Marktplatzangebote
7 Angebote ab € 2,85 €
  • Gebundenes Buch

Eine kosmische Kulturgeschichte - Dieter Hildebrandt erzählt, wie die Sonne seit Jahrtausenden unser Denken und Fühlen bestimmt. Die Zyklen des Kalenders, die Kugelgestalt der Erde, die Ordnung der Gestirne, die Gesetze der Gravitation: all diese Kenntnisse leiten sich aus einer jahrtausendelangen Beobachtung der Sonne ab. Die Grundlagen unseres Lebens sind auf das Kraftwerk am Himmel angewiesen. Und noch bevor die Menschen von diesen komplizierten Zusammenhängen eine Ahnung hatten, erfanden sie den Sonnenkult als Vorläufer aller monotheistischen Religionen. In der Biographie der Sonne, wie…mehr

Produktbeschreibung
Eine kosmische Kulturgeschichte - Dieter Hildebrandt erzählt, wie die Sonne seit Jahrtausenden unser Denken und Fühlen bestimmt. Die Zyklen des Kalenders, die Kugelgestalt der Erde, die Ordnung der Gestirne, die Gesetze der Gravitation: all diese Kenntnisse leiten sich aus einer jahrtausendelangen Beobachtung der Sonne ab. Die Grundlagen unseres Lebens sind auf das Kraftwerk am Himmel angewiesen. Und noch bevor die Menschen von diesen komplizierten Zusammenhängen eine Ahnung hatten, erfanden sie den Sonnenkult als Vorläufer aller monotheistischen Religionen. In der Biographie der Sonne, wie Dieter Hildebrandt sie darstellt, spiegelt sich die Biographie des Menschen und seiner Ideen. Ein außergewöhnliches, wunderbar geschriebenes Buch, voll überraschender und verblüffender Einsichten.
Autorenporträt
Dieter Hildebrandt, 1932 in Berlin geboren, lebt heute als freier Schriftsteller im Spessart. Im Carl Hanser Verlag sind zuletzt erschienen: Schillers erste Heldin (Das Leben der Christophine Reinwald, geb. Schiller, 2009) und Das Berliner Schloss (Preußens leere Mitte, 2011).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2008

Finsternisse kennt jeder Stern
Hier wird gegeben, ohne zu empfangen: Dieter Hildebrandts Ideengeschichte der Sonne / Von Lorenz Jäger

Die Sonne, das ist der Herrscher, der Souverän. Oder er ist ihr Sohn, wie der Pharao Echnaton. Dieser Gedanke ist universal, man findet ihn in der Metapher des "Sonnenkönigs" wie bei den präkolumbianischen Völkern Südamerikas. Was auf der Erde geschieht, kann für das frühe Bewusstsein nichts anderes bedeuten als eine Projektion des himmlischen Geschehens: Der Logos trat seinen Siegeszug an als Astro-logos. Souverän sein, das heißt vor allem: geben, sich wie die Sonne verausgaben, jenseits aller kleinlich-ökonomischen Berechnungen. Also: Großbauten errichten, Leben und Energie spenden, Maitressenwirtschaft wie bei August dem Starken oder Mobutu. Die Neueren sind geneigt, all diese Äußerungen unter Tyrannenwahn zu verbuchen, als sei der Puritanismus des Zeit- und Geldsparens die Norm schlechthin. Und wenn dann ein demokratisch gewählter Herrscher wie Mitterrand das alte Bild wiederbelebt, reibt man sich verwundert die Augen.

Der Souverän folgt nicht der Logik des Arbeitens und Sparens, er ist der Herr der Gabe, er verkörpert den exuberanten Überfluss in einer Welt, die ansonsten eben ist, wie man sie nur allzu gut kennt, eng, klein und der Berechnung unterworfen. Es war Georges Bataille, der eine ganze Gesellschaftstheorie auf die Verschwendung und Verausgabung gründen wollte. In den Worten dieses Denkers lautet der erste Satz des solaren Mythos: "Die Sonne gibt, ohne jemals zu empfangen." Das Sonnenzeichen des Löwen - von Dürer wurde der Zusammenhang in einem schönen Stich festgehalten - ist folglich das Lieblingstier der Herrscher.

Ein Buch über die Geschichte der Sonne im Bewusstsein der Völker ist ein notwendiges und zugleich schwieriges Unternehmen, denn es ist keiner akademischen Disziplin ganz zuzuordnen. Der reine Wissenschaftshistoriker wird sich auf den Kampf des geo- und des heliozentrischen Weltbildes konzentrieren und das mythologische Element verkleinern wollen. Der Philosoph könnte von den antiken Kosmostheorien sprechen, der Literaturwissenschaftler von den Anrufungen der Sonne in der Dichtung. So bleibt, wenn man keinen akademischen Sammelband produzieren will, als Verfasser nur der gebildete Laie, der Sachbuchautor. Dieter Hildebrandt ist das Wagnis eines solchen Buches eingegangen.

Aber mit dem Titel schon beginnen die Fragen. Kann man wirklich von der "Biographie unseres Sterns" reden? Sofort ist man geneigt, Verständnis für die Vertreterkonferenz bei Hanser aufzubringen, die für ein nicht leicht zu verortendes Buch einen möglichst griffigen, aktuellen Titel suchte. Aber ein Sachbuch hat auch eine Verpflichtung der Sache gegenüber, und die ist in diesem Fall nicht biologisch und nicht biographisch.

Hildebrandt ist ein Skeptiker, der gelegentlich den Apokalyptiker streift. Den wohltätigen Mythos der Sonne nimmt er auf, aber sofort setzt er ihm die gegenwärtige irdisch-kosmische Angst entgegen. Die Sonne: das kann auch die Katastrophe sein, die Klimaveränderung, die schwindende Ozonschicht. Das so unwahrscheinliche Verhältnis der Erde zur Sonne, die gerade den richtigen Abstand zueinander gefunden haben, ist ihm ein einmaliger kosmischer Zufall, Glücksfall, kein Ergebnis von "intelligent design".

Hildebrandts Geschichte der Sonne beginnt mit Echnaton, der den Kult der vielen Götter zugunsten des einen Sonnengottes verabschiedete - es war eine frühe Kulturrevolution, die, bei einem so vergeistigten und am Ende schwachen Herrscher nicht überraschend, in einer massiven Reaktion schon bei den unmittelbaren Nachfolgern endete. Dann folgen die ersten babylonischen Rationalisierungsversuche, Berechnungen von Sonnen- und Mondfinsternissen, dann kommen die vorsokratischen Kosmologen. Es ist eine sehr abendländische Geschichte, die hier entworfen wird, für die zeitgenössischen chinesischen Chroniken, die Finsternisse verzeichnen, muss man nach wie vor Willy Hartners glänzende Studien in dem Band "Oriens - Occidens" nachschlagen. Allerdings gibt Hildebrandt eine bündige Geschichte des aztekischen Sonnenopferkultes.

Zuvor aber stoßen wir auf die Auseinandersetzung des frühen Christentums mit der römischen Soldatenreligion des Mithras. Solar bestimmt war die Geburt des Sonnen-Mithras am 25. Dezember, ungefähr dem Moment, da das Licht wieder zuzunehmen beginnt. Neuere theologische Einwände gegen eine allzu große Annäherung von Christus und Sonnenwende, Sonnengott, wie sie der Wiener Kirchenhistoriker Hans Förster formulierte (F.A.Z. vom 24. Dezember 2007), spielen bei Hildebrandt keine Rolle, er beruft sich in seiner Darstellung auf das Eranos-Jahrbuch von 1943, das die damals plausiblen Deutungen von Psychologen und Altertumswissenschaftlern versammelte.

Und hier kommt man zu einer etwas grundsätzlichen Nebensache dieses Werks. Ist es eine Beckmesserei, wenn man feststellt, dass das Lektorat bei Hanser seine Pflicht gegenüber Buch und Autor versäumt hat? Thomas von Aquin fand ich durchweg nach Chesterton zitiert, den Empedokles nach einer Parmenides-Ausgabe, Cusanus nach Arthur Koestler, Hildegard von Bingen nach neueren Lebensbeschreibungen, Einstein nach dem Fischer-Lexikon Philosophie, Seneca nach einem populären Brevier, ja selbst Hans Blumenberg nach Sekundärtexten. So entsteht der Eindruck, dass man es mit einer populären Aufbereitung von ihrerseits schon populärwissenschaftlichen Schriften zu tun hat.

Der Dilettant ist eine liebenswürdige Figur, er soll nicht überstreng beurteilt werden, vor allem dann nicht, wenn er sich, wie Hildebrandt, einer echten und lohnenden Aufgabe am Ende doch mit Gewinn für den Leser gewidmet hat. So mag man die allzu anekdotenreichen Ausführungen zu Thomas von Aquin mit leichter Verstimmung überschlagen, vor allem, wenn sie zu dem Befund führen, aus den Schriften des Heiligen spreche der "Existenzialismus aller Zeiten". Es gibt genug anderes in diesem reichhaltigen Buch, was die Lektüre allemal lohnt.

Dieter Hildebrandt: "Die Sonne". Biographie unseres Sterns. Hanser Verlag, München 2008.

389 S., 19 Abb., geb., 23,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.04.2008

Schöner als die Sterne, die Orden der Nacht
Eine große Feuerkugel: Dieter Hildebrandt hat ein erhellendes Buch über die Sonne geschrieben – mit einem kleinen Sonnenfleck
„Die Sonne – Biographie unseres Sterns”: Hätte es dieses Buch nicht schon längst geben müssen? Genau genommen existiert ja nichts sonst, das Beachtung verdient. Sie ist das Zentrum unseres Kosmos (denn die vielen anderen Sterne sind viel zu weit weg, um uns zu betreffen), sie ist die erste Bedingung allen Lebens, ihre unentbehrliche, wohltätige und mitunter auch schädliche Wirksamkeit kann jeder jeden Tag am eigenen Leib erleben. Hildebrandt schließt sich der Verwunderung Friedrich Hebbels an: „Da staunen die Leute über ein Feuerwerk, aber für den Sonnenaufgang haben sie keinen Blick.” Er selbst hat sich vorgenommen, es anders zu machen und der Sonne wie der junge Newton unablässig ins Gesicht zu sehen. Newton erblindet fast darüber; und auch für Hildebrandt hält das Projekt seine Schattenseite parat. Doch davon später.
Eine solche „Biographie” hat es, wie Hildebrandt in witziger Zuspitzung formuliert, nicht nur mit einer, sondern mit drei Kugeln zu tun: der Sonne selbst, der Erde – und dem menschlichen Kopf. Es ist eine Familiengeschichte der kosmologischen Modelle geworden und zugleich eine Anthologie der Sonnenanbetung aller Zeiten; „Sonnengesänge”, von Echnaton, Franz von Assisi, Montaigne, Hölderlin stehen wie Gelenke zwischen der Gliedern der Kapitel. Im Grunde handelt es sich, trotz seines Umfangs von vierhundert Seiten, um einen gerafften, pointierten Kursus der menschlichen Geistesgeschichte überhaupt, so weit der Geist den Blick nach oben wendet.
Das verlangt einen geschärften Sinn für Ökonomie. Hildebrandt besitzt ihn, ebenso wie einen lebendigen, geistreichen Stil. Er wählt nicht immer die Fakten aus, die sich im Sinn einer von Triumph zu Triumph eilenden Fortschrittsgeschichte als weiterführend erweisen, sondern referiert zum Beispiel auch Galileis (falschen) Beweis für die Erdbewegung, der die Gezeiten nach der Analogie einer Schüssel deutet, in welcher das Wasser hin- und herschwappt, wenn man sie herumträgt, und folgert: „Auch wenn die Wissenschaft heute seine Gezeitenlehre als weitgehend erledigt betrachtet, war die These doch so verblüffend einleuchtend, für jedermann nachvollziehbar, dass man sagen könnte: Es gab von da an einen Kopernikanismus des gesunden Menschenverstandes.” So wird man angeregt, einmal darüber nachzudenken, was es mit dem gesunden Menschenverstand auf sich hat.
Und wie war das jetzt mit Newton und dem Apfel? Hildebrandt ist weit entfernt davon, den Treppenwitz entlarven zu wollen, und nimmt es Hans Blumenberg, der uns diese Anekdote „madig” macht, ein wenig übel. Vielmehr gilt: „Dabei hat die eine wie die andere Lesart ihre Plausibiltät, und beide zusammen ergeben erst die Lösung. Der Geistesblitz allein tut es nicht, aber er kann für Momente einen Gedankengang illuminieren, den man dann langwierig und tastend, irrend, aber zunehmend orientierungsgewiss, verfolgen will.” So spricht ein Dialektiker des Augenmaßes. Dazu stellt er einen wunderbaren Fund: einen japanischen Farbholzschnitt aus dem Jahr 1869 (als die Öffnung Japans zum Westen also noch ganz frisch war), die einen weniger vom Zweig fallenden als vor ihm schwebenden Apfel zeigt, ein fernöstliches Kleinod, und gegenüber, mit Anzug und Hut, einen übertrieben lümmelnden, doch feinen und versunkenen Abendländer, mit dem Kommentar: „Isaac Newton, sehr großer theoretischer Kopf, aber nicht eingebildet”.
Überhaupt lebt dieses Buch in nichts so sehr wie in der Auswahl und dem Arrangement seiner Zitate. In ihnen kulminiert die knappe und resolute Gestaltung der geistigen Porträts: des großen Ochsen der Gelehrsamkeit Thomas von Aquin, des wilden Rebellen Giordano Bruno, eines Sokrates, dem Hildebrandt einen geradezu hinterhältigen Zug entbindet, des jungen Kant, der sich mit im doppelten Wortsinn feuriger Energie die Landschaften der Sonne ausmalt. Ludwig XIV., der sonst als in Kälte erstarrte Staatsräson figuriert, darf den „Sonnengesang um 1650” sprechen, und auf einmal beginnt man den Sonnenkönig in dem, was er wollte, zu begreifen: „Als Bild wählte ich die Sonne . . . Sie ist ohne Zweifel das lebendigste und schönste Sinnbild eines großen Fürsten . . . durch die gerechte Verteilung des Lichts über die verschiedenen Himmelsgegenden der Welt, durch die Wohltaten, die sie überall spendet, durch das Leben, die Freude und die Tätigkeit, die sie überall weckt, durch ihre unaufhörliche Bewegung, bei der sie trotzdem stets in Ruhe zu schweben scheint, durch ihren ständigen und unveränderlichen Lauf, von dem sie niemals abweicht.” Als der letzten unter den Sonnenanbetern erteilt Hildebrandt Ingeborg Bachmann das Wort, „Sonnengesang um 1960”: „Schöner als der beachtliche Mond und sein geadeltes Licht, / Schöner als die Sterne, die berühmten Orden der Nacht, / Viel schöner als der feurige Auftritt eines Kometen / Und zu weit Schönrem berufen als jedes andere Gestirn, / Weil dein und mein Leben jeden Tag an ihr hängt, ist die Sonne.”
Da dieses große und in der Größe seines Gegenstands erstaunliche Werk so sehr aus dem Geist des Zitats erblüht, darf, nein muss man ihm die Grundbedingung seiner Existenz verzeihen: Um seine ungeheure Bahn ausschreiten zu können, hält es sich überwiegend nicht an die Originale, sondern seinerseits bereits an Kompilationen. Doch sollte man sich darüber im Klaren sein, was das für einen emphatischen Begriff von Allgemeinbildung bedeutet (und Hildebrandt hat ein eminent allgemeinbildendes Buch geschrieben). Damit wir in ihren Genuss kommen, bedarf es nicht mehr nur eines einzigen vermittelnden Scharniers, sondern, da auch der Vermittler schon auf Vermittlung angewiesen war, deren zwei. Dieser Wermutstropfen fällt in den übervollen Sonnenkelch: Ad fontes – das geht nicht mehr.BURKHARD MÜLLER
DIETER HILDEBRANDT: Die Sonne. Biographie unseres Sterns. Carl Hanser Verlag, München 2008. 390 S., 23,50 Euro.
Die Sonne ist die erste Bedingung allen Lebens, unentbehrlich, wohltätig, manchmal schädlich. Vor dem Hintergrund des Chaos leuchtet das Licht der Schöpfung: So zeigt es eine Intarsienarbeit Lorenzo Lottos (1480 - 1556) für Santa Maria Maggiore in Bergamo. picture-alliance / maxppp
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Insgesamt zufrieden ist Rezensent Lorenz Jäger mit dieser Geschichte der Sonne, die Dieter Hildebrandt vorgelegt hat. Er schätzt die erhellenden Ausführungen über den Sonnengott des Pharao Echnaton, die Berechnungen von Sonnenfinsternissen bei den Babylonieren, die vorsokratischen Kosmologien, den aztektischen Sonnnenopferkult usw. Allerdings hält er dem Verlag ein nachlässiges Lektorat vor. Konkret stört er sich daran, dass zahlreiche Autoren wie Seneca, Thomas von Aquin oder Einstein nach Sekundärtexten zitiert werden. So entsteht bei ihm der ungute Eindruck, bei dem Buch handle es sich um einen populärwissenschaftlichen Aufguss von bereits populärwissenschaftlichen Schriften. Doch offensichtlich wiegt dieser Einwand dann doch nicht so schwer. Denn letztendlich lobt er das Buch als lohnende Lektüre.

© Perlentaucher Medien GmbH