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Manche Diagnosen sind niederschmetternd, machen hilflos, lösen Todesangst aus.
"Was geschieht jetzt mit mir?", fragen die Kranken. Die Antwort müssen sie sich selber geben. So formuliert es Sibylle Herbert, die die Erfahrung machte, dass Krebs haben auch heißt: Fragen stellen, die niemand beantworten will; mit der Krankenkasse verhandeln; um Einsicht in die eigene Akte kämpfen; aufpassen, dass die Chemo-Infusion richtig steckt und das richtige Medikament in die Vene fließt; die eigene Strahlentherapie organisieren, zur Kenntnis nehmen, dass die eine Hand im Medizinbetrieb nicht weiß, was…mehr

Produktbeschreibung
Manche Diagnosen sind niederschmetternd, machen hilflos, lösen Todesangst aus.

"Was geschieht jetzt mit mir?", fragen die Kranken. Die Antwort müssen sie sich selber geben. So formuliert es Sibylle Herbert, die die Erfahrung machte, dass Krebs haben auch heißt: Fragen stellen, die niemand beantworten will; mit der Krankenkasse verhandeln; um Einsicht in die eigene Akte kämpfen; aufpassen, dass die Chemo-Infusion richtig steckt und das richtige Medikament in die Vene fließt; die eigene Strahlentherapie organisieren, zur Kenntnis nehmen, dass die eine Hand im Medizinbetrieb nicht weiß, was die andere tut.

Dies ist das erste Buch, das Schritt für Schritt durch die Behandlungsstufen einer Krebserkrankung führt und zeigt: das kommt wirklich auf Sie zu.

Es ist aber auch das erste Buch - und das ist sensationell -, in dem eine Patientin und ihre behandelnden Ärzte wirklich miteinander sprechen und bereit sind, offen zu legen, was sie denken, wie sie fühlen, wo ihre Grenzen sind und wo unser Gesundheitssystem skandalös unzureichend ist.


Sibylle Herbert ist nicht nur Patientin, sie ist auch Journalistin. Ihre eigene Erkrankung wird zum Ausgangspunkt einer gnadenlosen Recherche: Was erwartet einen kranken Menschen im deutschen Gesundheitssystem? Und wie kommt man zur bestmöglichen Behandlung? Wie kommt man überhaupt zu der Behandlung, die man braucht?

Sibylle Herbert führt ihre Leser Schritt für Schritt durch die Stufen einer Krebstherapie, informiert über das, was keiner einem sagt. Ihre Recherche bringt schockierende Missstände im deutschen Gesundheitswesen zutage. Und noch mehr: Zum ersten Mal kommentieren Ärzte die Krebsbehandlung und das Gesundheitssystem hier aus ihrer Sicht - zusammen mit ihrer Patientin, anhand einer konkreten Therapie.
Autorenporträt
Sibylle Herbert wurde 1956 in Köln geboren. Ihre journalistische Laufbahn begann 1981 beim WDR. Heute ist sie politische Redakteurin beim Hörfunk. Schwerpukt ihrer journalistischen Tätigkeit ist u. a. die Sozialpolitik. Sibylle Herbert wurde bisher mit drei Journalistenpreisen ausgezeichnet. Sie lebt in Köln und hat zwei Töchter.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2005

Aufschrei gegen die Routinen der Einsilbigkeit
Ein Buch für den Krankheitsfall: Sibylle Herbert schildert im Selbstexperiment, warum Ärzte und Patienten aneinander vorbeireden

Trotz immer neuer besorgter Nachfragen hatte der Radiologe Sibylle Herbert, der Autorin dieses Buches, immer wieder versichert, daß die kleine Verhärtung in ihrer Brust keine Bedeutung habe. Und plötzlich war er sich doch unsicher. Andere Ärzte lassen später durchscheinen, daß er sich auch in Fällen dieser Art als Radiologe nicht hätte festlegen dürfen. Da liegt, weit vor allen rechtlichen Fragen der Fahrlässigkeit, ein gravierendes moralisches Problem. Denn natürlich ist Medizin keine Naturwissenschaft und jeder Patient ein Einzelfall, natürlich kann nicht jeder Mediziner in allen Gebieten sich gleichermaßen auskennen, natürlich kann die avancierteste Forschung nicht sofort jedem Landarzt zur Verfügung stehen. Es gehört zum Begriff der Diagnose, daß sie fehlbar ist. Andererseits gehört es auch zum Begriff von Handeln, daß man seine Sache so gut wie möglich macht. Auf einen Klempner, der Abflußrohre ohne Gefälle einbaut, auf einen Journalisten, der eine Informantenaussage nicht überprüft hat, reagieren wir mit Empörung.

Die ganz und gar nicht leicht zu beantwortende Frage ist freilich, was man verlangen kann. In heikleren Fragen läßt sich das wohl nur durch Leute vom Fach beurteilen. Aber wer Ärzte in seinem Bekanntenkreis hat, wird immer wieder hören, daß man von diesem Krankenhaus in letzter Zeit nichts Gutes erfährt, daß man sich in jener Abteilung bloß nicht vom Chef operieren lassen dürfe, daß der oder jener Allgemeinmediziner zum wiederholten Male eine Blinddarmentzündung nicht rechtzeitig erkannt hat. Offenbar sind nicht alle etwas schlampig, sondern einige richtig schlecht, und der Außenstehende fragt sich, warum die berufsgruppeneigenen Selbstkontrollmechanismen da nicht greifen und ob nicht die neuen Möglichkeiten der Datenverarbeitung stärker genutzt werden könnten.

Über die Fehldiagnose indes beschwert sich die Autorin gar nicht weiter. Auch sonst ist sie mit dem Medizinischen an der Medizin keineswegs unzufrieden, und tatsächlich geht die Operation ja auch besser aus als erwartet. Wogegen sie Seite für Seite Ausruf über Ausruf schleudert, sind die Ärzte und Pfleger, durch die sie sich, etwas paradox, gleichzeitig bevormundet und allein gelassen fühlt. "Ich beginne zu begreifen, wie Krankenhausalltag und Hochleistungsmedizin funktionieren. Allmachtsanspruch und Unterwerfung, Nichtinformation und Gängelung. Und all das mit dem Anspruch, mir zu helfen." "Ich habe zum ersten Mal Krebs. Habe ich zu hohe Ansprüche?" "Nie hätte ich mir träumen lassen, daß man bei einer solchen Diagnose sich auch noch seine eigene Behandlung organisieren muß."

An der Kritik ist sicher etwas dran. Oft genug finden Ärzte nicht die richtige Sprache, um Medizinisches zu erklären, oder empfinden das Erklären überhaupt als nutzlose Last. Oft genug stockt zwischen den verschiedenen an der Behandlung beteiligten Stellen der Informationsfluß, und um so mehr fehlte es an jemandem, der dem Patienten die Abfolge der Schritte erläutert. Andererseits betreibt die Autorin, die sich doch laut über Entmündigung beklagt, in eklatantem Maße eine Selbstentmündigung, wenn sie darüber empört, nach Adressen oder Krankschreibungen auch noch fragen zu müssen. Daß die Behandelten im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ihre Behandlung mitverantwortlich sind, auch aus eigener Initiative sich erkundigen können, ist kein maßloses Ansinnen. "Ich knüpfe mir mein eigenes Netzwerk, weil die Uniklinik keines bietet." Aber genau mit Internetrecherche und Kontaktsuche wird die Autorin auf der Höhe ihrer Fähigkeiten selber für ihr Wohl tätig. Sie eignet sich sozusagen ihre Krankheit an. Das Argument kann man natürlich übertreiben, zumal wenn der Patient die Erfahrung machen muß, daß seine Bereitschaft zu eigenständiger Informationssuche vom Klinikpersonal eher als Querulantentum und Quertreiberei aufgefaßt wird, jedenfalls keinerlei Ermunterung und Unterstützung erfährt. Man sollte sich nur auch vor Augen führen, daß die Vorstellung totaler Betreuung nicht schrankenlos attraktiv ist.

"Ob die Mitarbeiter glauben, das Leben der Krebskranken bestehe nur aus Warten, Hinnehmen, Mit-sich-machen-Lassen? Ob sie überhaupt einen Gedanken darauf verschwenden? Oder ist es Teil der ritualisierten Unterwerfung?" "Ich werde von diesem Mann gelebt, ich werde komplett von ihm fremdbestimmt", "ob ihm bewußt ist, wie sehr er in meinen Alltag hineinregiert?" "Die Auskünfte der Ärzte sind für mich genauso beliebig wie die Interpretationen eines Kafka-Romans." Zweifellos sind diagnostische Probleme dem Fachfremden nicht leicht zu vermitteln. Und allzuoft wird, wie gesagt, auf Station noch nicht einmal der Versuch dazu unternommen. Nicht selten flüchtet sich das Personal aus Furcht vor Haftungsansprüchen in die Routine der Einsilbigkeit. Ja, es ist höchst ärgerlich, daß Patienten mit dem Personal um Akteneinsicht streiten müssen. Andererseits hat die Autorin trotz mehrfacher Belehrung offenbar nicht das Prinzip der Unabhängigkeit von Medizin und Pflege begriffen. Und sicher fehlt es in der Eile des Geschäfts oft an der Sensibilität für die Schamgefühle, für die Privatsphäre der Patienten. "Die Hölle ist die Routine, die Fließbandatmosphäre, das Gefühl, Teil eines ritualisierten Reparaturbetriebs zu sein." Um so weniger freilich sollte die Entwürdigung mit Beleidigungen beantwortet werden. "Er arbeitet in einem Apparat. Er ist Täter und Opfer des Medizinbetriebs." Daß jemand, der beruflich mit Sprache umgeht, sich über den bösen Beiklang solcher Sätze im klaren ist, darf man genauso erwarten, wie daß ein Arzt einen Patienten nicht unnötig nackt herumstehen läßt.

Eine wirklich gute Idee dagegen war es, den Selbsterfahrungsbericht mit Stellungnahmen der anderen Seite zu durchsetzen. Sie gehen auf Interviews zurück, die die Autorin mit fast allen Beteiligten geführt und dann zu zusammenhängenden Texten verarbeitet hat. Ohne Eingriffe in denunziatorischer Absicht ist es dabei kaum abgegangen. So direkt wird sich kein Arzt als Technokrat bezeichnen oder seine Lust an der Macht über den Patienten gestehen. Aber man erfährt doch eine ganze Menge über die alltäglichen Nöte von Medizinern, wie sehr ihnen die Zeit fehlt, ihren eigenen Ansprüchen zu genügen, wie sehr sie unter der Bürokratie, unter dem ständigen Personalwechsel leiden, wie sehr sie sich eine bessere Verzahnung der beteiligten Stellen und mehr Rückmeldungen wünschen. Vor allem aber werden die Stellungnahmen bis hin zu Korrespondenzen der Wortwahl so gegen den Haupttext montiert - eine Stärke des Buches -, daß sich der Leser, wie in der Polyperspektivik des aufklärerischen Briefromans, ein eigenes Urteil bilden muß und kann. Da sieht man dann, daß die Ärzte die Patientin sehr wohl genau wahrgenommen haben und mit ihren scheinbar schematischen Handlungen wohlüberlegte Absichten verfolgten. Während die Patientin sich über Warterei und Unsicherheit beschwert und darüber, daß das alles fast ein Jahr gedauert hat, hält es der Arzt für wichtig, daß ein Krebskranker sich Zeit nimmt. Während die Patientin sich bevormundet fühlt, verteidigt der Arzt seinen massiven Druck, weil erfahrungsgemäß an diesem wichtigen Punkt viele schwach werden. Während die Patientin sich über die unsicheren Auskünfte beschwert, gibt der Arzt an, es richtig zu finden, daß sie mehrere Meinungen einholt.

Wir erfahren von den Schwierigkeiten des Arztes, herauszuhören, was der Patient wirklich wissen will und verarbeiten kann. Es gelte die "Überforderung des Patienten mit Informationen zu vermeiden". "Sie hören gar nicht zu. Man erzählt und erklärt, und sie behalten und wissen nichts." Eine zweite Auskunft verunsichert fast immer, sie bringt "todsicher nicht das gleiche". Im übrigen sind zwei Überlegungen gewiß wahr: "Eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Arzt und Patient ist fast immer eine Fiktion. Schon deshalb, weil ich einen Wissensvorsprung habe." Daß dieser Wissensvorsprung, soweit er sich nicht in subjektiv befriedigende Aufklärung umsetzt, für den Patienten wiederum wie eine Entmündigung wirken kann, wie ein ohnmächtiges Ausgeliefertsein in einem fensterlosen Apparat - in dieser Feststellung schließt sich der Kreis des Buches.

Der Leser wird ausdrücklich in Kenntnis gesetzt, daß die Autorin eine Psychotherapie begonnen und sich von ihrem Mann getrennt hat. Das sind Dinge, die einen im einzelnen nichts angehen, und deshalb ist es gut, daß es bei der Inkenntnissetzung bleibt. Der extremen Diskrepanz zwischen Arzt- und Patientensicht ist allerdings kaum beizukommen, ohne zumindest ganz allgemein zwei psychologische Einsichten heranzuholen. Zum einen liegt in jeder Krankheit eine (narzißtische) Kränkung. Sie wird um so stärker ausfallen, je mehr der Kranke, wie die Autorin es von sich und die Ärzte von ihr betonen, den Anspruch besaß, sein Leben im Griff, die Dinge unter Kontrolle zu haben. Zum anderen ist die Lage, als Kranker behandelt zu werden, eine Lage, die wie allenfalls die Liebe zu Übertragungen - und natürlich Gegenübertragungen - einlädt. Die Autorin spricht im übrigen an einer Stelle selber von "übertragen". Und sie gibt als Ziel ihres Schreibens an, was man als letztes Ziel jeder Psychoanalyse ansehen kann, den Erwerb der Fähigkeit, mit Ambivalenzen umzugehen. "Ich will meinen Zorn loswerden, meinen stummen Schreien endlich Laut geben. Ich will abrechnen und gleichzeitig Frieden schließen. Der Krebs ist widersprüchlich, die Behandlung ist widersprüchlich, die Beziehung zu meinem Arzt ist es auch."

Diese Dinge gehen einen, wie gesagt, nichts an. Andererseits müssen sie ausgesprochen werden, weil das Buch als eine Abrechnung mit dem Gesundheitswesen daherkommt und doch in Wahrheit eine Abrechnung mit dem eigenen Leben ist. Wenn man fest im Auge behält, daß jede Krankheit ein Übel ist, kann man im Anstoß zu solchen Selbstbetrachtungen die Chance sehen, die in der Krankheit auch liegt.

GUSTAV FALKE

Sibylle Herbert: "Überleben Glückssache". Was Sie als Krebspatient in unserem Gesundheitswesen erwartet. Scherz Verlag, Frankfurt am Main 2005. 319 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein "Buch für den Krankheitsfall" sieht Rezensent Gustav Falke in Sibylle Herberts Bericht "Überleben Glückssache", in dem die Autorin ihre Erfahrungen als Krebspatientin festhält. Herbert kritisiere Allmachtsanspruch, Nichtinformation, Gängelung und das Routineverhalten der Ärzte. Sie habe sich von Ärzten und Pflegern bevormundet und allein gelassen gefühlt. Herberts Kritik scheint Falke in vielen Punkten gerechtfertigt, in manchen überzogen. Zugleich wirbt er für Verständnis für die Ärzteschaft, deren Seite er differenziert darstellt. Zu den Stärken des Buches zählt er in diesem Zusammenhang, dass die Autorin ihren Bericht mit Stellungsnahmen der anderen Seite durchsetzt, die auf Interviews mit den Beteiligten zurückgehen. Zwar findet Falke auch hier "Eingriffe in denunziatorischer Absicht". So direkt wie bei Herbert werde sich kein Arzt als Technokrat bezeichnen oder seine Lust an der Macht über den Patienten gestehen. Aber man erfahre auch eine ganze Menge über die alltäglichen Nöte von Medizinern, wie sehr ihnen die Zeit fehlt, ihren eigenen Ansprüchen zu genügen, wie sehr sie unter der Bürokratie, unter dem ständigen Personalwechsel leiden, wie sehr sie sich eine bessere Verzahnung der beteiligten Stellen und mehr Rückmeldungen wünschen.

© Perlentaucher Medien GmbH