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Dieses Buch nennt sich selbstbewusst «Roman». Dabei heißt der Ich-Erzähler wie der Autor. Er weist auch gewisse biographische Gemeinsamkeiten mit diesem auf, aber was er vom Stapel lässt, ist so haarsträubend, voller irrer Zufälle, identitätenverbiegend, dramatisch und unernst, dass man nur folgern kann: Das ist nicht das wahre Leben, das ist Quatsch. Oder Literatur, eine wilde Räuberpistole, mit Doppelgänger, geheimen Botschaften (Schlüssel, Schließfach, heikle Polaroids, USB -Stick), einer erotischen Obsession (Vorabendserien-Diva Anja Kruse) und einem Toten im Kleiderschrank. Doch der…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch nennt sich selbstbewusst «Roman».
Dabei heißt der Ich-Erzähler wie der Autor. Er weist auch gewisse biographische Gemeinsamkeiten mit diesem auf, aber was er vom Stapel lässt, ist so haarsträubend, voller irrer Zufälle, identitätenverbiegend, dramatisch und unernst, dass man nur folgern kann: Das ist nicht das wahre Leben, das ist Quatsch. Oder Literatur, eine wilde Räuberpistole, mit Doppelgänger, geheimen Botschaften (Schlüssel, Schließfach, heikle Polaroids, USB -Stick), einer erotischen Obsession (Vorabendserien-Diva Anja Kruse) und einem Toten im Kleiderschrank.
Doch der Erzähler fährt sich immer wieder selbst in die Parade, verliert sich in intimen Bekenntnissen, Aufzählungen, Abschweifungen, reflektiert über Kunst und über Hochstapler in der Kunst; und immer wenn er es wirklich zu bunt treibt, schaltet sich ein ziemlich unsympathischer Lektor ein, um ihm den Marsch zu blasen und klarzustellen, was gerade geht auf dem Buchmarkt: Sogleich beginnt der Erzähler folgsam einen brutalen Thriller, um nach ein paar Absätzen doch wieder in eine völlig andere Richtung zu preschen, denn dieses phantastische Buch tut vieles - es verwirrt, reizt zum Lachen und zum Nachdenken, blendet durch Virtuosität, unterhält aufs Köstlichste -, aber brav eine Geschichte erzählen, das tut es nicht.
Autorenporträt
Tex Rubinowitz, geboren 1961 in Hannover, lebt seit 1984 als Witzezeichner, Maler, Musiker und Schriftsteller in Wien. 2014 erhielt er den Bachmann-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.03.2017

KURZKRITIK
Saftlos
Igitt: Tex Rubinowitz
lernt von Madonna
Tex Rubinowitz heißt der Erzähler von Tex Rubinowitz’ neuem sogenannten Roman „Lass mich nicht allein mit ihr“. Er ist selbst verkappter Romanautor, zudem Drehbuchschreiber mit ausgeprägtem Faible für die Schauspielerin Anja Kruse – bekannt unter anderem aus der TV-Serie „Forsthaus Falkenau“. Dieser Erzähler-Rubinowitz steckt in einer Schaffenskrise, führt lange Gespräche mit seinem Lektor, macht sich über Sascha Lobo und Daniel Kehlmann lustig und weiß überdies, wo man in Berlin besser kein Bier trinkt.
Er lässt Musikkritiken des Autors Tex Rubinowitz in seinen Textfluss einfließen, begegnet schließlich der verehrten Frau Kruse und auch seinem eigenen Doppelgänger. Der heißt allerdings Abdul und stranguliert sich selbst, wie es derzeit in deutschen Romanen immer häufiger vorkommt, beim Masturbieren, und zwar in Kruses Kleiderschrank.
Wie bitte? Postmodernes Wechselspiel zwischen Fiktion und Realität, gepaart mit ausgeprägter Pop-Attitüde? Wie ausgelutscht ist das denn? Bis zum Geht-nicht-mehr, würde Rubinowitz sicher zugeben, doch halt, er schreibt es sogar ständig selbst. Du hast nichts zu erzählen, bekommt sein Held allenthalben an den Kopf geworfen, aber dieses Nichts-zu-sagen-Haben scheint doch ungeheuer mitteilenswert zu sein: „Da konnte ich ja auch gleich über mich selbst schreiben oder mich, igitt, neu erfinden, wie Madonna sich ja auch immer neu erfindet, wer weiß denn schon, ob sie nicht nächstes Jahr ein Entsafter ist?“
Warum Sie diesen Schwall altbackener Nichtigkeiten und lahmer Witzchen lesen sollten, muss Ihnen auch jemand anderer verraten.
TOBIAS LEHMKUHL
Tex Rubinowitz: Lass mich nicht allein mit ihr. Roman. Rowohlt Verlag, Hamburg 2017. 288 Seiten, 19,95 Euro. E-Book 16,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2017

Geständnisse eines Donnerclowns
Tex Rubinowitz macht in "Lass mich nicht allein mit ihr" etwas aus fast nichts

"Habe ich etwas zu sagen? Ich habe es nicht, es ist alles nicht der Rede wert, ich kann nur, nun ja, Worte nebeneinanderstellen, unreflektiert, geplant ist da gar nichts, es passiert, ich laufe gewissermaßen aus." So versickerte Tex Rubinowitz in seinem ersten Roman "Irma". In seinem zweiten passiert, wie aus den Gutachten seiner Lektoren hervorgeht, ähnlich Nichtssagendes: "Ich sehe da keine Handschrift und keine Relevanz." Rubinowitz habe nichts zu erzählen, er könne nur an das bisschen Erlebte und Nacherzählte metafiktionalen "Stuck ranklatschen", das "Nichtvorhandene mit glitschigen Gehirnkapriolen verbrämen, um sein zerknülltes Ego zu retten". Kein Wunder, dass niemand ihm folgen könne oder wolle: Immer nur Perspektivwechsel, postmoderne Identitätsdekonstruktionen, selbstreflexive Klugscheißerei, das nervt. "Mach doch endlich mal etwas richtig! Führ doch mal eine Sache zu Ende!" Allerdings macht der Autor auch keinen Hehl daraus, dass er Logik für langweilig und Unsinn machen für seine eigentliche Mission hält.

Was der Wahlwiener Tex Rubinowitz, bürgerlich: Dirk Wesenberg aus Hannover, in "Lass mich nicht allein mit ihr" zu erzählen hat, wirkt selbst für Freunde seines exzentrischen Humors unfertig und abgerissen: Fragmente des Romans "Der Donnerclown", metafiktional verzettelt, Bruchstücke seiner Autobiographie, verfremdet oder frei erfunden wie beim Kollegen Thomas Glavinic, höfliche Glossen wie von Max Goldt, Reisenotizen aus London, Listen für Pophistoriker (die besten Doo-Wop-Ensembles mit C, die Top 5 der Prefab-Sprout-Platten, alle Filme mit Plastiktüten-Suiziden), Listen seiner Krankheiten vom Gesichtsekzem bis zur Dupuytrenschen Kontraktur, Kalauer und idiotische Witze. "Das bekannte englische Sprichwort ,An apple a day keeps the doctor away' könnte man fortsetzen mit: aber nur, wenn man genau zielt."

Rubinowitz empfiehlt aus dem reichen Fundus seines enzyklopädisch-apokryphen Halbwissens Popgruppen wie die Cocteau Twins oder Michael Hanekes Remake eines belgischen Lesbenvampirfilms von 1971. Er referiert weithin übersehene Details der Kinogeschichte wie die Altersgleichheit von King Kong und Karlheinz Böhm und unterteilt das Werk seiner Lieblingsband Abba in eine Phase vor und eine nach der Schließung der Zahnlücke von Vorsängerin Agnetha. Am liebsten aber kolportiert er Fake News und indiskreten Klatsch aus dem Kulturbetrieb: Daniel Kehlmann muss an Waschpulver schnüffeln, um schreiben zu können; der "Gullysultan" Max Moor sieht nicht nur aus wie Kastenbrot, sondern ist auch eins. Sascha Lobo, die "pataphysische Repetitionsmaschine", plappert wie ein Kakadu allen alles nach, auch sich selbst. "Loben lohnt nicht die Aufmerksamkeit, Hassen ist das Hartgeld des Artikulationsprekariats." Nur auf Anja Kruse, diese "elektrisierende Kombination aus Schneewittchen und Cyborg", lässt Rubinowitz nichts kommen: Die Göttin von Vorabendserien wie "Forsthaus Falkenau" ist Objekt seines literarischen Begehrens und seiner feuchten Träume.

Von einem Plot, gar von einem wahren Leben außerhalb popkultureller Referenzen und Insider-Witze kann natürlich keine Rede sein. Nach längerem Herumstolpern im Nebel seiner Ratlosigkeit lässt der Autor sich von seinen Lektoren und Über-Ichs breitschlagen, eine Art pataphysischen Krimi um sein Alter Ego herum zu konstruieren: Abdul, Drehbuchautor bei der Filmproduktionsfirma Okay-Film, kommt bei autoerotischen Praktiken im Kleiderschrank von Anja Kruse zu Tode; sein Freund Tex pirscht sich unter allerlei Vorwänden an die Diva heran. Im Idealfall würde sie ihren Stalker verklagen, aber dazu ist die Story um Vertraulichkeiten beim Lasagne-Essen zu abstrus und zu harmlos. Anja Kruse ist keine "Esra", nicht einmal "Irma", nur spätpubertäre Schwärmerei mit hohem Trash-Faktor.

Tex Rubinowitz kann mehr, zum Beispiel verschwenderisch beiläufig Bonmots und feingedrechselte Sentenzen über seine Suada streuen: "Als ich heute morgen aufwachte, fühlte ich mich wie der erste Satz in einem Roman." Er hasst Koinzidenzen, aber er hat immer eine parat; das Füllhorn seiner Sentenzen und Beleidigungen ist unerschöpflich. Kenner seines Werks munkeln allerdings (und der Autor gibt es gelegentlich selbst freimütig zu), dass auch Auto- und Fremdplagiate darunter sind.

280 Seiten Witze, Konfabulationen und Assoziationen ohne Substanz, Struktur und Pause können ermüden. Rubinowitz hat sich mit fröhlicher Selbstkritik immunisiert, und das versöhnt wieder mit dem grundsympathischen Donnerclown: "Ich bin der schwache Hirte, dem kein Tier folgen mag, wenn er zur Müllhalde geht auf der Suche nach Verwertbarem."

MARTIN HALTER

Tex Rubinowitz: "Lass mich nicht allein mit ihr".

Roman.

Rowohlt Verlag, Hamburg 2017. 288 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ein todkomisches, klug verschachteltes Stück Literatur über Literatur. Berliner Morgenpost