Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 2,00 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Eine Dreiecksgeschichte in furchtbaren Zeiten: Zwei ungleiche Brüder, der eine ein brutaler Mörder und Vergewaltiger, der andere ein hässlicher Intellektueller, lieben dieselbe Frau. Es ist Lew, der Dichter, der die hinreißend schöne Jüdin Zoya bekommt. Die beiden ungleichen Brüder landen im Gulag. Im Rückblick berichtet der namenlose Bruder von den Schrecken des Lagers. Auch hier mordet er, um zu überleben, während der sanftmütige Lew sich aufgibt und daran zurückdenkt, was in der einzigen Nacht, die er mit Zoya verbracht hat, passiert ist. Martin Amis, der Erfolgsschriftsteller aus England, auf der Höhe seines Könnens.…mehr

Produktbeschreibung
Eine Dreiecksgeschichte in furchtbaren Zeiten: Zwei ungleiche Brüder, der eine ein brutaler Mörder und Vergewaltiger, der andere ein hässlicher Intellektueller, lieben dieselbe Frau. Es ist Lew, der Dichter, der die hinreißend schöne Jüdin Zoya bekommt. Die beiden ungleichen Brüder landen im Gulag. Im Rückblick berichtet der namenlose Bruder von den Schrecken des Lagers. Auch hier mordet er, um zu überleben, während der sanftmütige Lew sich aufgibt und daran zurückdenkt, was in der einzigen Nacht, die er mit Zoya verbracht hat, passiert ist. Martin Amis, der Erfolgsschriftsteller aus England, auf der Höhe seines Könnens.
Autorenporträt
Martin Amis, geboren 1949 in Swansea, ist einer der bedeutendsten englischen Gegenwartsautoren. Er ist der Verfasser von zahlreichen Romanen, Sachbüchern und Kurzgeschichtensammlungen. Martin Amis lebt in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.09.2008

Gott schickt seine Plagen
„Haus der Begegnungen”: Martin Amis erzählt vom Gulag
Der Ich-Erzähler macht eine makabre touristische Reise: eine „Gulag-Tour”. Mit einem Schiff, das heruntergekommen ist wie seiner Meinung nach alles in Russland, fährt er zu dem Lager im hohen Norden, in dem er einst zehn Jahre als Zwangsarbeiter lebte. Nun ist er mehr als achtzig Jahre alt. Für die Tochter seiner englischen Lebensgefährtin schreibt er seine Erinnerungen auf. Venus heißt sie und spielt in dem Buch keine große Rolle: Der Erzähler bemüht sich gar nicht erst, seine Erinnerungen im Hinblick auf sie als Leserin abzufassen. Er schreibt an die Göttin der Liebe. „Die Wahrheit wird dir weh tun”, kündigt er an – und damit ist jede Indezenz gerechtfertigt.
Im Zweiten Weltkrieg war der Mann Soldat in der Roten Armee: „In den ersten drei Monaten des Jahres 1945 vergewaltigte ich mich durch das, was dann bald Ostdeutschland heißen sollte.” Und im Lager, wo er wegen seiner angeblich falschen politischen Einstellung dann eingesperrt wird, ist er auch nicht zimperlich: Einem Widersacher den Arm zu brechen – das ist für ihn Routine. Nur für seinen Halbbruder Lew, der zufälligerweise in dasselbe Lager gesteckt wird, hegt er eine halb innige, halb verächtliche Zärtlichkeit. Lew ist klein. So man dem Ich-Erzähler glauben darf, ist er hässlich. Zudem weigert er sich, in der allgemeinen Verrohung aufzugehen: Wenn er geschlagen wird, wehrt er sich nicht. Eines hat der mickrige Mann seinem Halbbruder aber voraus: Er hat die Frau bekommen, die der andere liebte, Zoya: „Ihr Gang, ihr berühmtes wankendes Stolzieren setzte eine Welt in Bewegung.” Nach Stalins Tod, als die Lebensverhältnisse im Gulag etwas besser werden, darf Zoya ihren Mann Lew einmal besuchen. Für solche Besuche ist ein Haus auf einem Hügel vorgesehen, das „Haus der Begegnungen”. Und der Erzähler ist von Eifersucht zerfressen, weil nicht er es ist, der Zoya dort beiwohnen darf. Insgeheim hofft er, die physische Zermürbung möge Lew impotent gemacht haben.
Zoya, Lew, der Ich-Erzähler, ihre Zerwürfnisse und ihre Liebe: Martin Amis ist ein Meister der Schilderung familiärer Ressentiments. Seine durchaus zynische Lakonik ist oft komisch, oft poetisch. Wie kunstvoll seine Sprache ist, zeigt sich in der Übersetzung nicht zuletzt immer dort, wo diese sich besonders merkwürdig ausnimmt. „Die Lager waren schandbar und in hohem Maße ein Nahrungsphänomen.” Über Zoya wird gesagt: „Mit jedem einzelnen Kleidungsstück, das sie ablegte, schenkte sie mir enorme Mengen Faszination.” Daphnis, der Sohn des Götterboten Hermes, wird als weiblich apostrophiert. Ein Satz ist der reine Dadaismus: „Flüssige Tentakeln von Ungerechtigkeit und Schuld entströmten dem Kopf des Oktopus, und du als sein Schnabel.” Solche Missgriffe beiseite gelassen, kann man die Geschichte im großen und ganzen gut lesen.
Leider hat Martin Amis selbst einiges dazu getan, das Unbehagen des Lesers zu wecken. Seit einigen Jahren hat er ein Faible für politische Kommentare, das seinen Romanen nicht gut bekommt.
Eine Geschichte aus der Perspektive eines Mannes zu erzählen, der zehn Jahre im Gulag verbracht hat, ist an sich schon eine außerordentliche Herausforderung, zumal für jemanden, der dort nicht war. Amis’ Buch muss sich messen lassen an Erzählungen wie denen von Warlam Schalamow. Dem Vergleich hält „Haus der Begegnungen” nicht stand. Zwar hat Amis sich in die Literatur über den Gulag eingelesen – aber man merkt, dass er seine Kenntnisse aus zweiter Hand hat: Die „Erfahrung” endet, wo die Sekundärliteratur aufhört. Einzelne Versuche, originell zu sein, misslingen. „Im Lager trat einen der Hunger, wie ich mir das Treten eines Fötus vorstelle”, schreibt der Ich-Erzähler. Schon möglich, dass unter den Millionen Lagerinsassen einer diesen höchst ungewöhnlichen Vergleich gezogen hat – den sähe man dann aber gern aus der Psyche der Figur hergeleitet und nicht bloß als Aperçu eingestreut. Einmal hat der Erzähler die junge Venus – sie war Anorektikerin – in einem Krankenhaus durch einen Zaun hindurch gesehen: Da stand sie zusammen mit anderen anorektischen Patienten. Das hat ihn an den Gulag erinnert: Es sei „eine weitere symbolische Szene des zwanzigsten Jahrhunderts”. Solche und andere Bemerkungen legen den Verdacht nahe, da spreche nicht ein Mann, der im Gulag war, sondern der Autor selbst: Martin Amis.
Jenseits der privaten Verstrickungen ist „Haus der Begegnungen” Amis’ kritische Auseinandersetzung mit Russland. Der Erzähler redet von den Russen grundsätzlich so, als handele es sich um ein Volk, das einer kollektiven Mentalität gehorcht. Und diese passt ihm nicht. Nicht die UdSSR missfalle ihm, schreibt er, „sondern die nordeurasische Ebene. Mir missfällt die ,gelenkte Demokratie‘, und mir missfällt die Sowjetmacht”. Dass beides entstehen konnte, führt er auf die russische Mentalität zurück. Sein Bild von ihr bezieht er aus der Literatur, vor allem von Dostojewski – „warum sind wir so schwerfällig? Was macht uns so unbeweglich?” Über russische Romane hat Martin Amis manches Schöne zu sagen: „Jedesmal, wenn ein neuer Charakter auftaucht, wird die Erzählung unterbrochen, und plötzlich liest man etwas über seine Großeltern.” Dann wieder fasst er Werke der russischen Literatur so zusammen: „Gogol, Dostojewski, Tolstoi: jeder von ihnen beharrte auf einem russischen Gott (. . .) Der russische Gott gleicht nicht dem russischen Staat, sondern er weint und singt, während er seine Plagen schickt.” Das ist kitschig.
Kitsch entsteht, wenn man sich nicht um die differenzierte Betrachtung einer Sache bemüht. Kitsch ist Stammtisch mit Anspruch. Weil Amis politisch denkt und Putins Russland nicht mag, leistet er sich seine Generalisierungen. Sein Ich-Erzähler schreibt: „Für pauschale Verallgemeinerungen könnte ich einen Mord begehen.” Der Venus, für die er sein Manuskript verfasst, empfiehlt er: „Also achte im Folgenden auf weitere nationale Charakterzüge.” Wäre die Figur des Erzählers plausibel entworfen, würde man solche Sätze hinnehmen. Von dem Schriftsteller Amis, der sich seiner Figur als Sprachrohr bedient, mag man es nicht lesen. FRANZISKA AUGSTEIN
MARTIN AMIS: Haus der Begegnungen. Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Werner Schmitz. Hanser, München 2008. 237 Seiten, 19, 90 Euro.
Er hat die Frau bekommen, die der andere liebte.
Ihr wankendes Stolzieren setzte eine Welt in Bewegung.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Durchaus beeindruckt ist Tilman Urbach von Martin Amis' Roman um einen 86-jährigen einstigen Rotarmisten, der Jahre in einem stalinistischen Lager gefangen war, bevor er in den USA zu Geld kam und jetzt im Alter nach Russland zurückkehrt. Er schätzt den unsentimentalen, "vibrierenden Ton" des Autors und bescheinigt ihm, für seine Schilderungen der Gewalt-Mechanismen im Gulag gründlich recherchiert zu haben. Die Stärke des Buchs sieht er vor allem dort, wo es um die Beschreibung der Unmöglichkeit von Liebe im brutalen Lager-System geht. Kritisch äußert sich Urbach allerdings über eingestreute Passagen zum gegenwärtigen, korrumpierten Russland, wo Amis Wertungen abgibt, die ihm bisweilen doch etwas "banal und klischiert" anmuten. Er kreidet dem Autor vor allem an, Authentizität zu suggerieren, "die er nicht gewährleisten kann". Ein "Gulag-Roman" aber ist "Haus der Begegnungen" für Urbach nicht. Er sieht darin eher ein "sensibel ausgestaltetes Lehrstück über die Verwerfungen der Liebe im Schatten von Gewalt und Tod".

© Perlentaucher Medien GmbH