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Stefan Georges Gedichtband "Der Stern des Bundes" ist eines der provokativsten und ungewöhnlichsten Werke in deutscher Sprache. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs entfaltet George hier soziale, religiöse, poetologische, persönliche, philosophische und sogar wirtschaftliche Fragen. "Der Stern des Bundes" galt als Voraussage kommender Katastrophen, als Warnung, als Anregung zu friedlicher und intimer Gemeinschaftsbildung im Angesicht großer Krisen und als Bekräftigung eines hoffnungsvollen Blicks auf eine gemeinsam erfahrene Welt. Krise und Gemeinschaft versammelt Einführungs- und…mehr

Produktbeschreibung
Stefan Georges Gedichtband "Der Stern des Bundes" ist eines der provokativsten und ungewöhnlichsten Werke in deutscher Sprache. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs entfaltet George hier soziale, religiöse, poetologische, persönliche, philosophische und sogar wirtschaftliche Fragen. "Der Stern des Bundes" galt als Voraussage kommender Katastrophen, als Warnung, als Anregung zu friedlicher und intimer Gemeinschaftsbildung im Angesicht großer Krisen und als Bekräftigung eines hoffnungsvollen Blicks auf eine gemeinsam erfahrene Welt. Krise und Gemeinschaft versammelt Einführungs- und Überblicksartikel, Beiträge zu wichtigen Worten aus dem Stern und Interpretationen zentraler Gedichte. Es richtet sich besonders auch an Leserinnen und Leser, denen der "Stern" noch fremd ist. Stefan George's "Der Stern des Bundes" is one of the most provocative and unusual works of poetry in the history of German literature. Here, on the eve of the First World War, George unfolds social, religious, poetic, personal, philosophical and even economic issues. Members of Georges´s famous "circle" as well as his contemporaries perceived of the "Stern des Bundes" as a prediction of coming catastrophes and a warning, as a stimulus for peaceful and intimate community building in the face of great crises and as a reaffirmation of a hopeful outlook towards a shared world. Krise und Gemeinschaft assembles introductory and survey articles, contributions to key words from the "Stern", and interpretations of key poems. It is especially aimed at readers who are still unfamiliar with the "Stern".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.2017

Von ihm lernen heißt was lernen?

Die Forschung zu Stefan George läuft immer noch Gefahr, die Hagiographie seiner Jünger fortzuschreiben. Das gilt auch für zwei neue Sammelbände mit Deutungen des Dichters.

Wenn im nächsten Jahr der hundertfünfzigste Geburtstag von Stefan George begangen wird, dann dürfen sich die Verehrer des Dichters gleich über mehrere Neuerscheinungen freuen, die den "Meister" wieder ins richtige Licht rücken wollen. Es wäre allerdings falsch, von einer Wiederkehr der Orthodoxie oder gar einer Wiedergeburt der Gemeinde zu sprechen. Doch die Tendenz zur Rückbesinnung aufs Eigentliche, nämlich das dichterische Wort, ist ebenso unverkennbar wie die damit verbundene Hoffnung auf eine weltanschauliche Orientierung in den Wirren der modernen Zeit. Der Kulturwissenschaftler Christophe Fricker, der in den vergangenen Jahren eine Stefan-George-Studiengruppe am Hanse-Wissenschaftskolleg in Bremen geleitet hat, betonte bei der öffentlichen Vorstellung eines aus dieser Gruppe hervorgegangenen Aufsatzbandes die Aktualität von Georges Kulturkritik und Kreispoetik: "Kritik am Kapitalismus, die Suche nach dauerhaften Freundschaften, der Wille zur gesellschaftlichen Veränderung - all das beschäftigte George vor hundert Jahren und wurde auch in unserer Gruppe heftig debattiert. Viele heutige Debatten können von der Beschäftigung mit Georges Werk profitieren."

Dass sich das von Fricker herausgegebene Buch "Krise und Gemeinschaft" auf Georges Gedichtband "Der Stern des Bundes" konzentriert, ist Programm. Denn das erstmals 1914 gedruckte Werk galt nicht nur den damaligen Jüngern des "Meisters" als Gesetzbuch des Kreises, sondern wurde auch von den Mitgliedern des nach dem Zweiten Weltkrieg in Amsterdam gegründeten "Castrum Peregrini" als dichterische Kernschrift ihrer weltanschaulichen Gemeinschaft gelesen und ausgelegt. Fricker und einige andere Mitarbeiter der Bremer Studiengruppe gehörten früher der Redaktion der gleichnamigen Zeitschrift des Castrum an. Mit ihren Beiträgen zum "Stern" schreiben sie eine bestimmte Linie der George-Rezeption fort.

Die Autoren des neuen Bandes sind freilich zu klug, um ohne Kautelen an den George-Kreis anzuknüpfen. In seiner Einleitung erwähnt Fricker die kritischen Diskussionen der George-Forschung der letzten zwanzig Jahre, die sich unter anderem mit zwei radikalen Thesen beschäftigten. Erstens: Der Dichter-Prophet habe sein Charisma zum Aufbau homosexuell und pädophil geprägter Abhängigkeitsbeziehungen missbraucht (Thomas Karlauf). Und zweitens: Durch die in seinem Kreis entwickelte Ideologie von "Herrschaft und Dienst" und des "Neuen Reichs" sei der spätere Nationalsozialismus vorbereitet worden (Robert E. Norton). Eine eigene Auseinandersetzung mit diesen und anderen Kritikpunkten erfolgt in den Beiträgen des Aufsatzbandes allerdings nicht.

Fricker erwähnt auch, dass die Mitarbeiter seiner Studiengruppe durchaus kontrovers darüber diskutiert hätten, was in der heutigen Zeit aus den Gedichten des "Sterns" im Hinblick auf die Gemeinschaftsbildung zu lernen wäre. Das Problem für den nicht eingeweihten Leser ist nur, dass sich solche weltanschaulichen Diskussionen in dem Aufsatzband überhaupt nicht erkennen lassen. Es scheint, als ob die Beiträger eine Unterscheidung praktizierten zwischen ihren esoterischen Gesprächen und einer exoterischen Veröffentlichung für das allgemeine Publikum, welche sich vorsichtig in den Grenzen einer literatur- und kulturwissenschaftlichen Erläuterung des "Sterns" und seiner Poetik der Freundschaft hält. Nur an wenigen Stellen werden die mit dem "Stern" verbundenen weltanschaulichen Positionen und Strategien mit einem Seitenblick auf die heutige Zeit offengelegt: "Im Letzten heißt dies nichts Anderes, als um eine befeuernde Mitte eine Sphäre auszubilden, die voller Lebensbezüge ist und in der die Gottheit erfahren wird. Der Stern steht dann zwar außerhalb der Ambitionen eines imperialen Machtstaats (wie heute außerhalb eines demokratisch verbrämten Kapitalismus) und der modernen Gesellschaft und will auch nicht direkt auf diese einwirken oder gar in sie eingreifen. Aber als gelebtes soziales Modell im kleinen Maßstab wird er ihnen gefährlich und führt, in Ältestem ruhend, über die eigene Zeit hinaus, noch bevor die Epoche des Weltbürgertums so richtig begonnen hat."

Ansonsten entzieht sich der Aufsatzband den vom Titel geweckten Erwartungen nach einer klaren Positionierung im gesellschaftspolitischen Meinungsstreit mit dem Hinweis, der "Stern" enthalte eben keine eindeutige "Lehren", sondern stelle seinem Leser nur eindringliche Fragen. Für die gezielt herbeigeführte Unklarheit über den eigentlichen Sinn und Zweck des Buchs ist bezeichnend, dass im Mittelteil die "Grundworte" des "Sterns" erläutert werden, darunter "Weihe, Würde, Opfer", "Dienst der Liebe", "Gesetz" und "Reich". Sollten sie von Fricker und den Seinen nicht auch als zentrale Leitbegriffe für künftige Gemeinschaftsbildungen gemeint sein? Man erfährt es nicht.

Aus der Bremer Studiengruppe ist außerdem ein fast 900 Seiten starker "Stefan George - Werkkommentar" hervorgegangen, zu dem allerdings noch einige andere Autoren beigetragen haben. Der Herausgeber Jürgen Egyptien bezeichnet den Kommentar als Ergänzung zu dem vor einigen Jahren in drei Bänden erschienenen Handbuch "Stefan George und sein Kreis". Das ist insofern richtig, als das Handbuch den Werken nur vergleichsweise kurze Artikel widmen konnte. So beschränkt sich der Handbuchartikel über den Gedichtband "Der Siebente Ring" auf sechzehn Seiten, während der entsprechende Werkkommentar über 140 Seiten umfasst. Die Ausweitung des Umfangs bietet den Vorteil, dass die Zyklen, aus denen die Gedichtbände Georges komponiert sind, in eigenen Abschnitten sehr viel genauer beschrieben werden können. Unter diesem Gesichtspunkt sind viele Beiträge des Bandes lehrreich, denn natürlich kennen sich ihre Verfasser bestens im komplexen Beziehungsgefüge des Gesamt-OEuvres aus.

Ohne dass dies vom Herausgeber gesagt würde, greift der neue Werkkommentar auf eine im George-Kreis entwickelte Form zurück, Dichtungen als ästhetische und ideelle Gebilde nachvollziehend zu beschreiben, anstatt sie analytisch zu zergliedern. Damit grenzt sich der Kommentar umgekehrt vom Konzept des Handbuchs ab, das besonders in den systematischen Artikeln des zweiten Bands die literatursoziologischen, medienästhetischen, sozialpsychologischen, kulturanthropologischen, religions- und ideologiegeschichtlichen Fragestellungen und Erkenntnisgewinne der jüngeren George-Forschung zusammenfasst. Tatsächlich fällt gerade bei denjenigen Abschnitten des Werkkommentars, die von Mitgliedern der Bremer Studiengruppe verfasst worden sind, negativ auf, dass sie genau diese Forschungsansätze weitgehend ausblenden. Stattdessen kehren sie tendenziell zur hagiographischen Kommentarpraxis der Georgeaner zurück.

Genauso wie in dem Aufsatzband werden manche "Grundworte" des George-Kreises im Werkkommentar ohne jede Problematisierung wiederholt. Darf man aber die Kultstiftung im Maximin-Zyklus des "Siebenten Rings" noch als "Schau", ja als "Offenbarung" eines "Gottes" beschreiben, ohne auf die einschlägigen Forschungsarbeiten zur Mythopoetik und Kunstreligion um 1900 argumentativ einzugehen? Und darf man den für den George-Kreis zentralen Begriff des "pädagogischen Eros" noch so unreflektiert verwenden, als hätte es im Anschluss an Thomas Karlaufs George-Biographie keine öffentliche und wissenschaftliche Debatte über den möglicherweise auch sexuellen Machtmissbrauch im Verhältnis zwischen Meister und Jünger gegeben?

Für das nächste Frühjahr ist eine weitere, von Jürgen Egyptien geschriebene George-Biographie angekündigt. Ihr Untertitel "Dichter und Prophet" lässt offen, wie weit der Biograph dem Selbstverständnis seines Autors folgt. Man darf gespannt sein.

KAI KAUFFMANN

Christophe Fricker (Hrsg.): "Krise und Gemeinschaft". Stefan Georges "Der Stern

des Bundes".

Verlag Vittorio

Klostermann, Frankfurt am Main 2017. 487 S., br., 49,- [Euro].

Jürgen Egyptien (Hrsg.): "Stefan George -

Werkkommentar".

Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2017. 888 S., geb., 199,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kai Kauffmann hätte gern mehr erfahren über die vermeintlichen Verbindungen zwischen der George-Kreis-Ideologie und dem Nationalsozialismus. Der von Christoph Fricker herausgegebene auf die Arbeit einer Bremer Studiengruppe zurückgehende Band bietet laut Kauffmann allerdings weniger kritische Auseinandersetzung, weltanschauliche Diskussionen und klare Positionierungen als vielmehr literatur- und kulturwissenschaftliche Erläuterungen der George-Poetik. Die durch den Titel geweckten Erwartungen nach einer eindeutigen Stellungnahme im gesellschaftspolitischen Meinungsstreit erfüllen sich für den Rezensenten nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH