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Die ersten vierzehn Jahre seines Lebens verbrachte Arno Schmidt im kleinbürgerlichen Hamburg-Hamm: eine Vorstadtexistenz, die immer wieder Eingang in sein Werk gefunden hat. Der vorliegende Band versammelt Arno Schmidts Schilderungen seiner Jugend, die ergänzt werden von den Erinnerungen seiner Schulkameraden und den sehr persönlichen Notizen seiner Mutter. Der zeitliche Bogen wird bis in die fünfziger Jahre gespannt: Die anschaulichen Schilderungen der Hamburg-Besuche des Autors in den fünfziger Jahren hat seine Frau Alice Schmidt in ihrem Tagebuch notiert. Abgerundet wird der Band von den…mehr

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Produktbeschreibung
Die ersten vierzehn Jahre seines Lebens verbrachte Arno Schmidt im kleinbürgerlichen Hamburg-Hamm: eine Vorstadtexistenz, die immer wieder Eingang in sein Werk gefunden hat. Der vorliegende Band versammelt Arno Schmidts Schilderungen seiner Jugend, die ergänzt werden von den Erinnerungen seiner Schulkameraden und den sehr persönlichen Notizen seiner Mutter. Der zeitliche Bogen wird bis in die fünfziger Jahre gespannt: Die anschaulichen Schilderungen der Hamburg-Besuche des Autors in den fünfziger Jahren hat seine Frau Alice Schmidt in ihrem Tagebuch notiert. Abgerundet wird der Band von den großen Szenen aus Arno Schmidts Werk, die in Hamburg spielen. Mit zahlreichen, teils farbigen Abbildungen und Material aus unveröffentlichten Briefen und Tagebüchern.
Autorenporträt
Schmidt, Arno
Arno Schmidt (geboren 1914 in Hamburg - gestorben 1979 in Celle), wuchs in Hamburg auf. Nach dem Tod des Vaters 1928 zog die Mutter mit ihm und seiner älteren Schwester nach Schlesien. Nach dem Abitur arbeitete Schmidt von 1934 an in der Textilindustrie in Greiffenberg, wo er auch Alice Murawski heiratete. 1940 wurde er zur Artillerie der Wehrmacht eingezogen. Im letzten Kriegsjahr meldete er sich an die Front, um einen kurzen Heimaturlaub zu bekommen, in dem er die Flucht seiner Frau nach Westen organisierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Arno Schmidt zunächst als Dolmetscher und trat 1949 mit der Erzählung Leviathan erstmals hervor. Nach sechsjährigen Vorarbeiten veröffentlichte Schmidt 1970 sein Hauptwerk Zettels Traum .

Kersten, Joachim
Joachim Kersten, geboren 1946, ist Rechtsanwalt, Herausgeber und Autor.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.12.2011

Der Sohn des Wachtmeisters
In Hamm und auf der Heide: Der nicht immer gut gelaunte Arno Schmidt im Nachkriegs-Hamburg und als Fotograf
Hamm ist ein extrem unsympathischer Teil von Hamburg. Schon der Name klingt wie etwas, das man nicht sehen muss. Und wer durch die monotone Reihe gesichtsloser Backsteinblöcke im Osten Hamburgs fährt, wird das Gefühl kaum los, dass Nachkriegsdeutschland hier niemals verschwunden ist. Hamm, das sind die typischen Wohngrabsteine der europäischen Stadt, deren totale Anspruchslosigkeit den Ruf des Sozialbaus als Vorhölle des Stumpfsinns mit verursacht haben.
Arno Schmidt hat diese Art des Wiederaufbaus nach dem Krieg als eines der „niederschlagendsten Erlebnisse“ seines Lebens bezeichnet. Denn das Hamm, in dem Schmidt geboren wurde und seine Kindheit verbrachte, war zwar weit ärmer als heute, das aber mit Würde und Stil. Die Vorkriegsbebauung des Arbeiterstadtteils, der 1943 bei der Operation Gomorrha nahezu vollständig zerstört wurde, bestand aus einfachen Gründerzeitbauten und stilistisch angepassten Klinkerhäusern, deren Existenz das Gebiet heute zu einem begehrten Wohnquartier machen würde.
Von dem Schutthaufen an Stelle seines Geburtshauses, auf den Schmidt 1948 bei seiner ersten Rückkehr nach Hamburg kletterte, sah er aber nur noch leere Ruinenlandschaft, die ihn schnell bereuen ließen, seinen Erinnerungen diesen Schock angetan zu haben. Als „noch ernüchternder“ aber beschrieb Schmidt seinen nächsten Besuch in Hamm 1963, als das Viertel als simpelste Organisation von „Asphaltstraßen und nüchtern betonierten Häusern“ wieder auferstanden war. Die zweite Zerstörung der Stadt durch einen Wiederaufbau im Geiste liebloser Moderne nahm Schmidt sofort als das urbane Trauma wahr, als das man es noch heute empfinden muss.
Nicht nur in seinen Romanen und Briefen hat Schmidt immer wieder die Erinnerung an den Zustand Hamms vor der Vernichtung für sich und seine Leser wachgehalten, er hat auch ehemalige Schulkameraden sowie seine Mutter angestiftet, die gemeinsame Vergangenheit ausführlich zu beschreiben. In „Arno Schmidt in Hamburg“ komponiert der Herausgeber Joachim Kersten nun aus den Zeugnissen seines Umfelds sowie verstreuten Fragmenten aus Schmidts Literaturproduktion ein spannendes Requiem auf das proletarische Leben in Hamburgs wildem Osten aus der biographischen Perspektive der Schmidts.
Kombiniert mit historischen Fotos und Faksimiles wird das Leben der Polizistenfamilie in durchaus widersprüchlichen Aussagen dokumentiert. Die freundlichen Erinnerungen seiner Mutter versieht der Sohn oft mit ätzenden Kommentaren, die das einfache, aber anständige Leben der Familie, das Clara Schmidt entwirft, als unbefriedigend, eng, gewalttätig und untreu beschreiben.
Aber auch die Erinnerungen seiner Schulkameraden konnte Arno Schmidt selten für sich stehen lassen. In nörgelnden Fußnoten und ironischen Einfügungen wendet er die Beschreibung einer harten, aber herzlichen Realschulzeit ins eher Verblödete. Schrebergartenfreuden, Freibankfleisch und erwachende Sexualität gehören ebenso zu diesem Stadtrandkosmos wie die Erlebnisse des Wachtmeisters Otto Schmidt während der Kapp-Putsch-Krise oder im roten Gängeviertel.
Das bekannte Hamburg rund um die Alster kommt in diesem Leben im Proleten-Kiez kaum vor. Erst in den späteren Aufzeichnungen von Schmidts Frau Alice werden in rührender Fürsorge Tandem-Ausflüge aus ihrem Heidedomizil ins Nachkriegs-Hamburg beschrieben, die Arno Schmidt als empfindliche, mieslaunige Eremitenfigur charakterisieren, und das bizarre Paar in die Kunsthalle, die Staatsbibliothek und an die Landungsbrücken führen. Es sind vor allem diese schön und schlicht geschriebenen Paarerlebnisse aus der Feder von Alice Schmidt, die über die stichelnd distanzierte Egozentrik von Arno Schmidts Erinnerungen hinaus ein rundes Bild der Beziehung des jungen Autors zu seiner Geburtsstadt zeichnen.
Eine atmosphärische Ergänzung zu diesen Ehejahren in der freiwilligen Absonderung auf dem Land liefert der Band „Arno Schmidt als Fotograf“, der die stets quadratischen Landschaftsaufnahmen von Arno Schmidt in Bargfeld und anderswo versammelt. Zwar tragen manche der Autoren ein wenig dick auf, was die Originalität von Schmidts Naturfotos der abwechslungsarmen Heidelandschaft betrifft, aber für die Lektüre seiner eigentümlichen Weltbetrachtungen, für die er sich von den Menschen zurückzog, liefern diese Gelegenheitsbilder trotzdem eindrückliche Stimmungen – und machen vielleicht gerade wegen ihrer Kargheit wieder Lust auf die wunderliche und spöttische Eigenart von Arno Schmidts verzettelter Literatur.
TILL BRIEGLEB
JOACHIM KERSTEN (Hrsg.):Arno Schmidt in Hamburg. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2011. 168 Seiten, 22,99 Euro.
JANOS FRECOT (Hrsg.): Arno Schmidt als Fotograf. Entwicklung eines Bildbewusstseins. Verlag Hatje Cantz, Ostfildern 2011. 160 Seiten, 29,80 Euro.
Arno Schmidt hat seinen Arbeitsplatz in Bargfeld zwischen 1965 und 1972 fotografiert (links) : die Reiter, die nicht auf Pferden, sondern auf Karteikarten saßen, die Brille, die Bücher, das Radio mit der ausgestreckten Antenne. Außerdem hat Arno Schmidt sich selber fotografiert (oben) und nicht nur die Falten auf der Stirn undatiert gelassen. Vielleicht steckt in der Kastenbrille, in der Topfpflanze, in der sehr leeren Tischplatte und der Physiognomie des Autors eine unerzählte Geschichte.
Fotos: Arno Schmidt, Hatje Cantz
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Au weia, das klingt ja nicht gerade sympathisch, was Rezensent Till Briegleb über dieses Buch erzählt. Aber was soll's, wenn Arno Schmidt liebenswürdig gewesen wäre, wäre er Radiomoderator geworden. Der Band beschreibt im wesentlichen Schmidts Geburtsort Hamm in Hamburg. Vor dem Krieg war Hamm ein Arbeiterviertel, arm, aber doch von einer gewissen architektonischen Würde, so Briegleb. Nach dem Krieg wurde es dann als gesichtsloses Mietskasernenviertel wieder aufgebaut. Schmidt war schockiert über diese zweite Zerstörung. Er hat in Briefen an ehemalige Schulkameraden und seine Mutter viel darüber geklagt und die Empfänger aufgefordert, sich ihrerseits an früher zu erinnern, erzählt Briegleb. Diese Briefe, die Schmidt "nörgelnd" und "ätzend" kommentiert hat - sie waren ihm oft zu sentimental -, hat jetzt Joachim Kersten gesammelt und zusammen mit alten Fotos und Faksimiles zu einem Band zusammengestellt. Briegleb hat ihn mit Interesse gelesen, denn über Hamm und die Schmidt-Familie hat er einiges erfahren. Für Schmidts Griesgrämigkeit wurde er außerdem mit einigen sehr schönen Beschreibungen Alice Schmidts über gemeinsame Ausflüge in die Innenstadt Hamburgs entschädigt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Das Buch [...] ist nicht nur ein Freudenquell für den Schmidtgläubigen. " Die Welt, 09.02.2012