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Mit 18000 Mark gründet der 25jährige Buchhändler Reinhard Piper am 19. Mai 1904 einen Verlag in München-Schwabing und macht dort die Bücher, die er selbst gern lesen möchte. In 100 Jahren hat sich der Verlag vom Liebhaberunternehmen zu einem der bedeutendsten deutschsprachigen Publikumsverlage entwickelt. Edda Ziegler erzählt eine spannende Geschichte von Autoren und Verlegern, von Buchhändlern und Lesern - und natürlich von Büchern. Von Büchern, die Generationen geprägt haben, und von Titeln, die Flops wurden, von wissenschaftlichen Großunternehmungen, literarischen Erfolgen,…mehr

Produktbeschreibung
Mit 18000 Mark gründet der 25jährige Buchhändler Reinhard Piper am 19. Mai 1904 einen Verlag in München-Schwabing und macht dort die Bücher, die er selbst gern lesen möchte. In 100 Jahren hat sich der Verlag vom Liebhaberunternehmen zu einem der bedeutendsten deutschsprachigen Publikumsverlage entwickelt. Edda Ziegler erzählt eine spannende Geschichte von Autoren und Verlegern, von Buchhändlern und Lesern - und natürlich von Büchern. Von Büchern, die Generationen geprägt haben, und von Titeln, die Flops wurden, von wissenschaftlichen Großunternehmungen, literarischen Erfolgen, »Schnellschüssen« und überraschenden Bestsellern. Vor dem Hintergrund von 100 Jahren deutscher Geschichte zeigt die Autorin wichtige Facetten der Geistes- und Kulturgeschichte. Wer mit Büchern lebt, wird diese locker und ohne Bildungsschwere erzählte Verlagsgeschichte lieben.
Autorenporträt
Ziegler, EddaEdda Ziegler, Dr. phil., ist Dozentin für Neuere Deutsche Literatur und Buchwissenschaft an der Universität München und betreut dort zudem MANUSKRIPTUM ? Münchener Kurse für Kreatives Schreiben. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. zur Buch- und Verlagsgeschichte, zur Zensur, zu Schriftstellerinnen in München, Biographien von Heinrich Heine und Theodor Fontane.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2004

Flammende Lesezeichen
Hundert Jahre Piper: Edda Zieglers gründliche Verlagsgeschichte

Heute wird es ein rauschendes Fest geben in der Münchner Georgenstraße Hausnummer vier. Gefeiert wird der Umstand, daß vor genau hundert Jahren die Herren Reinhard Piper und sein stiller Teilhaber Georg Müller den R. Piper & Co. Verlag ins Münchner Handelsregister haben eintragen lassen. Da sich Verlage immer mit Büchern feiern, hat man die Münchner Germanistin Edda Ziegler um eine Verlagsgeschichte gebeten. Gleich vorneweg: Das gewichtige Buch ist keine lobhudelnde Festschrift, der Ton ist freundlich, die Sache aber wird durchaus handfest verhandelt. Aufwendig und lesefreundlich gestaltet, ist es ein Augenschmaus - und ein Text, den man als Seitenstück zu einer Literaturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts lesen kann.

Eine verschlungene Geschichte, die man eben nicht im Stil der derzeit grassierenden Unternehmensgeschichten hätte schreiben können: Der Ware Geist, mit dem ein solcher Verlag zuallererst handelt, ist mit dem Rechenschieber nicht beizukommen. Denn Piper gehörte lange Zeit zu den Schwergewichten deutscher Verlagskultur; um die Dimension zu ermessen, muß man in die Archive steigen.

Der aus Mecklenburg stammende Buchhändler Reinhard Piper fühlt sich zu Höherem berufen. Ausgestattet mit einem väterlichen Risikokapital von 18 000 Mark beschließt er, Verleger zu werden. Es ist Gründerzeit, und wir sind in Schwabing, wo künstlerisch zu dieser Zeit der Ton angegeben wird, vor allem in der selbstbewußten Herausbildung eines Gegengewichts zum übermächtigen Berlin. Piper ist vierundzwanzig Jahre jung, und nicht gerade von Selbstzweifeln zerfressen. Avanti dilettanti - das gilt besonders für diesen Verlegertypus, den Ziegler so charakterisiert: "jugendlicher Enthusiasmus, eine vielgepriesene Erlebnisfähigkeit, ein überbordendes Mitteilungsbedürfnis und ausgeprägtes Sendungsbewußtsein". Reinhard Wittmann hat in seiner "Geschichte des deutschen Buchhandels" die Wirkung, die dieser Typ entfaltete, so beschrieben: "Die Rolle der Kulturverleger um die Jahrhundertwende und im expressionistischen Deutschland sprengte den Rahmen herkömmlicher ökonomischer Vermittlung und Verwertung von Geisteswerken. Diese Unternehmerpersönlichkeiten haben den literarischen Aufbruch zur Moderne nicht nur begleitet und propagiert, sondern waren selbst ein wesentlicher, ja für seine Wirkung entscheidender Teil davon."

Als erstes Buch der Verlagsgeschichte veröffentlich Piper 1904 den bereits im Vorjahr bei Insel erschienenen Gedichtband "Dafnis" von Arno Holz in einer erweiterten Neuausgabe. Gewagte zehntausend Exemplare beträgt die erste Auflage, zum Preis von einer Mark ein Bombenerfolg. Zwar scheitert wenig später eine weitere Zusammenarbeit mit dem sperrigen Autor, aber ein Anfang ist gemacht. Piper setzt von Anfang an auf die bildende Kunst, zeitgenössische Graphiker werden in der Reihe "Moderne Illustratoren" monographisch vorgestellt. Seit 1900 mit Ernst Barlach befreundet, wird Piper der Verleger von Max Beckmann und Alfred Kubin. 1909 gewinnt er mit dem Kunstkritiker Julius Meier-Graefe einen überaus einflußreichen Anreger und Autor. 1912 erscheint der Almanach "Der Blaue Reiter" von Franz Marc und Wassily Kandinsky - ein Meilenstein der Kunstgeschichte, mit dem sich Reinhard Piper endgültig als Kunstverleger von Rang etabliert.

Ab 1906 erscheint Dostojewski bei Piper, damals keineswegs ein in Deutschland durchgesetzter Autor. Bis 1931 legt der Verlag eine Ausgabe in einunddreißig Bänden vor und trifft voll ins Schwarze des Zeitgeistes. Der Philosoph Hans-Georg Gadamer erinnert sich Jahrzehnte später: "Die roten Piper-Bände leuchteten wie Flammenzeichen von jedem Schreibtisch." Piper übt sich weiter in der Kunst des Spagats zwischen Malerei, Philosophie, Literatur - und er sucht die Anbindung an die bayerischen Autoren. Zunächst ist das Georg Queri, später folgen Josef Martin Bauer, Ludwig Thoma, Karl Valentin. Es ist diese Fähigkeit, den Münchner Mutterboden fruchtbar zu machen, die es dem "Preußen" Piper ermöglicht, so recht ein Münchner Verlag zu werden. Heute wirkt diese Rückbindung an die Region schwächer, was auch daran liegen mag, daß die künstlerische Humusschicht Münchens durch jahrzehntelange Erosion dünn geworden ist.

Im Jahr 1926 wird der Wiener Robert Freund Teilhaber bei Piper, weil der einmal mehr auf fremdes Kapital angewiesen ist. Der böhmisch-österreichische Kosmopolit will aber kein stiller, sondern ein sehr lebhafter Teilhaber sein, was nicht zum Schaden des Verlages sein sollte. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, daß es der Jude Freund selbst ist, der den völkischen Autor Bruno Brehm ans Haus bindet. Nicht zuletzt dessen von den Nazis geliebte Faction-Romane helfen dem Verlag, das "Dritte Reich" einigermaßen zu überstehen; Innerlichkeit und Heimatdichtung tun ein übriges. Allerdings sind lange Zeit auch Künstler lieferbar, die den Nationalsozialisten als "entartet" gelten. Brehm selbst betreibt im Zuge der Arisierung die Entmachtung Freunds, der sich schließlich ins amerikanische Exil rettet. Seinen Wunsch, nach 1945 wieder als Teilhaber einzusteigen, wehrt die Familie Piper ab, indem sie den ehemaligen Teilhaber abfindet. Daß Brehm dem Verlag auch nach dem Krieg verbunden bleibt, erschwert das Verhältnis zu späteren Hausgöttern wie Ingeborg Bachmann, die 1956 zum Verlag stößt, erheblich.

1953 stirbt Reinhard Piper. Sein Sohn Klaus, der bereits seit 1932 im Verlag arbeitet, wird alleiniger Gesellschafter. Auch ihn treiben unersättliche Neugier und eine nie ermüdende Betriebsamkeit. Er stürzt sich - vielleicht, weil ihm der Vater das Studium verwehrte - mit einer solchen Inbrunst auf die Wissenschaften (und damit auf das populäre Sachbuch), daß es ihm gelingt, eine ganze Reihe von hochmögenden Autoren ans Haus zu binden - neben seinem Leitstern Karl Jaspers sind das unter anderem Hannah Arendt, Hans Küng, Alexander Mitscherlich, Konrad Lorenz, Karl R. Popper, John C. Eccles, Werner Heisenberg, Harald Fritzsch.

Aber die Vergangenheit ist da noch nicht vergangen. Der seit 1958 als Verlagsleiter tätige Hans Rössner - er bleibt in dieser Funktion bis 1977 - entpuppt sich als früheres SA-Mitglied und Abteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt (Gruppe "Volkskultur und Kunst") - ein Kollege von Adolf Eichmann also. Edda Ziegler resümiert: "So wird ein ehemaliger Antisemit und ideologischer Funktionsträger des NS-Regimes zum Ansprechpartner für Autoren wie Karl Jaspers, Ingeborg Bachmann und Hannah Arendt, Autoren, die sich für den Verlag auch deswegen entschieden haben, weil sie ihn weitgehend frei glaubten von den Belastungen nationalsozialistischer Vergangenheit." Klaus Piper wußte von Rössners Verstrickung, aber offenbar hielt auch er es mit der für seine Generation typischen Verdrängung.

Pipers weiterer Weg in die Gegenwart ist gezeichnet von Welt- und Mißerfolgen. Gewaltig schlägt das Engagement für die italienische Literatur ein, die bei Piper mit über dreißig Autoren vertreten ist, darunter Tomasi di Lampedusa, Bassani, Morante, Gadda, Tozzi - und Fruttero & Lucentini. In der internationalen Abteilung stehen - jedenfalls zeitweilig - Namen wie die Nobelpreisträger Claude Simon und Camilo José Cela, aber auch Salman Rushdie und Dacia Maraini. Weniger erfolgreich sind die Bemühungen, in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur Fuß zu fassen; aber Bücher wie Buchheims "Das Boot", Anna Wimschneiders "Herbstmilch", Sten Nadolnys "Die Entdeckung der Langsamkeit", Frederick Forsyths "Der Schakal" und Paul Watzlawicks "Anleitung zum Unglücklichsein" haben, jedes auf seine Weise, Verlagsgeschichte geschrieben.

Ein Generationskonflikt beschleunigte schließlich den Abschied vom Familienunternehmen. Klaus Piper hält seinen Sohn Ernst Reinhard, seit 1984 neben dem Vater geschäftsführender Gesellschafter und Initiator des Neustarts der Taschenbuchreihe "Serie Piper", für nicht geeignet, seine Nachfolge anzutreten. Der Konflikt im Hause Unseld läßt grüßen. Im neunzigsten Jahr seines Bestehens verkauft Klaus Piper unter dem Motto "Zukunftssicherung" an den schwedischen Medienkonzern Bonnier; sein Sohn, der von dieser Transaktion nichts erfuhr, arbeitet heute als Literaturagent. Unter der Geschäftsführung von Viktor Niemann wird der Verlag wieder auf Gewinn getrimmt und neu positioniert.

Piper ist heute ein erfolgreicher Mittelständler, der im Bestsellergeschäft mitmischt. Daß das Image in dem seit Jahren gerichtsnotorischen Streit um Übersetzerhonorare gelitten hat, verschweigt Edda Ziegler nicht. Hier greifen Mechanismen, die man vielleicht in einem Familienbetrieb anders geregelt hätte. Hundert Jahre sind ein langer Weg. Wer wissen will, auf welch faszinierender Vergangenheit dieses Haus heute ruht, wird mit Edda Zieglers Buch gut bedient.

HANNES HINTERMEIER.

Edda Ziegler: "100 Jahre Piper". Die Geschichte eines Verlags. Piper Verlag, München 2004, 398 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wer wissen will, auf welch faszinierender Vergangenheit der Piper-Verlag ruht, ist nach Ansicht von Rezensent Hannes Hintermeier mit diesem Buch gut bedient. Zwar handle es sich um eine Auftragsarbeit, doch Hintermeier legt Wert auf die Feststellung, dass das "gewichtige Buch" trotz des freundschaftlichen Tones keine Festschrift, sondern eine handfeste Verhandlung der Sache Piper ist, die auch unangenehmen Themen nicht aus dem Wege gehe. Nach Lektüre der Verlagsgeschichte sieht er Pipers bewegten Weg in die Gegenwart von Welt- und Misserfolgen gekennzeichnet. Aufwendig und lesefreundlich gestaltet, sei das Buch insgesamt außerdem ein "Augenschmaus" und ein Text den man als Seitenstück zu einer Literaturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts lesen könne.

© Perlentaucher Medien GmbH