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Die britische Propaganda zeichnete im Ersten Weltkrieg sehr wirkungsvoll das Zerrbild von den Deutschen als bestialischen Hunnen, die mordend und plündernd über ihre Nachbarn herfielen. Zur Verbreitung nutzten die staatlichen Propagandastellen insbesondere die modernen Massenmedien Presse und Film. Thomas Wittek untersucht erstmals, welche Folgen die Exzesse der Kriegspropaganda für das Deutschlandbild in diesen Medien nach dem Ende des Krieges hatten. Die Wahrnehmung Deutschlands zwischen dem Waffenstillstand 1918 und dem Locarno-Pakt 1925 blieb jedoch nicht auf ein Feindbild fixiert, sondern…mehr

Produktbeschreibung
Die britische Propaganda zeichnete im Ersten Weltkrieg sehr wirkungsvoll das Zerrbild von den Deutschen als bestialischen Hunnen, die mordend und plündernd über ihre Nachbarn herfielen. Zur Verbreitung nutzten die staatlichen Propagandastellen insbesondere die modernen Massenmedien Presse und Film. Thomas Wittek untersucht erstmals, welche Folgen die Exzesse der Kriegspropaganda für das Deutschlandbild in diesen Medien nach dem Ende des Krieges hatten. Die Wahrnehmung Deutschlands zwischen dem Waffenstillstand 1918 und dem Locarno-Pakt 1925 blieb jedoch nicht auf ein Feindbild fixiert, sondern wandelte sich. Sowohl die außenpolitischen Interessen Großbritanniens, die auf eine Normalisierung der Beziehungen abzielten, als auch innenpolitische Entwicklungen nahmen dabei Einfluss auf die Darstellung des einstigen Kriegsgegners.
Autorenporträt
Thomas Wittek, geboren 1970, ist Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Britischen Generalkonsulat in Düsseldorf.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.2006

Sympathie für die Hunnen
Deutschland in den britischen Medien nach dem Ersten Weltkrieg

Der Titel dieses Buches sollte "Nicht auf ewig Feind" lauten. Denn was der Verfasser darstellt, ist der Wandel des britischen Deutschlandbilds nach dem Ersten Weltkrieg vom Feindbild zum Partnerbild. Dominierte im Krieg die Vorstellung von Deutschland als Feind, von dem eine tödliche Gefahr ausging und mit dem es keinerlei Gemeinsamkeiten gab, so stand Mitte der zwanziger Jahre die Suche nach "gleichlaufenden Interessen" im Vordergrund, wie Außenminister Gustav Stresemann auf deutscher Seite formulierte und damit den Bestrebungen seines britischen Kollegen Austen Chamberlain nahtlos entsprach. Als mit dem Dawes-Plan 1924 eine Zwischenlösung für das Reparationsproblem gefunden und mit dem Locarno-Vertragswerk 1925 ein großer, wenn auch noch ergänzungsbedürftiger Schritt auf der Suche nach einem europäischen Sicherheitssystem getan worden war, hatten die britisch-deutschen Beziehungen wieder einen Zustand erreicht, wo Interessenidentität herrschte und keiner Seite der Wille zum Frieden abgesprochen wurde. Der Friedensprozeß, für den der Abbau des Feindbilds eine zentrale Voraussetzung darstellte, schien gute Aussichten auf Vertiefung zu haben.

Thomas Wittek untersucht die Phasen der britischen Deutschlandwahrnehmung vom Kriegsende bis zur Rückkehr Deutschlands in die internationale Politik anhand von ausgewählten Zeitungen und Wochenschauen. Dabei erfährt man viel Wissenswertes über die britische Presselandschaft allgemein, die Kommunikationsstrukturen zwischen Politik und Journalismus und die Anfänge des Films als Nachrichten- und Propagandamedium. Früher als in Deutschland hatte man in England schon während des Krieges erkannt, wie wirkungsvoll Filme zu Mobilisierungszwecken einsetzbar waren. "Once a hun, always a hun" lautete der Untertitel eines Propagandastreifens, in dem davor gewarnt wurde, je einem Deutschen zu trauen. Der Topos vom Deutschen als barbarischem Hunnen blieb insbesondere in der filmischen Darstellung über das Kriegsende hinaus üblich.

Es war dann auch ein britischer Kameramann, der exklusiv für ein internationales Publikum sowohl die Übergabe des Friedensvertragsentwurfs mit Graf Brockdorff-Rantzau als arrogant wirkendem deutschen Außenminister als auch die Unterzeichnung des Vertrags im Spiegelsaal von Versailles mit abweisend und unsympathisch wirkenden deutschen Delegierten filmte. An ihrer Mimik könne man die Gesinnung der Deutschen ablesen, lautete der Kommentar einer englischen Filmzeitschrift. Die noch tonlosen Wochenschauen ließen sich keine Gelegenheit entgehen, die Weimarer Republik als das alte Kaiserreich in neuem Gewand darzustellen. Noch 1925 eignete sich die Wahl des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten hervorragend dazu, auf die in Deutschland unübersehbaren Elemente der Kontinuität zu verweisen.

Dem von Wochenschauen und dem Massenblatt "Daily Mail" gepflegten und bei der konservativen Rechten beliebten negativen Deutschlandbild widersprachen liberale und linke Zeitungen wie der "Manchester Guardian" oder der "Daily Herald". Ihre Kritik am Festhalten von Feindbildern fiel mit der Ablehnung des Versailler Vertrags zusammen, der nicht geeignet erschien, eine stabile Friedensordnung zu errichten. Auch der Deutschlandkorrespondent der "Times" wollte durch seine Berichterstattung dazu beitragen, das Bild vom häßlichen Deutschen zu korrigieren und die Nachkriegsentwicklung "aus einem zukunftsorientierten Blickwinkel" zu betrachten. Dieser Standpunkt gewann schließlich entscheidend an Boden, als Frankreich 1923 mit der Ruhrbesetzung versuchte, den Versailler Vertrag nach eigenen Vorstellungen zu revidieren. Schon 1919 hatte Großbritannien zusammen mit den Vereinigten Staaten die Realisierung französischer Maximalziele verhindert. Jetzt erschien Frankreich als Hauptverursacher der Spannungen in Europa, an deren Abbau London - ebenso wie Berlin - ein vitales Interesse hatte.

Aus britischer Sicht mußten Spannungsabbau und die Reintegration Deutschlands in das internationale Wirtschafts- und Sicherheitssystem Hand in Hand gehen. Wie nachhaltig die Demokratisierung Deutschlands und seine Selbstbindung in ein neues europäisches Großmächtesystem sein würden, war aus der Sicht der Eliten in Politik, Wirtschaft und Publizistik letztlich offen - und sogar zweitrangig. "Wachsende Sympathien" für Deutschland waren gewiß vorhanden. Was aber zählte, war das nationale Interesse an Entspannung, denn nur unter dieser Voraussetzung konnte Großbritannien hoffen, zu wirtschaftlicher Prosperität zurückzukehren und seinen Status als Weltmacht zu bewahren. "Endlich Frieden" kommentierte die "Times" die Nachricht vom Vertragsabschluß in Locarno. Darüber hinaus dokumentierte Locarno auch das enge Zusammenspiel von Regierung und Presse. Die Bemühungen der Politik wurden durch eine gezielte "Mediendiplomatie" ergänzt, die Wittek eindringlich analysiert.

GOTTFRIED NIEDHART

Thomas Wittek: Auf ewig Feind? Das Deutschlandbild in den britischen Massenmedien nach dem Ersten Weltkrieg. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2005. 437 S., 49,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Seine Zielsetzung, den Wandel des Deutschlandbildes in der britischen Öffentlichkeit zu dokumentieren, hat Thomas Wittek laut Rezensent Gottfried Niedhart voll und ganz erreicht. Niedhart beschränkt sich in seiner Besprechung zwar auf eine Skizze dieses Annäherungsprozesses, der mit dem Locarno-Vertragswerk von 1925 einen ersten Höhepunkt erreicht hatte, gibt aber zu Protokoll, en passant auch Interessantes über die englische Medienlandschaft, ihr Zusammenspiel mit der Politik und auch die wachsende Bedeutung des Films für Berichterstattung und Propaganda erfahren zu haben. Während die Wochenschauen am negativen Bild der "Hunnen" festhielten, plädierten liberale und linke Zeitungen wie der "Manchester Guardian" und der "Daily Herald" schon früh für eine Neubewertung und Entspannung der gegenseitigen Beziehungen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"...the book is a fine piece of scholarship with much to recommend it from both the historical and the political science angle. Anyone keen to know more about the history of modern communications should certainly add it to their reading list; the same goes for those interested in the twists and turns of international relations in the first half of the 1920s and beyond." (Matthew Stibbe in sehepunkte)