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Die Kunst Giambattista Tiepolos ist zur Signatur einer ganzen Epoche geworden. In Kirchen, Palazzi und Villen schuf der große Maler Gemälde, die von Leichtigkeit und Grazie gekennzeichnet sind. Doch obwohl Zeitgenossen die Ästhetik seiner Malerei schätzten, ergründete keiner das Geheimnis hinter Tiepolos 33 Scherzi und Capricci. In einer faszinierenden Studie dieser merkwürdigen Radierungen erkennt der Autor Roberto Calasso das gelehrte und formsichere Selbstverständnis Tiepolos. In seinem brillanten Buch erzählt er das Werk des berühmten Malers aus Italien im 18. Jahrhundert.

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Produktbeschreibung
Die Kunst Giambattista Tiepolos ist zur Signatur einer ganzen Epoche geworden. In Kirchen, Palazzi und Villen schuf der große Maler Gemälde, die von Leichtigkeit und Grazie gekennzeichnet sind. Doch obwohl Zeitgenossen die Ästhetik seiner Malerei schätzten, ergründete keiner das Geheimnis hinter Tiepolos 33 Scherzi und Capricci. In einer faszinierenden Studie dieser merkwürdigen Radierungen erkennt der Autor Roberto Calasso das gelehrte und formsichere Selbstverständnis Tiepolos. In seinem brillanten Buch erzählt er das Werk des berühmten Malers aus Italien im 18. Jahrhundert.
Autorenporträt
Roberto Calasso, 1941 in Florenz geboren, lebt als Schriftsteller und Verleger des Adelphi Verlags in Mailand. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Bei Hanser erschienen zuletzt: Der Traum Baudelaires (2012) und Die Glut (2015).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2010

6. Eine Farbe namens Tiepolo

Tiepolorosa. Gibt es in keinem Fachgeschäft der Welt. Dafür aber bei Marcel Proust. In der "Suche nach der verlorenen Zeit" wird einer von Odettes Morgenröcken so beschrieben: "Rose Tiepolo". Als müsste man dann schon wissen, was gemeint ist. In Würzburg, auf Tiepolos Treppenhausfresko, hat der Himmel stellenweise ein so unglaubliches Rosa, dass man meint, es sei Odettes Morgenrock. Ansonsten ist Tiepolos Rosa aber eher eine Haltung als eine Farbe, ein ständiges Changieren zwischen dem Samtenen und dem Seidigen, dem Dramatischen und dem Leichten, zwischen glutvoller Inbrunst und der Kälte des Zynikers, der zugibt, dass diese Inbrunst etwas Vorgespieltes ist. Vielleicht war Proust auch nur auf den Hautgout des Dekadenten und Spätzeitlichen aus, der in dem Namen Tiepolos mitschwingt: Giambattista Tiepolo galt ja immer als der Letzte seiner Art, als das Ancien Régime der Malerei, als einer, der noch barocke Herrscherallegorien an Schlossdecken tuschte, als woanders schon heroisch an der Moderne gemeißelt wurde. Nach ihm triumphierten die Klassizisten, ein König wurde geköpft, Napoleon nannte das Würzburger Residenzschloss ein "Pfarrhaus", und Tiepolo war verdammt und vergessen. Erst in den letzten zwanzig Jahren wird er wieder gefeiert, seine malerische Intelligenz wird gerühmt. Besonders vehement tut das jetzt der Schriftsteller Roberto Calasso, der vor allem die "Scherzi" im Blick hat (Grafiken, die sozusagen die Brücke von Rembrandt zu Goya schlagen). Vor Tiepolo geraten regelmäßig auch akademische Kunsthistoriker ins wilde Poetisieren. Insofern ist es fast heilsam, wenn einer mal von vornherein nichts anderes vorhat als ein Tiepolo-Gemälde aus Worten. Calasso gelingt hier herrliche, malereiinduzierte Lobpreisungsliteratur. Und er fasst sich beim Schwärmen immer noch knapper als Proust.

Peter Richter

Roberto Calasso: "Tiepolos Rosa". Hanser, 335 Seiten, 24,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.12.2010

Die Schlange guckt und rettet
Göttinnen in Rosa: Roberto Calassos bestechende Beschreibung, dämonische Deutung
und schwärmerische Ehrenrettung des Hofmalers Giambattista Tiepolo Von Hannelore Schlaffer
Eine Apologie Giambattista Tiepolos (1696-1770), ja sogar die Rettung des Hofmalers für das demokratische Bewusstsein des heutigen Lesers versucht Roberto Calasso, der Mailänder Verleger, Editor der Werke Nietzsches und Autor bedeutender kulturphilosophischer Schriften, mit seinem neuesten Buch. Den Titel entnimmt Calasso dem Werk eines der seltenen Bewunderer des venezianischen Malers: Marcel Proust verwandte die Farbe „Rose Tiepolo“ zur Beschreibung der Gewänder Oriane de Guermantes’, Odettes und Albertines. Calasso versammelt die kleine Schar von Tiepolos Verehrern – neben Proust Canova, Barrès und Mark Twain – und stellt sie gegen das große Heer seiner Verächter auf, dessen Anführer der italienische Kunsthistoriker Roberto Longhi (1890-1970) war.
Dieser hatte sich die Abwertung von Tiepolos Kunst zur Lebensaufgabe gemacht. Von seinem ersten Werk an, der „Kurzen, aber wahren Geschichte der italienischen Malerei“ (1914), spielte Longhi den Römer Caravaggio gegen den Venezianer Tiepolo aus. Das fiel nicht schwer, da Tiepolos Stern schon zu Lebenszeiten sank, sein Werk nach seinem Tod jedenfalls schnell ganz vergessen war – was allerdings Calasso eher als einen Vorteil ansieht: „Der Rost der Geschichte hat an ihm nicht ansetzen können.“
Der Autor unternimmt seine Ehrenrettung in zwei Etappen: die erste als leidenschaftlicher Liebhaber, die zweite als universal gebildeter Kunstkenner. Liebe löst die Zunge und auch die Calassos, wenngleich diesmal Nachdenklichkeit und Scharfsinn sie in Zaum halten. Calasso nutzt seine Schwärmerei zur minutiösen Beobachtung und bestechenden Beschreibung von Tiepolos Farben und Figuren; es steht ihm dafür eine raffinierte Sprache zur Verfügung – sie ist auch für den Übersetzer keine geringe Schwierigkeit, die aber glücklich gelöst worden ist.
Das erste Drittel des Buches überträgt die Malerei in Worte; man liest von Tiepolo und sieht zugleich diese „transzendentale Fluidität, mit der er sich dem Raum überließ“. Tiepolo sei, so Calasso, ein Künstler, der kaum je eigene Absichten hatte, der sich vielmehr ganz von den Wünschen und Entwürfen der Auftraggeber lenken ließ. Diese wollten in Glorie gemalt sein und Tiepolo reagiert, „indem er die Glorie an sich darstellt“. Eine Theatertruppe aus den immergleichen Figuren, meist jungen Göttinnen und alten Orientalen, zieht als Karawane von einem Ende Europas zum anderen, von Venedig über Würzburg nach Madrid, um immer wieder dasselbe Schauspiel in fast immer denselben Kostümen auf Wand- und Deckengemälden aufzuführen.
Die Begeisterung, mit der Calasso diese himmlischen Feste beschreibt, verlangt freilich einen Leser, der ihm in der Leidenschaft für Tiepolo in nichts nachsteht, wie anders könnte er die hohe Kunst dieser Ekphrasis schätzen und genießen? Autor und Leser stehen im Verhältnis zweier Vertrauter, die sich einem schwärmerischen Gespräch über die gemeinsame Geliebte überlassen.
Über solch seliger Träumerei und Weltvergessenheit meldet sich allerdings nur allzu schnell das schlechte bürgerliche Gewissen Calassos. Unversehens etikettiert er den Götterhimmel als Utopie eines Gesellschaftszustandes, von dem „man auch heute noch träumen könnte: eine nach oben nivellierte Demokratie, wo die ästhetische Qualität jede Statusdifferenz auslöscht“. Das hört sich inmitten der inspirierten Einfühlung in das Werk dieses Hofmalers ein bisschen an wie das Räuspern eines Gesitteten, der bei einem Exzess ertappt wurde.
Um den Widerspruch zwischen ästhetischer Faszination und politischer Distanz zu mildern, entdeckt Calasso, der bereits in früheren Büchern („Hochzeit des Kadmos und der Harmonia“, „Der Untergang von Kasch“), unerwartete Zusammenhänge in den abendländischen Mythen ausmachte, auch hinter Tiepolos „erleuchteter Lust“ einen „dämonischen Roman“, der es erlaubt, das gesamte Werk des Malers zu entschlüsseln. In den Radierungen der Capricci und Scherzi, deren Entstehung in die Mitte von Tiepolos Schaffen fällt, entdeckt Calasso „ein Gewürz-, Drogen- und Giftschränkchen“, das „Tiepolos Geheimnis“ berge.
In der Nachfolge Edgar Winds weist Calasso dem so häufig auftretenden Motiv der Schlangen einen zentralen ikonographischen Platz im Werk Tiepolos zu. Im Anschluss an die alttestamentliche Erzählung von Moses, der das von Schlangen bedrohte Volk Israel durch Errichtung einer ehernen Schlange, Symbol und Präfiguration der Kreuzigung Christi, rettete – Tiepolo stellte dieses Ereignis in einer Art „Fries“ dar, der sich in der Accademia befindet –, entwickelt Calasso eine Theorie des Schauens. Er erhebt Tiepolos dämonisch-dunkle Druckgraphik zu einer Heilslehre der Kunst: Die eherne Schlange des Alten Testaments symbolisiere der Bedrohten „Rettung durch den Blick“ und sei eine Rechtfertigung der Malerei schlechthin. Diese kühne Schlussfolgerung verblüfft mehr, als dass sie überzeugen könnte.
Am Ende seines Buches lässt Calasso seiner Leidenschaft für Tiepolos Schönheiten wieder freien Lauf, beschreibt die Gemälde von „Antonius und Cleopatra“, die Tiepolo in zehn Jahren elfmal malte, die Deckenfresken der Würzburger Residenz, und erstellt damit einen Katalog der „morphologischen Varietäten“ von Tiepolos Figuren und Gewändern.
Calasso ist kein akademischer Kunsthistoriker. Er wendet sich, ähnlich wie Arnold Gehlen, nur ausnahmsweise und aus persönlichem Engagement der Kunst zu. Beide, Calasso wie Gehlen, können sich daher einen Stil erlauben, der Ergriffenheit nicht scheut und sie eingesteht. Die Analyse geht von Momenten ästhetischer Erregung aus und gelangt zu Einsichten, die über den akademischen Forschungsbefund hinausgelangen. Immerhin unterwarf der Philosoph Gehlen in dem Werk „Zeit-Bilder“ (1960) seine lustvollen Wahrnehmungen und verärgerten Abneigungen einem historischen Konzept und schrieb ein Stück Kunstgeschichte. Calasso hingegen dient die minutiöse Ikonographie als verschlungener Pfad, dem er folgt, um sich möglichst lange im Werk Tiepolos ergehen zu können – gerade so, als wolle er von seinem Vorbild lernen, selbst ein großer Maler zu werden, ein Maler in Worten.
Roberto Calasso
Das Rosa Tiepolos
Aus dem Italienischen von Reimar Klein. Carl Hanser Verlag,
München 2010. 336 Seiten. 24,90 Euro.
Liebe löst die Zunge,
doch der Scharfsinn des Autors
hält sie im Zaum . . .
. . . doch dann lässt er seiner
Begeisterung für Tiepolos
Schönheiten wieder freien Lauf
Roberto Calasso schaut in seinem Buch sehr genau auf die „transzendentale Fluidität“ des Malers Tiepolo, hierzulande berühmt durch seine Fresken in der Würzburger Residenz. Hier ein Detail aus dem Bischofspalast von Udine. Foto: Corbis
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In den Augen des Mailänder Erzählers, Essayisten und Verlegers Roberto Calasso wird der Maler Giambattista Tiepolo nicht genügend gewürdigt, auch wenn er gemeinhin als größter italienischer Maler des 18. Jahrhunderts anerkannt wird, teilt Friedmar Apel mit. Deshalb macht sich der Autor sehr enthusiastisch und mit viel Einfühlungsvermögen daran, die verborgenen Qualitäten Tiepolos ans Licht zu holen, die vor allem in den Scherzi und kleinen Gemälden der Spätzeit zu entdecken sind, erklärt der Rezensent, der sich von der Leidenschaft des Autors durchaus gerne anstecken lässt. Laut Calasso ging es dem Maler in seiner Kunst um eine "malerische Reflexion auf das Sehen selbst", und hier entdeckt er auch die eigentliche Modernität des Malers. Von der vom Autor so gepriesenen Tugend der "Sprezzatura", die darin besteht, die eigene "Gelehrsamkeit und Kunstfertigkeit" nicht extra zur Schau zu stellen, kann Apel allerdings bei Calasso mitunter nicht viel entdecken, denn er zeige gern, was er drauf habe, stellt der Rezensent fest. Mehr abgewinnen kann der Kritiker aber den leisen Tönen dieses Buches und die findet er auch zur Genüge in den Interpretationen der Radierungen, der kleinen Bilder oder in Einzelfiguren.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Tiepolos Malerei und Calassos grandiose Beobachtungsgabe ergeben eine glänzende Mischung. « The New York Times 20190516