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Die spannende Biographie Gustav Heinemanns. 1949 wurde der Mitbegründer der CDU der erste Innenminister Adenauers, 1969 wurde er als erster SPD-Politiker zum Bundespräsi denten gewählt.
Heinemann war ein Politiker, der Kante zeigte. Im Zweifel stellte er seine Überzeugungen über die Parteiräson. Jörg Treffke widmet seinem von Brüchen gekennzeichneten Leben (Heinemann ging durch fünf Parteien) eine eindringliche, fundierte Darstellung, die auch bisher unbekannte Seiten des umstrittenen und zugleich faszinierenden Politikers in den Blick nimmt, wie beispielsweise seine Rolle im "Dritten…mehr

Produktbeschreibung
Die spannende Biographie Gustav Heinemanns. 1949 wurde der Mitbegründer der CDU der erste Innenminister Adenauers, 1969 wurde er als erster SPD-Politiker zum Bundespräsi denten gewählt.

Heinemann war ein Politiker, der Kante zeigte. Im Zweifel stellte er seine Überzeugungen über die Parteiräson. Jörg Treffke widmet seinem von Brüchen gekennzeichneten Leben (Heinemann ging durch fünf Parteien) eine eindringliche, fundierte Darstellung, die auch bisher unbekannte Seiten des umstrittenen und zugleich faszinierenden Politikers in den Blick nimmt, wie beispielsweise seine Rolle im "Dritten Reich" oder die geheime Finanzierung der von ihm gegründeten Gesamtdeutschen Volkspartei durch die DDR.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2009

Gegen Hitler und gegen Adenauer
Gustav Heinemanns Leben war mehr als eine Wanderschaft zwischen den Parteien

"Als politischer Konvertit" wurde er "zu einem Grenzgänger und einem Wanderer zwischen den Parteien", lautet das Urteil Jörg Treffkes über die politische Vita Gustav Heinemanns, der den meisten als unbequemer, mit der rebellierenden Jugend sympathisierender Bürgerpräsident im Gedächtnis geblieben ist. Der Autor hat keine politische Biographie verfasst - wie der Untertitel des Buches verspricht -, sondern beschränkt sich darauf, dessen Verhältnis zu den fünf Parteien, in denen er sich während seines Lebens engagierte, auszuloten und den Gründen für dessen Parteieintritte und -austritte nachzuspüren. Noch vor der Lektüre fragt man sich, ob dieser Ansatz der Persönlichkeit Heinemanns wirklich gerecht werden kann. Denn zum einen galt dieser, wie der Autor selbst unterstreicht, als "Antityp eines Parteipolitikers", zum anderen war sein politisches Denken und Handeln seit 1930 untrennbar mit seinem Glauben und seinem Einsatz in der evangelischen Kirche verbunden, auf den Treffke jedoch nur am Rande eingeht.

Dass der Marburger Student Heinemann sich 1919 im Alter von 20 Jahren der deutsch-demokratischen Jugendgruppe - einer Untergliederung der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die eine Brücke zwischen liberalem Bürgertum und sozialdemokratischer Arbeiterbewegung zu schlagen versuchte - anschloss, kann auf die politische Sozialisation in seinem Elternhaus zurückgeführt werden. Hier herrschte eine republikanisch-freiheitliche Gesinnung; das Vermächtnis des Urgroßvaters, der sich an der Märzrevolution 1848 beteiligt hatte, wurde in Ehren gehalten. Der Student der Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften arbeitete im Marburger AStA mit und verteidigte als Angehöriger einer Studentenwehr und Volkskompanie die junge Republik gegen Aufstandsversuche von links und rechts. Bereits 1921/22 zog sich Heinemann wieder aus dem aktiven politischen Geschehen zurück, denn er war zur der Erkenntnis gelangt, "dass die parteipolitische Arbeit viel zu sehr bloße Augenblicksarbeit ist", die in einem "Kampf der Schlagwörter" steckenbleibt.

Nachdem der Pfarrer der evangelisch-reformierten Gemeinde Essen-Altstadt Friedrich Graeber dem bisher "religiös unmusikalischen" Heinemann den evangelischen Glauben nahegebracht hatte, wurde dieser 1930 Mitglied des Christlich-Sozialen Volksdienstes, einer dezidiert protestantischen Partei, deren Programm auf den sittlichen Grundsätzen des Evangeliums beruhte und den Kampf gegen das "Diktat" von Versailles mit dem Eintreten für eine sozialreformerische Wirtschafts- und Sozialpolitik verband. Über Heinemanns Tätigkeit in dieser Partei erfährt man jedoch in der Arbeit Treffkes nichts, da keine Dokumente hierzu überliefert sind.

Als große Enthüllung präsentiert der Autor hingegen seinen Fund, dass Heinemann nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Mitglied des Reichsluftschutzbundes, des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen und der NS-Volkswohlfahrt wurde. Dass Heinemann obendrein 1936 zum stellvertretenden Vorstandsmitglied und Bergwerksdirektor der Rheinischen Stahlwerke befördert wurde, genügt Treffke, um Heinemann in einem Atemzug mit Kurt Georg Kiesinger, Hans Globke, Hans Filbinger und Karl Carstens zu nennen. Das vermag nicht zu überzeugen, denn der NS-Juristenorganisation entzog sich - wie der Autor selbst einräumt - nur eine verschwindend geringe Anzahl von Anwälten, und die NS-Volkswohlfahrt war ein Feigenblatt, durch das man der Parteimitgliedschaft entgehen konnte. Globke hingegen hatte sich als Mitverfasser eines Kommentars zu den Nürnberger Gesetzen an der bürokratischen Stigmatisierung der Juden beteiligt, und Filbinger hatte als Marinerichter noch kurz vor Kriegsende Todesurteile gefällt.

Treffke äußert zudem den Vorwurf, dass sich die Opposition der Bekennenden Kirche, zu deren engerem Führungskreis Heinemann zählte, nur gegen die sich in den Dienst des nationalsozialistischen Systems stellenden "Deutschen Christen" richtete, nicht aber gegen die NS-Machthaber. Dabei übersieht er, dass die Bekennende Kirche zu einer Widerstandsbewegung wider Willen wurde, dass Heinemann seine Solidarität mit entlassenen und verhafteten Pfarrern bekundete und schließlich 1938 seine Ämter in der Bekennenden Kirche niederlegte, weil diese nicht bereit war, sich als Freikirche zu konstituieren, sondern sich "fremder Botmäßigkeit" unterstellte.

Die Mitbegründung der CDU durch Heinemann 1945 war eine bewusste Entscheidung für eine christlich-demokratische Bewegung in einer Zeit, als die SPD noch als kirchenfeindlich galt und die Rückbesinnung auf christliche Werte dem für das NS-Gewaltregime mitverantwortlich gemachten Erosionsprozess der Moderne Einhalt zu gebieten schien. Der Präses der Synode der EKD focht für einen Sozialismus aus christlicher Verantwortung und wurde dadurch schon vor 1950 zu einem Widerpart Konrad Adenauers, der ihn 1949 widerwillig als Bundesinnenminister in sein Kabinett aufnahm, weil ein Stimmenfänger für den evangelischen Teil der Bevölkerung gebraucht wurde. Heinemann trat bereits im Oktober 1950 von seinem Amt zurück, nachdem Adenauer, ohne das Kabinett zu informieren, den Alliierten eine Beteiligung deutscher Divisionen an einer europäischen Armee angeboten hatte. Er fürchtete, dass eine westdeutsche Wiederaufrüstung einen Präventivkrieg der Sowjetunion und einen deutsch-deutschen Bruderkrieg auslösen könne.

Die von Heinemann 1952 mitbegründete Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP), die eine vor allem von protestantisch-kirchlichen Kreisen getragene Zweckpartei zur Verwirklichung der deutschen Einheit war, erhielt bei der Bundestagswahl 1953 nur 1,2 Prozent der Stimmen. Das Wahlbündnis, das die GVP mit dem von der DDR finanzierten und gesteuerten Bund der Deutschen (BdD), an dessen Spitze der frühere Reichskanzler Joseph Wirth und Wilhelm Elfes standen, einging, trug mit zu dem Wahldesaster bei, denn seine Gegner konnten Heinemann nun als "bezahlten Sprecher Sowjetrusslands" verunglimpfen.

Auch Treffke meint, dass Heinemann sich in die Abhängigkeit der DDR-Machthaber begeben habe, da die GVP vom BdD und sehr wahrscheinlich auch von der KPD Geld erhalten habe. Dass der BdD der GVP Geld zukommen ließ, ist nicht neu, wie Treffke glauben machen will. Heinemann hatte dies zugegeben, aber bestritten, Geld von der KPD erhalten zu haben, was zutreffend sein dürfte, denn die KPD-Abgeordnete Grete Thiele, die laut Treffke die GVP finanziell unterstützt haben soll, hatte eine maßgebliche Rolle beim organisatorischen und finanziellen Aufbau des BdD gespielt. Im Übrigen lässt der Autor unerwähnt, dass die SED-Politik auf eine Vernichtung der GVP und Heinemanns, der sich den vom BdD vertretenen SED-Forderungen erfolgreich entgegenstellte, zielte. Heinemann, der nach 1953 als toter Mann galt, gelang in der SPD, der er 1957 beitrat, sehr schnell der Wiederaufstieg, den er nicht nur seiner spektakulären Bundestagsrede vom 23. Januar 1958, in der er mit Adenauer in scharfer Form abrechnete, verdankte, sondern auch dem Wunsch der SPD nach einer Öffnung gegenüber bürgerlich-protestantischen Kreisen. Während der Autor ausführlich auf das Selbstverständnis und die Programmatik der SPD eingeht, umfasst das Kapitel über Heinemanns Wahl und Amtszeit als Bundespräsident (1969 bis 1974), das in Anlehnung an ein Aperçu Heinrich Bölls die Überschrift "Ein Radikaler im öffentlichen Dienst" trägt, nur 17 Seiten. Denen kann man kaum entnehmen, warum Böll den Präsidenten dafür loben konnte, dass er das "deutsche Geschichtsverständnis, das deutsche Bewusstsein, die deutsche Selbstgefälligkeit bis auf die Wurzeln" bloßgelegt habe.

PETRA WEBER

Jörg Treffke: Gustav Heinemann. Wanderer zwischen den Parteien. Eine politische Biographie. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2009. 367 S., 39,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nein, eine politische Biografie, wie der Untertitel glauben machen will, ist das Buch von Jörg Treffke nicht geworden, warnt uns Petra Weber. Treffkes Vorgehen, Gustav Heinemanns Verhältnis zu den fünf von ihm unterstützten Parteien herauszuarbeiten, hält sie für fragwürdig. Ob der Autor der Persönlichkeit Heinemann auf die Art gerecht wird, bezweifelt sie, auch weil Treffke Heinemanns für sein politisches Handeln bedeutsame Verbindung zur evangelischen Kirche kaum behandelt. Kritisch sieht Weber auch den ambitionierten Versuch des Autors, den späteren "Bürgerpräsidenten" in die Riege Kiesinger, Globke, Filbinger zu stellen. Heinemanns Beitritt zum Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, findet Weber, ist jedenfalls kein Alleinstellungsmerkmal. Das Kapitel über Heinemanns Zeit als Bundespräsident schließlich sagt für Weber zu wenig aus über Heinemanns Qualitäten als "Radikaler im öffentlichen Dienst" (Böll).

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