Astronauten von der Erde landen auf einem femden Planeten, auf dem die Evolution zu einer völlig aberwitzigen Gesellschaftsordnung geführt hat. Denn Affen - Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans - herrschen über diese Welt, während die primitiven Menschen als Sklaven und wissenschaftliche Versuchsobjekte dienen. Bald geraten die Neuankömmlinge ebenfalls in Gefangeschaft, und der einzige Ausweg besteht darin, sich den Affen als intelligente Wesen zu erkennen zu geben. Doch das hat katastrophale Folgen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.08.2001 Lesetipp zum Wochenende
Beteigeuze Odyssee
„Planet der Affen”,
ein Roman von Pierre Boulle
Eine historische Flaschenpost, jeder hat schon von ihr gehört, wenige nur haben sie wirklich gelesen: „Ich vertraue dieses Manuskript dem Weltall an, nicht in der Hoffnung, Beistand zu erlangen, sondern in dem Bemühen, dadurch die furchtbare Geißel zu bannen, die die Menschen bedroht. Gott sei uns gnädig!”
„Die Menschheit?” unterbricht gleich bei diesen ersten Sätzen einer der ersten Zuhörer, und wird unwirsch zurecht gewiesen: „So steht es hier . .. Unterbrich mich nicht gleich am Anfang.”
Und so geht es weiter: „Was mich, Ulysse Mérou betrifft, ich habe mit meiner Familie Zuflucht im Raumschiff gefunden. Unsere Ernährung ist auf Jahre hinaus gesichert: Wir züchten an Bord Gemüse, Obst und Geflügel. Es fehlt uns an nichts. Vielleicht finden wir eines Tages einen gastfreundlichen Planeten: eine Hoffnung, die ich kaum zu äußern wage. Hier folgt nun der wahrheitsgetreue Bericht meines Abenteuers.”
Odysseus gepaart mit Robinson – der starke Einsatz großartiger singulärer Konstellationen der Menschheitsgeschichte ist nicht zufällig – er dient als Gegengewicht zu jener ganz anderen, zur Affenheitsgeschichte gewissermaßen, die im „Planet der Affen” erzählt wird, dem Roman von Pierre Boulle, den Franklin J. Schaffner erstaunlich werkgetreu auf die Leinwand brachte – mit Charlton Heston als Space-Odysseus – und von dem das neue Remake von Tim Burton – ab Ende August in unseren Kinos – sich radikal absetzen musste. Nun ist der Roman wieder aufgelegt, und sein Charme wirkt genauso intensiv wie damals in den Sechzigern.
„Es war im Jahre 2500, als ich mit zwei Begleitern das Raumschiff bestieg. Der Zweck des Unternehmens bestand darin, jene Regionen des Alls zu erreichen, die der riesige Stern Beteigeuze beherrscht. Es war ein ehrgeiziges Unternehmen, das ungeheuerlichste, das man sich auf Erden jemals vorgenommen hatte ...”
Man weiß, welche Rolle der große Stern Beteigeuze bei der Entstehung des Films „Beetlejuice” von Tim Burton spielte. So darf man denn auch die mythische Dimension nicht vergessen, in der der Originalroman beginnt – um den Schauder, den Horror nachzuvollziehen, mit dem dann die Geschichte erzählt wird. Das Pathos ist absolut glaubwürdig, es verdankt sich der klassischen Tradition der französischen Aufklärung, von Rousseau, Descartes bis Céline. Die Menschenwelt wird reflexiv auf den Kopf gestellt, und all die Fragen werden durchgespielt von Handeln und Intention, menschlicher und tierischer Entwicklung, natürlicher und artifizieller Intelligenz. Wo eigentlich, fragt sich unser Ulysse, beginnt die Nachäfferei ...
Am Ende wächst natürlich die Depression, angesichts der Erkenntnisse, die der einsame Held auf dem „fremden” Planeten machen muss. Aber es wächst das Rettende auch, ein merkwürdiges Hochgefühl: „Nicht umsonst hat es mich, Ulysse Mérou, auf diesen Planeten verschlagen. Mir ist es auferlegt, hier eine Wiedergeburt der Menschen zu bewirken ... Nun habe ich also das, was mich seit einem Monat quält, beim Namen genannt. Gott würfelt nicht, wie einmal ein Physiker sagte. Im Kosmos gibt es keinen Zufall. Meine Reise zum Beteigeuze war durch das Schicksal vorbestimmt, und an mir liegt es nun, mich des Auftrags würdig zu erweisen und diese verlorene Menschheit zu retten.”
Ulysse ist, das kommt also als dritter Mythos dazu, aufdringlich messianisch inspiriert. Ob die Welt aber wirklich noch Wert darauf legt, überhaupt gerettet zu werden, das lässt schon dieser Roman mit sanfter Ironie in der Schwebe.
FRITZ GÖTTLER
PIERRE BOULLE: Planet der Affen. Roman. Aus dem Französischen von Alexandra und Gerhard Baumrucker. Überarbeitete Neuausgabe. Wilhelm Heyne Verlag (Band 20081), München 2001. 188 Seiten, 15,55 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Beteigeuze Odyssee
„Planet der Affen”,
ein Roman von Pierre Boulle
Eine historische Flaschenpost, jeder hat schon von ihr gehört, wenige nur haben sie wirklich gelesen: „Ich vertraue dieses Manuskript dem Weltall an, nicht in der Hoffnung, Beistand zu erlangen, sondern in dem Bemühen, dadurch die furchtbare Geißel zu bannen, die die Menschen bedroht. Gott sei uns gnädig!”
„Die Menschheit?” unterbricht gleich bei diesen ersten Sätzen einer der ersten Zuhörer, und wird unwirsch zurecht gewiesen: „So steht es hier . .. Unterbrich mich nicht gleich am Anfang.”
Und so geht es weiter: „Was mich, Ulysse Mérou betrifft, ich habe mit meiner Familie Zuflucht im Raumschiff gefunden. Unsere Ernährung ist auf Jahre hinaus gesichert: Wir züchten an Bord Gemüse, Obst und Geflügel. Es fehlt uns an nichts. Vielleicht finden wir eines Tages einen gastfreundlichen Planeten: eine Hoffnung, die ich kaum zu äußern wage. Hier folgt nun der wahrheitsgetreue Bericht meines Abenteuers.”
Odysseus gepaart mit Robinson – der starke Einsatz großartiger singulärer Konstellationen der Menschheitsgeschichte ist nicht zufällig – er dient als Gegengewicht zu jener ganz anderen, zur Affenheitsgeschichte gewissermaßen, die im „Planet der Affen” erzählt wird, dem Roman von Pierre Boulle, den Franklin J. Schaffner erstaunlich werkgetreu auf die Leinwand brachte – mit Charlton Heston als Space-Odysseus – und von dem das neue Remake von Tim Burton – ab Ende August in unseren Kinos – sich radikal absetzen musste. Nun ist der Roman wieder aufgelegt, und sein Charme wirkt genauso intensiv wie damals in den Sechzigern.
„Es war im Jahre 2500, als ich mit zwei Begleitern das Raumschiff bestieg. Der Zweck des Unternehmens bestand darin, jene Regionen des Alls zu erreichen, die der riesige Stern Beteigeuze beherrscht. Es war ein ehrgeiziges Unternehmen, das ungeheuerlichste, das man sich auf Erden jemals vorgenommen hatte ...”
Man weiß, welche Rolle der große Stern Beteigeuze bei der Entstehung des Films „Beetlejuice” von Tim Burton spielte. So darf man denn auch die mythische Dimension nicht vergessen, in der der Originalroman beginnt – um den Schauder, den Horror nachzuvollziehen, mit dem dann die Geschichte erzählt wird. Das Pathos ist absolut glaubwürdig, es verdankt sich der klassischen Tradition der französischen Aufklärung, von Rousseau, Descartes bis Céline. Die Menschenwelt wird reflexiv auf den Kopf gestellt, und all die Fragen werden durchgespielt von Handeln und Intention, menschlicher und tierischer Entwicklung, natürlicher und artifizieller Intelligenz. Wo eigentlich, fragt sich unser Ulysse, beginnt die Nachäfferei ...
Am Ende wächst natürlich die Depression, angesichts der Erkenntnisse, die der einsame Held auf dem „fremden” Planeten machen muss. Aber es wächst das Rettende auch, ein merkwürdiges Hochgefühl: „Nicht umsonst hat es mich, Ulysse Mérou, auf diesen Planeten verschlagen. Mir ist es auferlegt, hier eine Wiedergeburt der Menschen zu bewirken ... Nun habe ich also das, was mich seit einem Monat quält, beim Namen genannt. Gott würfelt nicht, wie einmal ein Physiker sagte. Im Kosmos gibt es keinen Zufall. Meine Reise zum Beteigeuze war durch das Schicksal vorbestimmt, und an mir liegt es nun, mich des Auftrags würdig zu erweisen und diese verlorene Menschheit zu retten.”
Ulysse ist, das kommt also als dritter Mythos dazu, aufdringlich messianisch inspiriert. Ob die Welt aber wirklich noch Wert darauf legt, überhaupt gerettet zu werden, das lässt schon dieser Roman mit sanfter Ironie in der Schwebe.
FRITZ GÖTTLER
PIERRE BOULLE: Planet der Affen. Roman. Aus dem Französischen von Alexandra und Gerhard Baumrucker. Überarbeitete Neuausgabe. Wilhelm Heyne Verlag (Band 20081), München 2001. 188 Seiten, 15,55 Mark.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Anlässlich der Neuverfilmung des Film-Klassikers durch Tim Burton ist auch die Romanvorlage neu erschienen: und das ist, findet jedenfalls Fritz Göttler, durchaus auch gut so. Der "Charme" des zuerst in den 60er Jahren veröffentlichten Buches, meint er, ist noch "genauso intensiv" wie einst. An Mythischem wird nicht gespart - der Held, der auszieht, die Menschheit zu retten, ist "Odysseus gepaart mit Robinson", dazu eine Prise Messias -, auch an Pathos nicht, das sich aus der Tradition der Aufklärung herleitet. Aber auch das findet Göttler "glaubwürdig". Schließlich bleibe die eine Frage, ob die Menschheit überhaupt gerettet werden will, "mit sanfter Ironie in der Schwebe."
© Perlentaucher Medien GmbH
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