Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 8,25 €
  • Gebundenes Buch

"Die Zeichen Gottes" sind ein zentrales Motiv im Koran - Nasr Hamid Abu Zaid entschlüsselt diese Zeichen vor ihrem historischen Hintergrund. Er ermöglicht so einen modernen Blick auf die heilige Schrift des Islam und den Propheten Mohammed. Dabei geht es nicht nur um historische Fragen oder spirituelle Aspekte muslimischer Praxis, sondern auch um Themen wie Geschlechterbeziehung, Gewalt, Demokratie und Menschenrechte. Fest steht: Der Islam ist im Umbruch, vor allem auch in Europa. Einer der prominentesten zeitgenössischen Reformtheologen lässt die Leser aus erster Hand an der aktuellen Debatte teilhaben.…mehr

Produktbeschreibung
"Die Zeichen Gottes" sind ein zentrales Motiv im Koran - Nasr Hamid Abu Zaid entschlüsselt diese Zeichen vor ihrem historischen Hintergrund. Er ermöglicht so einen modernen Blick auf die heilige Schrift des Islam und den Propheten Mohammed. Dabei geht es nicht nur um historische Fragen oder spirituelle Aspekte muslimischer Praxis, sondern auch um Themen wie Geschlechterbeziehung, Gewalt, Demokratie und Menschenrechte. Fest steht: Der Islam ist im Umbruch, vor allem auch in Europa. Einer der prominentesten zeitgenössischen Reformtheologen lässt die Leser aus erster Hand an der aktuellen Debatte teilhaben.
Autorenporträt
Abu Zaid, 1943-2010, war einer der prominentesten zeitgenössischen Reformtheologen weltweit. Insbesondere wegen seiner Koraninterpretation wurde er 1995 in Ägypten von seiner Frau zwangsgeschieden und lebte in den Niederlanden im Exil.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.06.2008

Wie legt man den Koran aus?

Der Reformtheologe Nasr Hamid Abu Zaid entkräftet im Gespräch mit Hilal Sezgin Vorurteile über den Islam - Vorurteile, die so oft gehört wurden, dass sie vielen als wissenschaftlicher Konsens gelten.

Über kein anderes Buch ist in den vergangenen Jahren kontroverser diskutiert worden als über den Koran. Ohne Vorwissen ist er keine leichte Lektüre, sich ihm unbefangen zu nähern ist ebenfalls kaum möglich - das gilt für Nichtmuslime wie für Muslime. Spätestens seit dem 11. September ist er im Westen als gewalttätige Doktrin verschrien und als Quelle von Unterdrückung. Jedes neue Attentat von Al Qaida macht Muslime zu Verbrechern und den Islam zum Hauptangeklagten; als Beweis für seine Zerstörungswut werden Koranverse zitiert, in deren kämpferischem Vokabular sich die tatsächlichen Taten widerzuspiegeln scheinen. Auf die Atmosphäre des Misstrauens reagieren Muslime mit einer instinktiven Verteidigungshaltung und versuchen, die Verurteilung ihrer Religion ihrerseits mit Koranzitaten zu widerlegen. In beiden Fällen werden die Belege nur selten kontextualisiert und verwandeln sich so in Schlagwörter, die in populistischer Weise Emotionen schüren. Unbewusst machen sich Nichtmuslime und Muslime damit die Rhetorik religiöser Fundamentalisten zu eigen. Sie bestätigen deren Logik und theologisieren ein gesellschaftspolitisches Problem.

Einen anderen Weg beschreitet Nasr Hamid Abu Zaid, der als einer der wichtigsten zeitgenössischen Islamreformer gilt. Statt den Koran zu verteidigen, möchte er Anleitungen geben, den Koran zu verstehen. Für ihn ist der Koran ein historischer Text, geschrieben und zusammengefügt von Menschenhand, der auf eine gesellschaftlich motivierte Suche nach Lösungen bestimmter historischer und politischer Probleme antwortet und sich deshalb an bestimmte Adressaten wendet - ausdrücklich oder implizit. Die koranischen Aussagen, folgert er daraus, können deshalb nicht wörtlich auf unsere Zeit übertragen werden, sondern es bedarf ihrer historischen Einordnung, einer hermeneutischen Analyse, um sie zu verstehen. Für diese These wurde Abu Zaid in seiner Heimat Marokko wegen Apostasie angeklagt, von seiner Frau zwangsgeschieden und lebt seitdem im niederländischen Exil, wo er an der Universität Utrecht den Lehrstuhl für Humanistik und Islam innehat. Welche Dimensionen sich tatsächlich durch eine diskursanalytische Untersuchung des Korans eröffnen, verdeutlicht der Reformdenker auf eindrucksvolle Weise mit seinem neuen Buch "Mohammed und die Zeichen Gottes", das Hilal Sezgin zusammen mit ihm veröffentlicht hat.

Die vierzehn Kapitel über die Entstehungsgeschichte des Korans, über historische Fragen und spirituelle Praxis und über Themen wie Geschlechterbeziehung, Gewalt und Fundamentalisten sind das Ergebnis einer Interviewreihe, die die Journalistin im Sommer 2007 mit Abu Zaid geführt hat. Der Islamwissenschaftler analysiert Suren, historische Zusammenhänge und Hadithe, die außerkoranischen Überlieferungen über Aussprüche und Handlungen des Propheten. Auf verblüffende Weise entkräftet er Vorurteile, die bei uns schon so oft gesagt und gehört worden sind, dass sie vielen inzwischen als wissenschaftlicher Konsens gelten.

"Jede religiöse Figur ist vor ihrem jeweiligen historischen Hintergrund zu betrachten, vor den Notwendigkeiten ihrer Zeit; und sie ist auch nach den Notwendigkeiten jener Zeit zu beurteilen, nicht nach den heutigen", schreibt Abu Zaid und porträtiert Mohammed als einen geselligen, erfolgreichen Kaufmann, den neben tiefempfundener Religiosität vor allem soziales und politisches Geschick auszeichnete. Seine Verwicklung in kriegerische Konflikte, die von Kritikern als Beweis für den Eroberungsanspruch des Islam gewertet wird, ergab sich fast automatisch aus den politischen Bedingungen der Zeit. Im Arabien des siebten Jahrhunderts gab es kein Rechtssystem und keine Macht, die das Recht durchsetzte. Das Einzige, was zählte, waren Stämme, deren Gemeinschaft sich durch Blutsverwandtschaft legitimierte.

Mit dem Islam begründete Mohammed dagegen eine Gesellschaft, deren Zusammenhalt auf gemeinsamen, höheren Werten basierte. Das Entstehen der neuen Glaubensgemeinschaft war von Anfeindungen und Konflikten begleitet, was die Aufrufe zum Kampf erklärt. Übersehen werde allerdings oft, meint Abu Zaid, dass dieser nur gegenüber denen erhoben werde, die der muslimischen Gemeinde gefährlich waren, nicht aber - wie von Fundamentalisten oft behauptet - gegen Andersgläubige als solche. "Weder Mohammeds eigene Gemeinde noch die frühen Kalifen haben diese Stelle so verstanden", schreibt Abu Zaid. Mit der Etablierung der Gemeinde wandelte sich die Botschaft des Korans von einer eschatologisch-spirituellen zu einer stärker sozio-politischen. Auch die Suche nach eigenen Rechtsnormen spiegelt sich im Koran wider, wobei nur sechzehn Prozent der 114 Suren sogenannte "juristische Verse" sind. Der Koran schuf neue Rechtsgrundsätze, schöpfte aber auch aus den damals üblichen Gewohnheitsrechten - viele Regelungen der Scharia sind somit keine Erfindung des Islam.

Die Gesellschaft der arabischen Welt war damals von starken Hierarchien geprägt, die zwischen den Geschlechtern differenzierten. Auf der Ebene des Religiösen macht der Koran keine Unterschiede zwischen Mann und Frau, in der sozialen Realität jedoch sieht auch er keine Gleichheit vor. Man dürfe nicht vergessen, dass der Koran ein Buch sei, das sich vornehmlich an Männer richte, weil er in einer männlich dominierten Umgebung entstand, schreibt Abu Zaid. Dennoch glaubt er eine Tendenz zur Gleichberechtigung im Koran zu finden, durch die sich die Stellung der Frau in der arabischen Welt verbesserte. Vor dem Islam hatte sie keinerlei Anrecht auf einen Erbanteil, der Koran hingegen spricht ihr ein Anrecht auf die Hälfte dessen zu, was einem Mann zusteht.

Die emanzipatorische Botschaft sei jedoch von islamischen Rechtsgelehrten des Mittelalters wieder ausgehebelt worden - die soziale Ordnung erwies sich auf Dauer stärker als der Koran. Ähnliches macht Abu Zaid für die Bedeutung der Ehe fest. Während der Koran im Zusammenhang mit der Eheschließung Zuneigung, Seele und Gegenseitigkeit erwähnt, fassten Juristen diese später als einen Vertrag über Kaufen und Verkaufen auf, obwohl der Koran es verbietet, einer Frau einen Ehemann aufzuzwingen. Die Tatsache, dass die Zwangsheirat in vielen muslimischen Ländern dennoch Realität ist, verdeutlicht einmal mehr, wie frei sogar religiöse Oberhäupter den Koran interpretieren.

Überein stimmen die einzelnen theologischen Richtungen nur darin, dass der Koran das Wort Gottes ist, das dem Propheten Mohammed in einer Zeitspanne von dreiundzwanzig Jahren offenbart wurde. Doch über alles, was darüber hinausgeht, wie einzelne Sätze zu verstehen sind, haben die islamischen Religionsgelehrten über fünfzehn Jahrhunderte gestritten. Das hermeneutische Dilemma begann schon zu Mohammeds Lebzeiten. Die meisten Koranverse wurden zwar schon damals aufgeschrieben. Doch das erste Koranmanuskript war ein im Grunde nicht lesbarer Text, der beim Rezitieren der Verse als Gedächtnisstütze dienen sollte. Später initiierten verschiedene Kalifen jeweils eigene Fassungen des Buches, die nicht die Chronologie der offenbarten Verse beibehielten. Der dialogische Charakter des Korans - die Offenbarung vollzog sich auf eine diskursive, dialogische und argumentative Weise - trat damit in den Hintergrund und ist nur noch bei einer genauen linguistischen Analyse der einzelnen Suren ersichtlich.

Abu Zaid ermöglicht nicht nur einen modernen Blick auf den Koran und den Propheten Mohammed: Sein Buch ist auch ein Manifest. Der Theologe ruft die muslimische Welt dazu auf, ihr Offenbarungsverständnis, die religiösen Dogmen und Moralauffassungen neu zu durchdenken und sich wieder für Impulse anderer Gesellschaften zu öffnen. Er fordert, dass jeder Muslim die Möglichkeit haben solle, sich wissenschaftliche Arbeiten zum Koran anzusehen und von ihnen zu lernen. Er kritisiert die Reglementierungswut der Muslime und ihren restriktiven Umgang mit Frauen, bei dem sie sich auf angebliche religiöse Traditionen berufen, tatsächliche Vorgaben des Korans aber missachten. Er plädiert für ein Erziehungssystem in Europa, das Schülern das Wissen an die Hand gibt, das notwendig ist, um den Koran historisch richtig verstehen zu können. Er bemängelt, dass der Koran üblicherweise auf Arabisch rezitiert wird, wodurch eine fruchtbare Kommunikation der Gläubigen mit dem Göttlichen verhindert werde. Bei seiner gesamten Argumentation weicht Abu Zaid nicht von seinen Ansprüchen als Wissenschaftler ab. Gleichzeitig zeugt sein Buch von einer tiefempfundenen Religiosität. Die Symbiose, die daraus entsteht, ist beeindruckend.

KAREN KRÜGER

Nasr Hamid Abu Zaid mit Hilal Sezgin: "Mohammed und die Zeichen Gottes". Der Koran und die Zukunft des Islam. Herder Verlag, Freiburg 2008. 222 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Als "geradezu volkstümliches Denkvergnügen" feiert Rezensent Ludwig Ammann dieses Buch, in dem der kritische Islamwissenschaftler Nasr Hamid Abu Zaid seine Thesen im Gespräch mit der Journalistin Hilal Sezgin erläutert. Denn hier würden äußerste transparent und bei aller Verständlichkeit mitnichten unterkomplex Abu Zaids, die engstirnige Buchstabengläubigkeit konservativer Islamgelehrter unterlaufende, Thesen entwickelt, und zwar eben "äußerst verständlich" wie Amman lobt. Auch las er gern, das Abu Zaid Mohammend nicht allein als Protokollant der göttlichen Worte versteht, sondern als den, der sie überhaupt erst in Sprache fasste. Auch gaben ihm die höchst intelligenten und vielschichtigen Thesen jede Menge Material, um künftig argumentativ besser gegen einen eindimensional-dogmatischen "Copy-and-Paste" Islam gewappnet zu sein.

© Perlentaucher Medien GmbH