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Weggehen hieß bei Bonaparte wiederkehren - so ist es immer gewesen. Doch diesmal bleibt Bonaparte verschwunden. Und sie muss sich fragen, ob nur die obsessive Liebe zum Roulette es war, die sie miteinander verband? Julia Schoch erzählt von einer ungewöhnlichen Leidenschaft, messerscharf und doch poetisch. Bonaparte, notorischer Spieler und ihr Geliebter, ist weg. Immer wieder musste sie sich auf seine Abwesenheit einstellen. Doch diesmal ist es anders- zögerlich zunächst, aber auch beharrlich geht sie seinem Verschwinden nach, hinterfragt ihre Liebe und das, was sie mit ihm verbindet. Während…mehr

Produktbeschreibung
Weggehen hieß bei Bonaparte wiederkehren - so ist es immer gewesen. Doch diesmal bleibt Bonaparte verschwunden. Und sie muss sich fragen, ob nur die obsessive Liebe zum Roulette es war, die sie miteinander verband? Julia Schoch erzählt von einer ungewöhnlichen Leidenschaft, messerscharf und doch poetisch. Bonaparte, notorischer Spieler und ihr Geliebter, ist weg. Immer wieder musste sie sich auf seine Abwesenheit einstellen. Doch diesmal ist es anders- zögerlich zunächst, aber auch beharrlich geht sie seinem Verschwinden nach, hinterfragt ihre Liebe und das, was sie mit ihm verbindet. Während sie als Fotografin ihre Arbeit macht und ostdeutsche Landschaften ins Visier nimmt, tastet sie nach den verborgenen Fäden in die Vergangenheit. Ist mit dem gemeinsamen Glücksspiel auch ihre Liebesgeschichte verlorengegangen?Vor dem Stillstand, der sie erfasst, vermag sie einzig die Leidenschaft zu retten.»Selbstporträt mit Bonaparte« ist ein ebenso knapper wie präziser Roman über die Liebe und die allumfassende Macht der Unbeständigkeit.
Autorenporträt
Julia Schoch, 1974 in Bad Saarow geboren, lebt nach Aufenthalten in Bukarest und Paris als freie Autorin in Potsdam. Für ihr von der Kritik hoch gelobtes Erzähldebüt »Der Körper des Salamanders« wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderen dem Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises und des Annette-von-Droste-Hülshoff-Preises. Für ihre Übersetzung von Georges Hyvernauds "La peau et les os" erhielt sie 2010 den André-Gide-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2012

Nichts geht mehr, aber alles ist möglich

Lieben und spielen: In einem subtilen Roman beschreibt Julia Schoch sehr stilsicher eine außergewöhnliche Paarbeziehung.

Jede Liebe hat ihre Geschichte, und jede Geschichte vollzieht sich in der Zeit - sie fängt irgendwann an und hört irgendwann auf. Doch kann es auch sein, dass eine Liebe vor allem ihren Ort hat? Einen Ort womöglich, an dem ausgerechnet die Zeit abwesend ist? In ihrem dritten Roman, "Selbstporträt mit Bonaparte", erzählt Julia Schoch von einer Liebe, die über beides verfügt, die gleichsam eine Vorder- und eine Rückseite besitzt. Spricht die namenlose Erzählerin von der Vorderseite, erfahren wir von einzelnen Erlebnissen, Höhepunkten und Wendungen, wir erfahren die Geschichte der Liebe. Spricht sie hingegen von der Rückseite, geraten ihr die zeitlichen Koordinaten durcheinander, weiß sie nicht zu sagen, ob sich etwas zum ersten oder hundertsten Mal ereignet hat.

Diesen Zustand empfindet sie nirgends so intensiv wie am zentralen Ort ihrer Liebe: dem Kasino. Mit den "uhren- und also zeitlosen Interieurs, ihren samtenen Abpolsterungen gegen das Draußen" sind Spielbanken für sie die "sichersten Orte der Welt". Die Geschichte der Liebe geht so: Während einer Konferenz lernt die Erzählerin einen Historiker kennen, den sie wegen einer in seiner Wohnung aufgestellten Napoleonbüste Bonaparte nennt. Gemeinsam besuchen sie ein Kasino, gewinnen das Siebenfache des Tagungshonorars und führen fortan eine Beziehung, die diesen Namen aufgrund ihrer Unverbindlichkeit kaum verdient. Bonaparte nimmt nicht am Leben der Protagonistin teil, er hat dort unregelmäßige Auftritte, er richtet kein einziges zärtliches Wort an sie, doziert aber über die Zahlen, die man beim Spiel im Auge behalten muss. Beide verbringen Stunden, ja Tage und Wochen am Roulettekessel. Als Bonaparte fortgeht und entgegen seiner sonstigen Gewohnheit nicht zurückkommt, stellt sich die Erzählerin die einfachste und zugleich schwierigste Frage: warum?

Auf der Suche nach einer Antwort schreibt sie ihre Liebes- und Teile ihrer Lebensgeschichte nieder. Im Proustschen Sinne möchte sie in der Erinnerung eine verlorene Wirklichkeit zurückholen und begreifen. Das war schon in Julia Schochs letztem Roman "Mit der Geschwindigkeit des Sommers" die wichtigste Erzählmotivation. Die unfassbare Begebenheit war dort der Tod der Schwester, hier ist es das Verschwinden des Geliebten. Seine Abwesenheit mag die Erzählerin nicht hinnehmen. Reflektierend und tastend arbeitet sie sich durch die Schichten ihres Gedächtnisses und stößt auf große Momente und Nebensächliches. Dabei will sie mit einem regelrecht hermeneutischen Eifer verstehen, was vielleicht gar nicht zu verstehen ist, bis es schließlich nur noch um die Erinnerung selbst zu gehen scheint, die laut Jean Paul das einzige Paradies ist, aus dem wir nicht vertrieben werden können. Das weiß auch die Verlassene, wenn sie bekennt: "Die Erinnerung an die Leidenschaft kann heftiger sein als die Leidenschaft selbst."

Bis zum Ende bleibt die Liebesgeschichte seltsam unvollständig, sie verleiht dem Roman seine enigmatische Kraft. Sein Flair und Reflexionszentrum erhält er jedoch durch den Ort der Liebe. Das Kasino als "Inbegriff einer gänzlich anderen Welt" ist für die in der DDR aufgewachsene Protagonistin ein Symbol mondäner Freiheit. Sie analysiert die vielen Spielertypen, die eine kleine Gemeinschaft bilden, und schwärmt vom Kasino auf Malta, vom Spielbank-Palazzo in Venedig und vom Palast in Monaco. Es verwundert nicht, dass das Kasino in ihren Schilderungen zu einem geradezu sakralen Ort wird, denn im Innern vollziehen sich gleich zwei Transsubstantiationen der besonderen Art - Jetons verwandeln sich in Geld, und Zeit verwandelt sich in Ewigkeit. "In der ewigen Gegenwart des Spiels", heißt es lakonisch, "gleicht sich alles an. Für jemanden, der in der Wiederholung lebt, wird die Zeit zu einem Block, massiv und undurchdringlich, die Unterscheidung von zuerst und später sinnlos."

Das ist der Kern des Romans: Unaufhörlich fällt die Erzählerin aus der Zeit, beim Lieben wie beim Spielen, und beides ist letztlich eins. So gehört die normale "Paarzeitrechnung" zu den Dingen, "die mit Bonaparte nichts zu tun haben". Liebe, Spiel, Zeit und Erinnerung: Auf engstem Raum geht es hier ums Ganze. Das birgt die Gefahr schulmeisterlich-pathetischer oder larmoyant-sentimentaler Schilderungen. Julia Schoch allerdings ist viel zu stilsicher dafür. Meisterhaft bedient sie sich einer präzisen Sprache, deren Eleganz über jeden Zweifel erhaben ist. Etliche Sätze taugen zu Aphorismen von entwaffnender Evidenz. Mit Leichtigkeit werden Figuren und Ereignisse so aufeinander bezogen, dass ein verdichtetes Gefüge thematischer Korrespondenzen entsteht. Dabei erfahren wir etwa, dass die Erzählerin nicht nur beim Lieben und Spielen den chronologischen Zeitfluss verlässt, sondern ebenso beim Schreiben: "In Wirklichkeit ist Schreiben eine Form des Wartens. Solange ich dies schreibe, ist nichts zu Ende, kann es eine Wiederholung geben." Falls das auch für Julia Schoch gilt, sind Wiederholungen unbedingt erwünscht. Hauptsache, sie schreibt weiter.

KAI SPANKE

Julia Schoch: "Selbstporträt mit Bonaparte".

Roman.

Piper Verlag, München 2012. 142 S., geb., 16,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Roman Bucheli ist es dann doch nicht zupackend genug, wie Julia Schoch diese Geschichte einer Liebe und einer Spielsucht eben nicht erzählt, sondern ausspart und recht eigentlich zum Anlass nimmt, um über das Schreiben aus der Erinnerung heraus zu erzählen. Verantwortlich macht Bucheli die konsequente Innenperspektive, den Verzicht auf jegliche Distanz und Analyse. Die nüchternen Fragmente der Geschichte, die Schoch stattdessen liefert, überzeugen Bucheli nicht. Ihm fehlt das Fleisch in diesem Buch, sozusagen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.10.2012

Im Archiv des
Zufalls
Julia Schochs Roman
„Selbstporträt mit Bonaparte“
Hat man die Illusionen der Jugend hinter sich gelassen, dann ist das Leben nur noch „eine Art erschöpfte, auf jeden Fall übrig gebliebene Leidenschaft, die das Warten ausfüllt“. So abgeklärt und melancholisch endet Julia Schochs schmales, kunstvoll-philosophisches Buch „Selbstporträt mit Bonaparte“, das von zwei sehr vitalen Leidenschaften handelt: Von der Leidenschaft der Erzählerin für einen Mann und von ihrer Leidenschaft, mit diesem Mann im Casino zu spielen. Sie lebt, so darf man vermuten, in Potsdam, und er taucht in ihrem Leben so überraschend auf, wie er dann auch wieder verschwindet.
  Die beiden lernen sich auf einem Historikerkongress kennen, irgendwo an der Ostsee. Ein Strandspaziergang endet im Casino, für ihn offenbar ein vertrauter Ort, für sie eine neue Welt, die sie sofort fasziniert. Solange sie gemeinsam spielen, hat sie das Glück auf ihrer Seite. Aber nicht das große Geld lockt sie an die Roulettetische, sondern die intensive Erfahrung des einen Moments, in dem sich die Kugeln im Kessel bewegen, die Erfahrung, vollständig dem Zufall ausgeliefert sein. Diese lustvolle Ohnmacht unterscheidet sich vollständig vom normalen Leben, in dem man unablässig Entscheidungen treffen, Verantwortung übernehmen, dem Alltag irgendeinen Sinn abkämpfen muss.
  Die Leidenschaft des Spiels befreit von all diesen Zwangsverhältnissen zur übrigen Welt, genauso wie die Leidenschaft der Liebe, die auf den einen Augenblick hin gerichtet ist, da es nur diesen einen Mann gibt, der auf seinem Schreibtisch eine Napoleon-Büste stehen hat und den sie deshalb Bonaparte nennt. Seinen bürgerlichen Namen erfahren wir so wenig wie den der Erzählerin, aber wir müssen ihn auch gar nicht kennen.
  Überhaupt buchstabiert Julia Schoch ihre beiden Helden nicht bis ins letzte psychologische Detail aus, ihr eigentliches Thema ist der Angriff des einen, intensiv ausgekosteten Augenblicks auf den scheinbar unaufhaltsamen Strom der Ereignisse. Ganz konsequent beschränkt sie die Handlung auf ein Minimum, auf das Kennenlernen, auf die unregelmäßigen Treffen, schließlich auf die Trennung, nachdem Bonaparte eine Stelle an einer amerikanischen Universität angetreten hat und ihr stilgerecht Grüße aus Las Vegas schickt.
  Der Titel nennt das Buch ein Selbstporträt, und wie es sich für die hohe Kunst des Porträts gehört, fällt hier bestimmten Attributen die Aufgabe zu, die Figuren zu charakterisieren. Schoch entwickelt eine große Meisterschaft, den Hintergrund der Affäre zwischen der Erzählerin und Bonaparte passend zu arrangieren. Es ist kein Zufall, dass beide Historiker sind, Spezialisten also in der Kunst, unverbundene Ereignisse und Episoden zu Geschichten zu verbinden, die sich dann zu einer Vergangenheit fügen: das schiere Gegenteil einer leidenschaftlichen Feier des Augenblicks. In ihren Taschen bewahrt sie sorgfältig die Eintrittskarten ihrer Casinobesuche auf, über 600 sind es am Ende, ein fast vollständiges Archiv ihrer Doppelexistenz.
  Wenn sie durch die Stadt P. läuft, registriert sie immer noch, dass die Straßen ganz anders heißen als in ihrer Kindheit, ein Hintergrundrauschen der großen Geschichte von 1989. Die Liebe und das Spiel können sie immer nur für Momente aus dem Strom der Zeit reißen, sie bleibt an die Koordinaten von Vergangenheit und Gegenwart gebunden. Das wahre Glück freilich war jene „rückwärtige Existenz“ des Augenblicks, die sie mit Bonaparte gelebt hat. Und nachdem dieser sich Richtung Amerika verabschiedet hat, geht sie noch ein paar mal ins Casino, als ob sie nicht selbst ahnen würde, dass es nun mit ihrer Glückssträhne vorbei ist. Allein kann sie nur verlieren. Nun schreibt sie alles auf, was sie mit Bonaparte erlebt, was er ihr bedeutet hat. Damit verrät sie zwar die singuläre Erfahrung des Augenblicks, durch die sie im Casino (und im Bett) aus sich selbst heraustreten konnte, bleibt aber in Verbindung mit Bonaparte, in der Ungewissheit freilich, ob ihre Leidenschaft jemals wieder geweckt werden wird: von wem auch immer.
  Julia Schoch nennt dieses schmale, kunstvolle Stück Prosa einen Roman. Das sollte man nicht wörtlich nehmen, das „Selbstporträt“ im Titel trifft genauer. Es zeigt die Erzählerin in jenem Moment, da sie einsieht, dass Bonaparte nie mehr zurückkehren wird, nie mehr zurückkehren darf, weil es sonst vorbei wäre mit dem Geheimnis ihrer Leidenschaft. Dieses Porträt lebt von den Stimmungen, die Schoch in ihrer ruhigen, aber nuancenreichen Sprache inszeniert, von der Langsamkeit, von der Sorgfalt bis ins letzte motivische Detail: eine anachronistisch anmutende Kunst, auch sie scheinbar aus der Zeit gefallen.
TOBIAS HEYL
Die Eintrittskarten der
Casinobesuche bewahrt sie auf,
am Ende sind es über 600
  
  
    
  
Julia Schoch:
Selbstporträt mit
Bonaparte. Roman.
Piper Verlag,
München 2012.
142 Seiten, Euro 16,99.
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