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In Roland Kochs feinfühlig erzähltem Roman führt eine beiläufige Begegnung zu unabsehbaren Folgen. Der Leser wird Zeuge, wie aus alltäglichen Handlungen eine Dynamik entsteht, die einen Lebenslauf aus dem Tritt bringt.
Paul, Ehemann und Vater einer kleinen Tochter, nimmt eine Stelle als Gastdozent an. Einmal in der Woche fährt er von Amsterdam nach Leipzig, entfernt sich von seinem Alltag und begibt sich in eine Welt, die ihm seltsam vertraut und doch sehr fremd ist. Die Euphorie der Studienanfänger, ihre merkwürdige Mischung von Engagement und Verschlossenheit erinnern ihn an seine eigene…mehr

Produktbeschreibung
In Roland Kochs feinfühlig erzähltem Roman führt eine beiläufige Begegnung zu unabsehbaren Folgen. Der Leser wird Zeuge, wie aus alltäglichen Handlungen eine Dynamik entsteht, die einen Lebenslauf aus dem Tritt bringt.

Paul, Ehemann und Vater einer kleinen Tochter, nimmt eine Stelle als Gastdozent an. Einmal in der Woche fährt er von Amsterdam nach Leipzig, entfernt sich von seinem Alltag und begibt sich in eine Welt, die ihm seltsam vertraut und doch sehr fremd ist. Die Euphorie der Studienanfänger, ihre merkwürdige Mischung von Engagement und Verschlossenheit erinnern ihn an seine eigene Studentenzeit und wecken eine lang unterdrückte Sehnsucht. Während seine Frau mit großem Elan ihr gemeinsames Leben einrichtet, genießt Paul sein Pendeln zwischen zwei Welten. Er erliegt dem spröden Charme Olivias, einer rebellischen und rätselhaften Studentin, die sich immer weiter in sein Leben drängt. Und schon bald droht die mühsam aufrecht erhaltene Ordnung aus dem Gleichgewicht zu geraten.

Roland Koch erzählt mit einnehmendem Ton, großer Suggestivkraft und in stetiger, sanfter Verschärfung die Geschichte einer Liebe, die alles in Frage stellt.
Autorenporträt
Roland Koch, geboren 1959, promovierte über Heimito von Doderer und lebt mit seiner Familie als freier Schriftsteller in Köln. Er veröffentlichte den Erzählband "Helle Nächte", 1995, sowie die Romane "Die tägliche Eroberung", 1991, "Das braune Mädchen", 1998, und "Paare", 2000 (alle bei Kiepenheuer & Witsch) und zahlreiche Kurzgeschichten. 2002 gab er die Anthologie "Der wilde Osten. Neueste deutsche Literatur" heraus. Koch schreibt für Rundfunk und Zeitungen und war mehrmals Gastprofessor am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2003 ist er Mindener Stadtschreiber sowie Metropolenschreiber in Paris.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.11.2003

Der Mann ist verliebt
In den pädagogischen Eros: Roland Kochs „Ins leise Zimmer”
Der Mann, der heute zum ersten Mal den Unterrichtsraum betritt, soll den Studenten beibringen, wie man gute Essays und Gedichte schreibt. Jetzt steht er vor der Klasse, und während er mit einem Ohr einer Wortmeldung zuhört, ordnet er die Studenten schon mal nach Kategorien. Da sind zum Beispiel „die Metaphysiker, die eigentlich die empirischen Verhältnisse verachten”. Die, das merkt man gleich, mag er ganz und gar nicht.
Der 1959 geborene Roland Koch war mehrmals Gastprofessor am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, jetzt spielt sein jüngster Roman „Ins leise Zimmer” dort. Die Empirie verachtet er ganz und gar nicht, im Gegenteil, von den Fahrplänen, die sein Held Paul einzuhalten, den Wohnungsbesichtigungen, die er zu absolvieren hat, erzählt er uns recht viel. Zwischen diese Verrichtungen passt eine Handlung, die sich nicht weniger wirklichkeitsnah gibt: sie könnte glatt ein empirisches Verhältnis darstellen.
Täglich pendelt Paul von Amsterdam nach Leipzig zur Arbeit, am Abend, bevor er einnickt, sieht er kurz seine Frau Gabriele und die Tochter Bérénice. Das Pendeln strengt an, der Unterricht auch. Aber es gibt im Seminar auch Interessantes: Pauls Augenmerk fällt bald auf Olivia, die sich leider sehr schlecht kleidet. In den folgenden Seminarsitzungen ist Olivia mal schroff, mal reizend, mal ahnungslos, mal gut vorbereitet, und sie zieht sich immer besser an. Kurz und gut, Paul erliegt ihrem Charme. Er ist verliebt!
Spannend sein will dieses Buch nicht. Es hat sich vorgenommen, genau zu sein. Leider ist es ein bisschen verbissen in seiner Anstrengung, seine Botschaften an den Leser zu bringen. In zahlreichen Klammern liefert es entweder Informationen nach, die dem Leser helfen sollen, eine bestimmte Stimmung zu verstehen, oder Gedankenblitze Pauls, die ihm auch helfen sollen, eine bestimmte Stimmung zu verstehen (zu fühlen, was der Autor gerade fühlt). Manche Leute setzen jedes zweite Wort in Anführungszeichen, um „ironisch” zu wirken, verraten aber nur die Angst, nicht das richtige Wort getroffen zu haben. Hier setzen die Klammern nach, um das jeweils gemeinte Gefühl zu fixieren. Nicht zu vergessen sind die Fragezeichen, die den Leser bei der Hand nehmen wollen: „Trinkt Paul Rotwein nur aus Sehnsucht?” Wir sind skeptisch.
Den pädagogischen Eros hätte Koch entspannt aus seinem Buch herauswerfen sollen. Dem Leser zuzutrauen, die Feinheiten zu verstehen, hätte überhaupt keine Überforderung dargestellt. Ganz besonders schön wäre es aber gewesen, wenn der Autor aus dem Literaturinstitut herausgegangen wäre und das Buch an der frischen Luft geschrieben hätte. Da hätte es dann auch spielen können. Das wäre doch noch lange keine Metaphysik gewesen, oder?
KAI MARTIN WIEGANDT
ROLAND KOCH: Ins leise Zimmer. Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 240 Seiten, 18,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2003

Sparflamme bin ich sicherlich
Am Institut funkt's: Roland Kochs brillant-bittere Liebesgeschichte

Man kennt solche Geschichten. Verheirateter Universitätsdozent, Ende Dreißig, verliebt sich in jüngere Studentin. Er lehrt französische Essayistik und kreatives Schreiben. Sie arbeitet an einer Hausarbeit mit dem beziehungsreichen Titel "Literatur und Moral". Und was sich für sie auf dem Papier schon schwierig genug gestaltet, gerät ihm im Leben dann vollends aus dem Ruder. Paul, Roland Kochs intellektuell geschulter Held, verguckt sich nämlich dummerweise nicht nur zum Spaß in die attraktive "Olivia" mit der unmöglichen Frisur. Er verzehrt sich vielmehr schon bald regelrecht vor Sehnsucht nach ihr - auf langen Zugfahrten.

Einmal wöchentlich pendelt der Romanist von seinem Wohnsitz in Amsterdam hinüber gen Osten, nach Leipzig, wo er immer freitags an einem "Institut" unterrichtet, das man leicht als das 1995 wiedereröffnete ehemalige Johannes R. Becher-Institut erkennen kann. Hier, in seinem Seminar, ereilt Paul in Gestalt von Olivia nichts Geringeres als die "Katastrophe", wie er selbst treffsicher bemerkt. Schließlich streitet die junge Frau nicht nur dafür, "daß Literatur moralisch sein muß", und vertritt damit genau das Gegenteil von Pauls Kunstauffassung, die "erleuchtet, aber eben nicht erklärt".

Die Studentin verkörpert auch sonst in ihrer rotzigen Eigenwilligkeit genau das, was er nicht (mehr) ist. Olivia kommt und geht, wann sie will. Sie ist mal schlecht, mal gut gekleidet. Sie sagt manchmal gar nichts, um dann plötzlich wieder halbstündige Monologe zu halten. Mit einem Satz: Olivia heißt nicht nur so, sie ist auch die Liebe in olivgrüner Anarchisten-Uniform, die geradezu martialisch über Paul hereinbricht wie ein Unwetter, gegen das er sich nicht wehren kann. Schon nach der ersten Seminarsitzung geht ihm das Gesicht Olivias nicht mehr aus dem Kopf, vor allem die "trotzig oder verächtlich oder angewidert hochgezogene Oberlippe". Paul beginnt, Phantasie-Dispute mit seiner Studentin zu führen. Amors Pfeil hat ihn tief getroffen. Und anders als in gängigen Campusromanen, wo Professorenaffären in der Regel lediglich dazu dienen, mehr oder weniger unterhaltsame Intrigen in Gang zu bringen, gewinnt Pauls Schwärmerei schnell eine existentielle Dimension und wächst sich zur Sinnkrise aus.

Wie Kochs Vorgängerroman "Paare" kann man "Ins leise Zimmer" ebenfalls als Erfahrungsbericht einer Midlife-crisis lesen. Nur, daß diese hier als eine Art Post-Post-Pubertät daherkommt, weil dem Helden schlicht das Geld und die Festanstellung fehlen, um genretypisch an der Gleichförmigkeit einer etablierten Existenz zu leiden. Im Gegensatz zu seinem Vorläufer Jens, dem erfolgreichen Mathematiker auf der Suche nach neuen Herausforderungen, betrügt Paul seine Frau Gabriele nicht, um endlich wieder einmal etwas Abwechslung in einen erstarrten Alltag zu bringen. Er betrügt sie umgekehrt eher deshalb, weil ihm genau jene schniefige Routine fehlt, unter der Jens in "Paare" noch so gelitten hat. Wie viele heutige Akademiker zwischen dreißig und vierzig ist auch Paul ein unterbezahlter Dienstleister auf Abruf, der sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangelt.

Paul muß so unfreiwillig in einem pseudo-bohemistischen Provisorium verharren, um dann - wie zum Hohn - vor Studenten über die "Techniken des Essays" zu sprechen. Das macht dem bürgerlich geprägten Paul zu schaffen, um so mehr, als er Vater einer kleinen Tochter ist. Längst haben seine unsteten ökonomischen Verhältnisse ihren Nachklang in seinem Innenleben gefunden. Getrieben von der Furcht, seine Existenz in der Warteschleife könnte leckschlagen wie das Dach seiner Amsterdamer Wohnung, durch das im Roman symbolträchtig der Regen tropft, ist Paul inzwischen zu fast allem entschlossen, um endlich finanziell abgesichert zu sein.

"Ins leise Zimmer" ist zwar kein besonders gelungener Titel, aber einer, der andeutet, daß der wahre Betrug in diesem Roman weniger im fremden Bett als in der eigenen Seele stattfindet. Denn bei genauerer Betrachtung entpuppt sich Paul als innerlich gebrochener, unfreier Mann, für den die große Liebe schon bald zum großen Unglück wird, weil sie sich nicht in sein Ideal vom kleinen Glück mit Garten einpassen läßt. Nicht umsonst hält der Sicherheitsdenker im Buch ständig Ausschau nach schützenden Vaterfiguren und -anstalten. "Wie heimgekehrt" fühlt er sich, als er das erste Mal das Leipziger Institut betritt. An kreativer Freiheit ist der autoritätshörige Paul letztlich nur theoretisch interessiert. In seiner Alltagspraxis bevorzugt er hingegen klare Vorgaben. Ein Zwiespalt, den im Roman jene zwei Frauen verkörpern, die er "beide liebt", wie er sich eingesteht: einerseits die künstlerisch-unangepaßte Olivia, andererseits die nüchtern-pragmatische Gabriele, Mutter seiner Tochter und Wissenschaftlerin auf Jobsuche wie er.

Koch gibt diese Zerrissenheit in einem personalen Monolog wieder, der neben Beobachtungen und Gedanken auch Kommentare zu den eigenen Reflexionen enthält. Letztere sind in Klammern gesetzt, wirken manchmal etwas altklug, verstärken aber den Effekt, sich schnell mit dem Dozenten im Liebesrausch zu identifizieren. Darin liegt der perspektivische Kniff. Im Sog der suggestiven, fast tagebuchartigen Schilderung hat man zunächst unweigerlich Mitleid mit Paul, der sich als Opfer unglücklicher Umstände versteht. Je weiter man seinen Bericht allerdings liest, desto mehr offenbart sich in Halbsätzen, daß auch Pauls Wahrheit nicht die ganze Wahrheit ist - und er keineswegs nur ein Opfer darstellt, sondern in der Affäre mit Olivia tatsächlich einen höchst skrupellosen Täter abgibt, so wenn er Olivia erst lange überredet, ihn in Amsterdam zu besuchen, um sie dann geschmacklos neben Frau und Kind übernachten zu lassen.

Am Ende packt ihn dennoch das Fieber: klassisches Literaturmotiv dafür, daß eine innere Wahrheit gegen eine äußere Lüge revoltiert. Nimmt man die puren Fakten zusammen, verhält sich Kochs Schmalspur-Casanova wie ein Macho aus dem Bilderbuch, auch wenn er als Schöngeist hin und wieder bei einem Liebesgedicht eine Träne verdrückt. Das mag kein origineller Befund sein und von der Handlung her auch eine alte, traurige Allerweltsgeschichte. Roland Koch aber erzählt sie schonungslos und im Wissen um die Abgründe dahinter, so daß man atemlos weiterliest, gebannt bis zum Schluß.

GISA FUNCK

Roland Koch: "Ins leise Zimmer". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 240 S., geb., 18,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bei seinem Vorhaben, literarische Genauigkeit walten zu lassen, habe sich Roland Koch etwas überanstrengt, wodurch nämlich sein Roman für die Leser anstrengend werde, behauptet Kai Martin Wiegandt. Ein bisschen weniger Verbissenheit und mehr Gelassenheit hätte der Rezensent gern gesehen. Und wenn einer soviel Wert auf Genauigkeit und Feinheiten (statt auf Spannung) legt, dann sollte er vermeiden, setzt Wiegandt hinzu, dem Leser ständig auf die Sprünge helfen zu wollen. Indem er etwa in Klammern Informationen einfügt, die dem Leser die richtige Stimmung vermitteln helfen sollen. Aber auch der ständige Gebrauch von Fragezeichen ist für Wiegandt kein Zeichen von erzählerischer Souveränität. Worum es geht? Ein Literaturprofessor am Leipziger Literaturinstitut pendelt täglich zwischen Amsterdam und Leipzig und verliebt sich widerstrebend in eine Studentin. Mehr verrät Wiegandt nicht, wohl aber sein Missfallen darüber, dass sich Koch, selbst mehrfacher Gastdozent an besagtem Institut, nicht aus den heiligen Literaturstätten heraus auf die Straßen oder an die frische Luft getraut hat. Auf eine Formel gebracht: weniger Empirie und mehr Wirklichkeit sind erwünscht.

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