "verhinderte" Löwen bezeichnet, denn Rousseau habe das Paradies gemalt. Paradiese aber "sind dadurch definiert, dass in ihnen Löwen am wenigsten das sein können, was sie sind, zugleich aber an ihrem Wesen nicht leiden können. Diesem Paradox genügt das Fehlen des Mediums zwischen den Dingen, das diesen auf Rousseaus Bildern die magische Unbezüglichkeit gibt: Sie haben keine Atmosphäre und keine Relationen. Darin liegt, allgemeiner als nur für Löwen: Nichts riecht nach etwas und alles schmeckt nach nichts. Deshalb denken Leute, die an nichts Geschmack finden können, so gern an Paradiese, verlorene oder künftige." Der aus dem Nachlass edierte Band umfasst zweiunddreißig Betrachtungen, die Löwen beschreiben, kommentieren u nd ebenso erhellend wie erstaunlich und amüsant in Beziehung setzen. Die Funde reichen vom Prediger Salomo und von Euripides bis zu Thomas Mann, Odo Marquard und - Oskar Lafontaine.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.03.2001

Lesetipp zum Wochenende
Denken bis zum Bankrott
Hans Blumenberg bietet 32 Reflexionen zu „Löwen”
„Da war das Hotel, und es waren die beiden schwarzen Löwen, die davor lagen, und vor denen er sich als Kind gefürchtet hatte. Noch immer blickten sie mit einer Miene, als wollten sie niesen, einander an; aber sie schienen viel kleiner geworden seit damals.” Aber immer wieder, immer noch laden die Löwen von Lübeck zur Mutprobe, und „Tonio Kröger ging zwischen ihnen hindurch”.
„Löwen” heißt das neue Buch des Lübeckers Hans Blumenberg, das eben, ziemlich genau fünf Jahre nach seinem Tod, erschienen ist. Eine Sammlung von 32 Reflexionen, die sich diesem Tier widmen, seinem Auftreten in Literatur und Malerei, in Religion und Politik. Die seine Rolle studieren bei Hieronymus im Gehäus und bei Paulus – der einen getauft haben soll –, seiner Bedeutung nachgehen für die Lafontaines – den alten Jean und den jungen Oskar – und für Feuchtwanger, der den Löwen in seinem Vornamen führt, für Rousseau – Henri, den Maler der erotischen Dschungelfantasien – und Rilke, der dem Löwen den Panther zur Seite stellte, für Max Liebermann und Theodor Fontane – die legendären „Sitzungstage Maltage” mit ihren Gesprächen, an deren Ende der Maler eine Skizze des Autors fertig hatte.
Anekdotisches steht jeweils am Anfang, am Ausgangspunkt dieser Reflexionen, und die Liebe zum Apokryphen gibt den Rhythmus vor. Ein Alterswerk also, in dem in einem Atemzug zugleich erzählt und philosophiert wird. Ein heftiges Misstrauen herrscht, vor der Moral der Geschichten, vor jenem Moralisieren, das der Erzfeind der Moderne ist.
Das Werk eines Löwendenkers. Es sind die unaufhörlichen Kämpfe des modernen Denkens, die in diesem Band ausgefochten werden – gegen die Metapher, gegen die Macht der Symbole. Der Mythos bietet sich an, als Zuflucht in diesem Kampf – die Höhle des Löwen eben. Barthes hat die Strategie angedeutet, auch er hat, als er das Konzept entwickelte für seine Mythologies vom Löwen her argumentiert, mit einem „quia ego nominor leo”, einem ganz und gar beispielhaften Satz, mit dem das Spiel der Bedeutung eröffnet werden konnte: „Doch der entscheidende Punkt bei alledem ist, dass die Form den Sinn nicht aufhebt; sie verarmt, sie entfernt ihn nur, sie hält ihn zur Verfügung .. . Der Sinn ist für die Form wie ein Vorrat an Geschichte, wie ein unterworfener Reichtum, der in raschem Wechsel zurückgerufen und wieder entfernt werden kann.”
Vorrat, Reichtum, Verfügungsmenge ... Hans Blumenberg entwickelt Begriffe als Falle, die unabhängig vom Autor und vom Sujet wirken – das Abwesende fangen für den gleichfalls Abwesenden. Im Zentrum des Bandes findet sich ein kleiner Dialog mit Wittgenstein, der ebenfalls auf den Löwen rekurrierte, als er in seinen „Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik” seinen eigenen legendären „Tractatus” in Frage stellte. Da geht es Wittgenstein um die Möglichkeiten, einen/den Löwen zu denken, und um die Fragen des Widerspruchs, die dabei entstehen und die Arbeit des Philosophen beschwerlich machen, ihn lähmt. Hans Blumenberg sieht das gelassener als der Kollege, der an den eigenen Sprachspielen verzweifelt. „Die Treffsicherheit der Exempla Wittgensteins erreicht an dieser Stelle ihren Glanzpunkt. Der seines väterlichen Erbes freiwillig Entledigte vergleicht mit der von ihm nicht mehr beanspruchten ,Sicherheit‘ des Bankwesens: Was ist das für eine Sicherheit, wenn sie darauf beruht, daß unsere Banken tatsächlich im allgemeinen nicht von all ihren Kunden auf einmal überrannt werden; aber bankrott würden, wenn es doch geschähe?! ... Ich meine: wenn nun wirklich in der Arithmetik ein Widerspruch gefunden würde – nun so bewiese das nur, daß eine Arithmetik mit einem solchen Widerspruch sehr gute Dienste leisten könnte; und es besser sein wird, wenn wir unsern Begriff der nötigen Sicherheit modifizieren, als zu sagen, das wäre eigentlich noch keine rechte Arithmetik gewesen.” Es ist der übersteigerte Perfektionismus, den Blumenberg an Wittgenstein rühmt, „die Passion der Selbstüberforderung”, die die richtigen Philosophen ausmacht – „die am Ende ihrer eigenen Enttäuschungen mit ihren Ansprüchen und aus deren Erfahrung die überzeugendsten Formeln der Resignation als der humanen Variante der Perfektion liefern”.
Die Mutprobe mit den Hotellöwen hat auch der kleine Hans durchgemacht, auf seinen lübschen Schulwegen. Es galt den Löwen zu reiten. „Und was Mutprobe genannt werden mochte, bezog sich nicht auf die Löwennatur und ihren furchterregenden Ausdruck, vielmehr auf die üppig livrierte und betresste Gestalt des Hotelportiers, der die Wächter seinerzeit bewachte ...” FRITZ GÖTTLER
HANS BLUMENBERG: Löwen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2001. Bibliothek Suhrkamp 1336. 118 S., 19,90 Mark.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Wer eigentlich, fragt sich Uwe Justus Wenzel, zeichnet verantwortlich für die Herausgabe dieser Miniaturen? Ja, wer? Die- bzw. derjenige braucht sich jedenfalls nicht zu verstecken, der Rezensent hat nichts, aber auch gar nichts anzumerken, er fragt nur so. Und plaudert ansonsten über die Löwen, die sicht- wie die unsichtbaren, auf die Blumenberg ein Auge hat, "wenn er die Geistes-, Kunst- und Literaturgeschichte wie auch manche andere ... durchstreift", oder sinnt über das Lehrhafte (mit kurzem wie mit langem Zeigestock), das Assoziative, das Entspannende und bisweilen auch Langweilige der versammelten Fabeln nach ...

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