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johannes Merz untersucht das Herrschaftsverständnis der deutschen Fürsten an der Nahtstelle von Mittelalter und Neuzeit. Dabei geht er der Frage nach, worin in einer bestimmten Zeit die Herrschaft eines deutschen Fürsten begründet war, wie er seine Herrschaftsrechte im Konfliktfall wahrnahm und wo er - im Wortsinne - an seine Grenzen stieß. Im Zentrum steht die Analyse der Herrschaftskonflikte in Franken, konkret zwischen den Fürstbischöfen von Würzburg und ihren Nachbarfürsten von Brandenburg-Ansbach, Fulda und Mainz.

Produktbeschreibung
johannes Merz untersucht das Herrschaftsverständnis der deutschen Fürsten an der Nahtstelle von Mittelalter und Neuzeit. Dabei geht er der Frage nach, worin in einer bestimmten Zeit die Herrschaft eines deutschen Fürsten begründet war, wie er seine Herrschaftsrechte im Konfliktfall wahrnahm und wo er - im Wortsinne - an seine Grenzen stieß. Im Zentrum steht die Analyse der Herrschaftskonflikte in Franken, konkret zwischen den Fürstbischöfen von Würzburg und ihren Nachbarfürsten von Brandenburg-Ansbach, Fulda und Mainz.
Autorenporträt
Johannes Merz, geboren 1964, ist Dirketor des Archivs und der Bibliothek des Bistums Würzburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2001

Wenn ich Herzog von Franken wär
Würd' ich richten und noch viel mehr: Bischöfe und Fürsten im Verfassungsstreit des späten Mittelalters

Der Rechtsstaat mußte bekanntlich eine lange, schwere Geburt überstehen. Johannes Merz zeichnet jenen Moment nach, als die Wehen einsetzten und der Schmerz begann. Seine Habilitationsschrift "Fürst und Herrschaft. Der Herzog von Franken und seine Nachbarn 1470-1519" untersucht die rechtlichen Grundlagen der "fürstlichen Obrigkeit" im späten Mittelalter, die alles andere als klar umrissen waren.

Der Autor betrachtet eine verhältnismäßig friedliche Epoche des alten Reiches, in der nicht Ritter und Soldaten, sondern Diplomaten, Juristen und Amtsleute zum Zug kamen, und er kümmert sich dabei kaum um spätmittelalterliche juristische Schriften, Fürstenspiegel und Chroniken, in denen die Rechtsverhältnisse oft nur Wunschvorstellungen entsprachen; vielmehr dringt er über die mutmaßlichen Nebenschauplätze der Kanzleibriefe und Gebrechenbücher, die vom Konflikt fürstlicher Parteien über Zoll-, Steuer- und Gerichtsrechte berichten, in den Kern der deutschen Verfassungsproblematik vor.

Durch diese Methode kann Merz überprüfen, wie wirksam der Anspruch "fürstlicher Obrigkeit" war. In fränkischen Archiven entdeckte der Autor einen besonders reichen Fundus an Amtsbriefen, Verhandlungsprotokollen und Urkunden aus der Zeit um 1500, und so erblickt er im Bischof von Würzburg die "zentrale Fürstengestalt" in Franken und behandelt dessen Herrschaftskonflikte mit seinen Nachbarn: mit den Markgrafen von Ansbach, den Fürstäbten von Fulda und den Erzbischöfen von Mainz. Die größte Aufmerksamkeit schenkt er den Zwistigkeiten zwischen Würzburg und Ansbach, weil sich dabei die strukturellen Unterschiede zwischen einem geistlichen und einem weltlichen Fürstentum am Vorabend der Reformation gut hervorkehren lassen.

In der älteren Forschung galten Vogtei und Grundherrschaft als wesentliche Voraussetzung für die "fürstliche Obrigkeit" und Territorienbildung. Man nahm an, daß Fürsten, Adel und Städte schon im auslaufenden Mittelalter ihre Herrschaftsansprüche ohne große Mühe gegen die allgemeinen Interessen des Reiches durchsetzen konnten. In jüngerer Zeit wurde allerdings die Bedeutung der Reichsorgane wieder hervorgehoben. Merz kann untermauern, daß bis etwa 1500 die "fürstliche" oder "hohe Obrigkeit" über ein bestimmtes Gebiet in der Regel nur erlangt werden konnte, wenn der Grundherr vom Kaiser in den Fürstenrang erhoben wurde - und die Freiheitsbriefe für die Reichsstädte kamen faktisch solchen Erhebungen in den Fürstenrang nahezu gleich. Da mehrere Könige und Kaiser zu verschiedenen Zeiten diese hohen Privilegien verliehen und der augenblicklichen Gunst folgten, ergaben sich Überschneidungen der Herrschaftsrechte, was wiederum die einzelnen Fürsten zwang, ihren Fürstenrang gegenüber anderen zu deuten und zu behaupten.

Im Jahr 1168 wurde dem Bischof von Würzburg durch Kaiser Friedrich I. "omnem iurisdictionem ... episcopatum et ducatum Wirzeburgensem", also die "ganze Rechtsprechung" über das "Bistum und Herzogtum Würzburg", zuerkannt. Seither verstanden sich die Würzburger Bischöfe nicht nur als die geistlichen Oberhirten, sondern auch als die weltlichen obersten Herren und Herzöge der Diözese, wenngleich sie dort längst nicht überall die Grundherrschaft innehatten. Um die Oberhand über die Grafen und Herren im Bistum zu behalten und um die Herrschaft über ein ganzes Land zu betonen, nahmen sie eine geschickte Umbenennung des kaiserlichen Privilegs vor. Im Jahr 1312 sprach Bischof Andreas nicht mehr vom "Herzogtum Würzburg", sondern vom "herzogentum ze Franken". Schließlich ließ sich 1346 Bischof Albrecht von König Karl IV. bestätigen, daß er "des selben stiftes lantgericht ze Franken" in seinen Schutz nahm.

Doch in dieser Epoche konnten in der Würzburger Diözese auch Städte wie Rothenburg ob der Tauber und Schwäbisch Hall den Status einer Reichsstadt erlangen, und 1363 wurden die Zollerschen Burggrafen von Nürnberg, die die Grundherrschaft über weite Gebiete im Südosten des Bistum an sich bringen konnten, von Kaiser Karl IV. in den Fürstenrang erhoben, was ihnen die Freiheit von fremden Gerichtsrechten zusicherte. Als die gefürsteten Burggrafen 1415 von Kaiser Sigismund auch noch die Markgrafschaft Brandenburg und damit die Kurfürstenwürde übertragen bekamen, gerieten die Gewichte in Franken noch stärker durcheinander. Mit Peter Moraw zu reden, herrschte hier wie überall im Reich eine "offene Verfassung", während man um "gestaltete Verdichtung" rang.

Schon in den Briefen, die sich die süddeutschen Fürsten gegenseitig schrieben, deuteten sie durch die Art der Anrede den Rang des anderen. Als Bischof Gottfried von Würzburg 1446 an den Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach ein Schreiben schickte, bezeichnete er sich selbst als Herzog von Franken, unterließ es aber umgekehrt, den Empfänger als Fürsten anzureden - woraufhin sich Albrecht Achilles rächte und im Antwortschreiben Gottfried nur als "bischouen zu Wurztpurg" ansprach und gleichzeitig auf dessen untergeordneten Prälatenrang hinwies, indem er genüßlich hinzufügte: "des stifts zu Meintz suffraganj etc."

Ausgehend von einer herzoglichen Würde, erbat Bischof Rudolf von Würzburg 1468 von Kaiser Friedrich III. das sogenannte Guldenzollprivileg, das ihn berechtigen sollte, in Franken, soweit es von der Würzburger Bistumsgrenze umschlossen wurde, für jedes Fuder Wein einen rheinischen Gulden als Zoll zu erheben. Als Markgraf Albrecht Achilles von den Verhandlungen am kaiserlichen Hof erfuhr, legte er Protest ein, denn der Südosten des Würzburger Bistums gehörte nach seinem Verständnis zu seinem Fürstentum Ansbach, das damals noch als Burggrafschaft Nürnberg bezeichnet wurde. Der Bischof erhielt schließlich vom Reichsoberhaupt den Guldenzoll für "franciam diocesis Herbipolensis", also für Franken innerhalb der Diözese Würzburg, nicht zuletzt, weil er dem Kaiser hohe finanzielle Gegenleistungen versprach. Dennoch mußte sich der Bischof mit dem Markgrafen auf Nachverhandlungen einlassen und ihm in bestimmten Orten ein Viertel oder die Hälfte der Einnahmen übergeben.

Bis zur Reformation gab es immer wieder Streit über die Zuständigkeit des "lantgerichts ze Franken". Bei einem Verhandlungstag in Aub 1496 vermieden die markgräflichen Vertreter den Begriff "Franken" und hielten bischöflichen Juristen entgegen: "Dann das lanndgericht zu Wirtzburg hett vber marggrauisch lewt vnnd guth, so seinen gnaden erblich zustunden, nichts zurichtenn." Worauf die Würzburger Beamten widersprachen: Ihr Landgericht habe auch über anderer Fürsten und Städte Leute zu richten! Des öfteren konnte sich die bischöfliche Seite tatsächlich durchsetzen, denn wenn die markgräflichen Leute nicht vor dem "Landgericht zu Franken" erschienen oder wenn sich Klöster und ihre Hintersassen im Zollerschen Fürstentum auf Druck des Markgrafen weigerten, ihre Reichssteuern an bischöfliche Amtsleute zu entrichten, drohte das geistliche Gericht in Würzburg mit dem kirchlichen Bann.

Merz gibt in eleganter Sprache und Darstellung ein Kapitel deutscher Verfassungsgeschichte wieder, und er sieht abschließend im Übertritt der Markgrafen zum Protestantismus vor allem politische Gründe. Doch bis es dazu kam, blieb die Fürstenpolitik noch stark im überregionalen Rahmen des Reiches verhaftet.

ERWIN SEITZ

Johannes Merz: "Fürst und Herrschaft". Der Herzog von Franken und seine Nachbarn 1470-1519. Oldenbourg Verlag, München 2000. 267 S., geb., 98,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Buch für Spezialisten, wie es aussieht. Denn was uns Erwin Seitz so zu sagen hat über diese Habilschrift, löst beim rechtshistorisch unbeleckten Leser nicht gerade heftiges Verlangen aus. Dabei ist Seitz voll des Lobes, weil der Autor sich weniger um spätmittelalterliche juristische Schriften, Fürstenspiegel und Chroniken schert, "in denen die Rechtsverhältnisse oft nur Wunschvorstellungen entsprachen", sondern über Nebenschauplätze - Kanzleibriefe und Gebrechenbücher, die vom Konflikt fürstlicher Parteien über Zoll-, Steuer- und Gerichtsrechte berichten - zum Kern deutscher Verfassungsproblematik vordringt. Auf diese Weise gelinge dem Autor - "in eleganter Sprache und Darstellung" -, die Wirksamkeit des Anspruchs "fürstlicher Obrigkeit" um 1500 zu überprüfen und ein Kapitel deutscher Verfassungsgeschichte wiederzugeben.

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"Merz´ Buch besticht durch ein ausgeprägtes Problembewusstsein, durch methodische Gründlichkeit und vor allem auch durch Lesbarkeit. Seine genaue Kenntnis der Sekundärliteratur zeigt, dass hier ein Sachkenner am Werk war. [...] Das Buch ist in jeder Hinsicht empfehlenswert und sollte vor allem von denen rezipiert werden, die immer noch daran glauben, dass das Heilige Römische Reich deutscher Nation im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich aufgrund völliger Zerstückelung fernab jeder Nationalstaatsbildung war." Anja Lobenstein-Reichmann, in: German Studies Review, Okt. 2002 "Merz gelingt es hervorragend, aus der Konzentration auf einen eng umrissenen Forschungsgegenstand griffige Aussagen und Hypothesen von übergreifendem Interersse zu gewinnen. Jeder, der sich für Herrschafts- und Verfassungsgeschichte der frühen Neuzeit interessiert, wird dieses gut geschriebene und konzise Buch mit Vergnügen und Gewinn lesen." Christiane Birr, in: Rechtsgeschichte 1/2002