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Warum sind wir, wer wir sind? Sind wir vorherbestimmt durch unsere genetischen Voraussetzungen oder geprägt durch Umwelt und Erziehung? Bis heute spaltet diese Frage die Wissenschaft. Dem britischen Soziologen und Psychoanalytiker Christopher Badcock ist es nun gelungen, diesen Widerspruch in einer sensationellen Synthese aufzulösen. Er beweist, daß sich Darwin und Freud ergänzen. Gestützt auf Computersimulationen des evolutionären Geschehens gelingt es ihm zu zeigen, wie sich in der Evolution Verhaltensweisen durchsetzen, die Freud als psychische Mechanismen entdeckt hat.

Produktbeschreibung
Warum sind wir, wer wir sind? Sind wir vorherbestimmt durch unsere genetischen Voraussetzungen oder geprägt durch Umwelt und Erziehung? Bis heute spaltet diese Frage die Wissenschaft. Dem britischen Soziologen und Psychoanalytiker Christopher Badcock ist es nun gelungen, diesen Widerspruch in einer sensationellen Synthese aufzulösen. Er beweist, daß sich Darwin und Freud ergänzen. Gestützt auf Computersimulationen des evolutionären Geschehens gelingt es ihm zu zeigen, wie sich in der Evolution Verhaltensweisen durchsetzen, die Freud als psychische Mechanismen entdeckt hat.
Autorenporträt
Christopher Badcock, geboren 1946. Er lehrt an der London School of Economics Soziologie und hält Vorlesungen über Psychoanalyse und Evolution. Zuletzt veröffentlichte er: Essential Freud (1988), Oedipus in Evolution (1990) und Evolution and Individual Behavior.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2000

Verpackung ist alles
Christopher Badcock unterzieht die DNS einer Psychoanalyse

Gibt es ein "szientifisches Selbstmissverständnis" der Freud'schen Psychoanalyse? Das gelegentlich noch zitierte Schlagwort, das Jürgen Habermas in "Erkenntnis und Interesse" geprägt hat, verdankt sich einer Ambivalenz in Freuds Verhältnis zu den Naturwissenschaften. Zeitlebens hat er es als "grobe Ungerechtigkeit empfunden, dass man die Psychoanalyse nicht behandeln wollte wie jede Naturwissenschaft". Gleichzeitig hat er die Erwartung der naturwissenschaftlichen Bestätigung psychoanalytischer Forschungsergebnisse nie ohne sprachkritischen Vorbehalt formuliert: "Die Mängel unserer Beschreibung", die Freud 1920 in "Jenseits des Lustprinzips" der tiefenpsychologischen Metaphorik attestierte, "würden wahrscheinlich verschwinden, wenn wir anstatt der psychologischen Termini schon die psychologischen oder chemischen einsetzen könnten. Diese gehören zwar auch nur einer Bildersprache an, aber einer uns seit längerer Zeit vertrauten und vielleicht auch einfacheren."

Diese Ambivalenz blendet Christopher R. Badcock aus, indem er Freuds Psychoanalyse im Licht der jüngsten evolutionsgenetischen und soziobiologischen Erkenntnisse darstellt, durch die sie - ebenso wie der Darwinismus - erst zu sich selbst gekommen sein soll. Als "wissenschaftliche Runderneuerung" der Freud'schen Psychoanalyse weiß sich diese anachronistische Aktualisierung frei von historischen und philologischen Skrupeln. Selbst die große Monographie von Frank J. Sulloway über Freud als "Biologen der Seele" hat der Autor nicht zur Kenntnis genommen.

Die Synthese aus der von ihrem hermeneutischen und therapeutischen Selbstmissverständnis gereinigten Psychoanalyse und dem zur überhistorischen "allgemeingültigen Wahrheit" geläuterten Darwinismus nennt Badcock, der an der London School of Economics and Political Science Soziologie unterrichtet, "Psychodarwinismus". Seine Prämissen sind uns aus der Soziobiologie von Edward O. Wilson und Richard Dawkins wohl vertraut: Die natürliche Selektion wirkt sich nicht auf Individuen aus, sondern auf ihre Gene und bemisst sich an deren Fortpflanzungserfolg. Aus dieser Perspektive sind "Lebewesen kaum mehr als die Verpackung oder die Vehikel ihrer Gene". Badcock verleiht diesen Prämissen alltagspraktische Anschaulichkeit: "Von der Art und Weise her, wie wir uns für Waren (zum Beispiel im Supermarkt) entscheiden, wissen wir, dass eine Verpackung passend und unverwüstlich genug sein muss, um den Inhalt zu schützen; für den Käufer sollte sie aber auch attraktiv sein. Und genauso verhält es sich mit der Darwinschen Evolution."

Punkt für Punkt übersetzt Badcock nun die Erforschungsergebnisse der Freud'schen Psychoanalyse in die evolutionsgenetischen Erkenntnisse. Dabei gilt die Libido des Autors augenscheinlich seinem Apple-Macintosh-Computer. Das Betriebssystem für das Programm "Evolv-o-Matic", mit dessen Hilfe Badcock dem Leser das Prinzip der natürlichen Selektion vor Augen führt, ersetzt Sigmund Freuds "Wunderblock": Wo Freud die Konstruktion des seelischen Apparates erläuterte, indem er an die Stelle der Wahrnehmung, des Bewusstseins und des Unbewussten eine Zelluloidplatte, ein Deckblatt und eine Wachstafel treten ließ, erkennt Badcock verschiedene Portionierungen der als Festplatte gedachten Seele, zugängliche und "unsichtbare" Dateien.

Freuds "triebhafte Tendenz" stellt sich "in Wirklichkeit" als Verhalten dar, das in den Genen enkodiert ist; das Es und das Lustprinzip verkörpern dabei das Eigeninteresse der Gene im einzelnen Organismus, während das Ich mit den anderen Organismen im Gesellschaftsverband die Kosten und Nutzen für das jeweilige Eigeninteresse aushandeln muss. Besondere Bedeutung kommt dabei der "Verdrängung" zu, kann man den andern doch am besten über Absichten täuschen, über die man sich selbst täuscht: "Die natürliche Selektion könnte Täuscher für eine Entwicklung belohnen, durch die sie sich ihres Täuschungsmanövers nicht mehr bewusst sind."

Das Unbewusste ist also ein genetisches Programm im Dienst des Fortpflanzungserfolges, der Ödipuskomplex nur ein prähistorisches Relikt jener Strategien, mit denen Kinder ursprünglich ihre Eltern möglichst lange an sich binden wollten, um ihren späteren Fortpflanzungserfolg zu erhöhen, bevor sich diese im Interesse des eigenen Fortpflanzungserfolges neuem Nachwuchs zuwandten. Die Täuschung besteht wohl in dem, was man gemeinhin Liebe, in der Psychoanalyse Übertragung nennt. So jedenfalls erklärt sich Badcock das Lächeln der Kinder.

Folgerichtig kennt er Sprache nicht als verführerisches Instrument der menschlichen Selbstverständigung, sondern nur in ihrer metaphorischen Bedeutung als "Sprache der Gene": Sie codiere etwa den Geschlechtsunterschied als gegensätzliches Risikoverhalten; der höhere Narzissmus des weiblichen Geschlechts geht mit einer geringeren Risikobereitschaft einher, die ihrerseits beim männlichen Geschlecht stärker ausgeprägt ist. Damit gibt Badcock Freuds sogenannte dritte narzisstische Kränkung preis: Nachdem der Mensch von Kopernikus aus dem Mittelpunkt des Universums und von Darwin von der Spitze der Schöpfung gestoßen wurde, war das Ich mit Freud nicht Herr im eigenen Hause. Den letzten Punkt buchstabiert Badcock evolutionstheoretisch auf die zweite Kränkung zurück: Nicht dass das Ich nicht einmal Herr im eigenen Haus ist, stelle die Kränkung dar, sondern dass es nicht Herr seiner Gene ist. Der Preis für diese Provokationslust - die für jene Leser besonders reizvoll sein mag, die Niklas Luhmanns Texte vermissen - ist die Selbsternüchterung, zu der Freud uns angehalten hat.

Die metapsychologischen Erklärungsmuster ruhen bei Badcock - nicht anders als bei Freud - in biogenetischen Voraussetzungen, deren vermeintlich empirische Evidenz paradoxerweise in dem Maße wächst, in dem sie evolutionstheoretisch weiter in die archaische Früh- und Vorgeschichte des Menschen zurückgreifen. In "Jenseits des Lustprinzips" (1920) erstrahlte das entwicklungsgeschichtliche Urstadium des menschlichen Bewusstseins "in seiner größtmöglichen Vereinfachung als undifferenziertes Bläschen reizbarer Substanz", das der psychoanalytischen Traumatheoriebildung schutzlos ausgeliefert war; Badcock dringt bis zu seiner genetischen Codierung vor. Den "Psychodarwinismus" und die Psychoanalyse verbindet aber auch die Selbstimmunisierungsstrategie gegen kritische Einwände. Deutete Freud diese als Ausdruck des Widerstands gegen die Psychoanalyse, der seinerseits einer psychoanalytischen Erklärung bedürftig ist, glaubt Badcock, die Kritik des Darwinismus diene als Schutz des eigenen Selbstwertgefühls einem Evolutionsvorteil.

So wird man mit dem Autor nicht rechten können, ohne ihn in seinem Selbstverständnis zu bestätigen. Badcock hat durch die als naturwissenschaftliche Empirie getarnte Spekulationsfreude sowohl die Prähistorie wie die fernste Zukunft als Argument auf seiner Seite. Die Gegenwart der Psychoanalyse aber ist nicht dem Gen verpflichtet, sondern dem Wort. Für Freud hatte es die ambivalente "Zauberkraft", Wunden gleichzeitig zu schlagen und zu heilen. Für den französischen Psychoanalytiker Jacques Lacan war es das dialektische Instrument der Selbsterkenntnis und Selbstverkennung. Was der Mensch gewesen sein wird, kann man nur wissen, solange man die grammatikalische Verbform des Futurum exactum als vollendete Zukunft temporal versteht. Als uneinholbare Vorzukunft aber ist es der Modus der Ungewissheit über die eigene Bestimmung, in dem die Psychoanalyse das Los eines Wesens erkannt hat, das sich durch das Medium, in dem es zu sich selbst kommt, von sich abgeschnitten sieht: die Sprache.

MARTIN STINGELIN

Christopher Badcock: "Psychodarwinismus". Die Synthese von Darwin und Freud. Aus dem Englischen von Matthias Reiss. Carl Hanser Verlag, München 1999. 288 S., geb., 49,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Martin Stingelin scheint so manches recht fragwürdig zu finden an diesem Band. Zum einen stellt er fest, dass der Autor zahlreiche Aspekte, die seine Thesen in Frage stellen oder zumindest unter einem anderen Licht erscheinen lassen würden, einfach ausblendet. Zum anderen findet er auch Badcocks Auffassung problematisch, "die Kritik des Darwinismus diene als Schutz des eigenen Selbstwertgefühls einem Evolutionsvorteil". Dadurch läuft nach Ansicht des Rezensenten jegliche Kritik letztlich auf eine Bestätigung hinaus. Stingelin stellt bei Badcock eine "Provokationslust" fest, der er mit sachlichen Einwänden entgegen treten will. Kundig erläutert er daher Badcocks Thesen, die seiner Ansicht nach vor allem darauf hinauslaufen, dass das "Unbewusste (...) also ein genetisches Programm im Dienst des Fortpflanzungserfolges" ist und er stellt fest, dass Sprache für den Autor lediglich als "Sprache der Gene" relevant ist. Dementsprechend interpretiere Badcock beispielsweise auch die sogenannten "narzisstischen Kränkungen" Freuds, und das, obwohl die Psychoanalyse "nicht dem Gen (...), sondern dem Wort" verpflichtet sei.

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