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Wie reagiert das Recht auf Technik, wie reagiert der Gesetzgeber auf Technik? Dieser Frage geht der Autor der vorliegenden Arbeit am Beispielsfall des Internet nach.
Nachdem als theoretischer Hintergrund gängige Annahmen der Rechtswissenschaft zu dem Verhältnis von Recht und Technik dargestellt werden, beginnt der Verfasser mit der Schilderung der »tatsächlichen Geschichte des Internet«, seiner Entwicklung von einem staatlichen Forschungsnetzwerk und »Zufallsprodukt« hin zu dem weltumspannenden World Wide Web, dem Rückgrat der Informationsgesellschaft.
Vor diesem Hintergrund werden
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Produktbeschreibung
Wie reagiert das Recht auf Technik, wie reagiert der Gesetzgeber auf Technik? Dieser Frage geht der Autor der vorliegenden Arbeit am Beispielsfall des Internet nach.

Nachdem als theoretischer Hintergrund gängige Annahmen der Rechtswissenschaft zu dem Verhältnis von Recht und Technik dargestellt werden, beginnt der Verfasser mit der Schilderung der »tatsächlichen Geschichte des Internet«, seiner Entwicklung von einem staatlichen Forschungsnetzwerk und »Zufallsprodukt« hin zu dem weltumspannenden World Wide Web, dem Rückgrat der Informationsgesellschaft.

Vor diesem Hintergrund werden zunächst die Reaktionen zweier potentiell zentraler Akteure bei dem Aufbau des Informationsrechts beleuchtet: die der Europäischen Union und die der Vereinigten Staaten. Erst im Anschluß daran erfolgt die genaue Rekonstruktion der Reaktion des deutschen Gesetzgebers auf das Internet von der ersten Erwähnung im Bundestag bis zu konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen wie dem IuKDG. Dabei stellt sich heraus, daß der deutsche Gesetzgeber sehr autonom und innovationsfreudig die Herausforderungen der Informationsgesellschaft annehmen wollte.

Der Autor zeigt, daß sich viele Thesen zu dem Verhältnis von Recht und Technik zumindest an dieser zentralen Entwicklung nicht bestätigen lassen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2003

Vorreiter auf dem falschen Pferd
Besser spät als nie: Vanessa Géczy-Sparwasser macht die Rechtsordnung des Internet begreiflich

Auch Wissenschaftler haben ihre Alltagstheorien. Sie beginnen dort, wo die eigene Expertise aufhört, und sie umfassen erstaunlich grundsätzliche Fragen. Derzeit erhält das Rechtsgebiet Technikrecht allerlei wissenschaftliche, aber auch gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Das liegt zum einen daran, daß es sich als expandierende Disziplin konstituiert und immer neue Aspekte unter seine Obhut bringt. Zum anderen beansprucht es innerhalb der Rechtswissenschaften zunehmend eine Führungsrolle: Die im Technikrecht entwickelten dogmatischen Figuren und Instrumente sind womöglich Strukturmerkmale auch anderer Teile unserer Rechtsordnung.

Im Technikrecht könnte eine solche Alltagstheorie der Rechtswissenschaftler lauten: Das Recht kommt immer zu spät. Es hinkt der technischen Entwicklung notgedrungen hinterher und kann gar nicht anders, als in seiner Statik den dynamischen Prozeß technischer Innovation bloß nachzuvollziehen. In der Tat ist dies eine der Thesen, die Vanessa Géczy-Sparwasser zu Beginn ihres Buches nachzeichnet. Dort versammelt sie auf sieben Seiten sieben Annahmen über die Struktur gesetzgeberischer Reaktionen auf Technik. Das ist vom Umfang her knapp, inhaltlich aber treffend beobachtet. Den Rest ihrer Freiburger Dissertation widmet sie der empirischen Widerlegung dieser Thesen. Sie argumentiert dabei ausschließlich historisch anhand eines Gegenstandes, der dem Leser zunächst besonders ahistorisch erscheint: Die Gesetzgebung zum Internet.

Als Akteure treten dabei drei Institutionen auf: der amerikanische Bundesgesetzgeber, die Europäische Union und der Deutsche Bundestag. Das ist aus mehreren Gründen gut ausgewählt. Mit den Vereinigten Staatem wird nicht nur eine andere Rechtskultur mit einbezogen, sondern auch technisch die historische Keimzelle des Internet. Die Europäische Union wiederum ist dafür berüchtigt, daß sie mittlerweile nicht nur selbst die Mehrzahl der uns betreffenden Gesetze erläßt, die die Wirtschaft regeln. Zudem macht sie, selbst wenn ihre Gesetzgebung den Bürger nicht unmittelbar betrifft, dem nationalen Gesetzgeber mehr oder weniger detaillierte Vorgaben per Richtlinie. Womit wir nebenbei schon These sechs erwähnt hätten: Der nationale Gesetzgeber habe häufig gar keinen Reaktionsspielraum, da sein Verhalten gemeinschaftsrechtlich determiniert sei.

So heterogen die sieben nachgezeichneten Thesen sind, so gemeinsam ist ihnen doch eine Grundannahme. Denn unausgesprochen steht hinter den scheinbar disparaten Einzelbeobachtungen die Skepsis der Beobachter darüber, was denn der Gesetzgeber schon bei diesem Gegenstand vermag. Es ist eine Frage nach der Steuerungsfähigkeit des Rechts, über welche die technisch-wissenschaftliche Zivilisation ohnehin zunehmend ernüchternde Einsichten gewinnt und die sich hier dadurch potenziert, daß das Recht einen scheinbar übermächtigen Gegenstand ins Visier nimmt.

Géczy-Sparwasser, die den klassischen Rechtstheoretiker der kulturellen Verspätungsthese, den Soziologen William F. Ogburn, leider nicht erwähnt, ist sich mit ihm methodisch doch insofern einig, als daß bei beiden das exakte Kriterium des Phänomens seltsam blaß bleibt. Genügt für das Zuspätkommen des Rechts bereits die Nicht-Intervention nach der Erfindung? Oder muß das Recht erst eine Antwort auf manifeste gesellschaftliche Probleme verschlafen, um verspätet zu sein? Gerade beim Internet läßt sich diese Diskrepanz deutlich beobachten. Die bloße Vernetzung von Rechnern erfolgte bereits in den sechziger Jahren, aus der Vernetzung der Netze geht in den achtziger Jahren das Internet hervor, doch erst die Mitte der neunziger Jahre bringt den Kommerz auf die Auffahrt zur Datenautobahn. Ab wann war denn nun der Gesetzgeber in Zugzwang, um die Folgeprobleme von Datensicherheit, Urheberrecht sowie Verbraucher- und Jugendschutz zu lösen? Hier legt sich die Autorin zu wenig fest.

Deutlich wird aus Géczy-Sparwassers Ausführungen, daß die Vereinigten Staaten und Deutschland unterschiedliche Regulierungsstrategien eingeschlagen haben. Während die Amerikaner den juristischen Problemen durch punktuelle gesetzliche Interventionen begegnen wollten, rühmte sich Deutschland damit, als erster Staat weltweit einen Rechtsrahmen für das Internet geschaffen zu haben. Treibend mag dabei auch die schmerzhafte Erfahrung einer früheren Verspätung gewesen sein, bei der nämlich die technische Entwicklung des Internet verschlafen wurde: Zwar war man sich hierzulande des Potentials der Computernetzwerke bewußt gewesen, doch die Politik fällte eine strategische Fehlentscheidung gegen die in den Vereinigten Staaten verfolgten Ansätze. Hinter dem dortigen Standard TCP/IP, so die Argumentation 1988, stehe kein hinreichend mächtiges Normierungsgremium.

Der Stolz auf die so vorbildlich eingerichtete technische Normung durch private Akteure (Deutsches Institut für Normung, International Organization for Standardization) verleitete dazu, daß die europäische Forschungswelt per Sonderweg eine Vorreiterrolle einnehmen wollte. Sie setzte dabei leider auf das falsche Pferd, gab ihm aber heftig die Sporen. Gefördert wurde nämlich ein eigenes ISO/OSI-Übertragungsprotokoll, das in Genf entwickelt wurde. Darüber ging die Technikgeschichte schweigend hinweg. Der deutsche Gesetzgeber wollte bessere Arbeit machen und kam 1997 mit dem Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) heraus. Das war jedenfalls im Vergleich zu Europa und anderen Gesetzgebungsorganen früh. Im Gegensatz zum amerikanischen Gesetzgeber wurde sogar ein ganz neuer ordnungsrechtlicher Rahmen für das Internet geschaffen. Allerdings summieren sich mittlerweile die Reformwünsche.

Insgesamt überrascht die Autorin den Leser bei ihrer detaillierten Durchsicht der Gesetzgebungsprozesse mit einer Reihe von kontraintuitiven Befunden. Keine der gängigen Grundannahmen über das Verhältnis von Technik, Recht und Gesetzgebung trifft auf diesen Fall der Internetgesetzgebung zu: Die EU hatte dem deutschen Gesetzgeber für das IuKDG keine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gemacht. Rechtsvergleichung spielte im Gesetzgebungsprozeß keine Rolle. Trotz der Unsicherheit über künftige Entwicklungen wurde das IuKDG kein experimentelles Gesetz, und es beschränkte sich auch nicht auf bloße Zielvorgaben, ohne die Instrumente zu deren Erreichung zu benennen.

Unklar ist, welche Schlüsse über das Verhältnis von Recht und Technik man aus diesen Beobachtungen ziehen kann. Zuzustimmen ist der Autorin dahin gehend, daß die bisherigen theoretischen Modelle jedenfalls unterkomplex sind. Eine kulturelle Verspätung der Rechtstheorie gegenüber der Rechtspraxis gewissermaßen. Doch um eine Präzisierung zu erreichen, müßte man doch mehr Pflege für den eigenen Theoriebau aufwenden, der auch in jeder Erforschung der Praxis steckt. Deswegen vermißt man bei Géczy-Sparwasser eine wirkliche Analyse der Gesetzgebungsprozesse. Vielleicht hätte aber auch die Entstehung der Rechtstheorien über Technik inklusive ihrer Referenzgebiete einen Aufschluß darüber geben können, warum die Juristen hier zu Pessimismus neigen.

MILOS VEC

Vanessa Géczy-Sparwasser: "Die Gesetzgebungsgeschichte des Internet". Die Reaktion des Gesetzgebers auf das Internet unter Berücksichtigung der Entwicklung in den USA und unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben. Beiträge zum Informationsrecht, Band 3. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2003. 290 S., br., 78,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Autorin habe in ihrem Buch, berichtet der Rezensent Milos Vec, zunächst auf sieben Seiten sieben Annahmen "über die Struktur gesetzgeberischer Reaktionen auf Technik" versammelt. Das sei zwar vom Umfang her knapp, "inhaltlich aber treffend beobachtet". Der Rest der Freiburger Dissertation von Geczy-Sparwasser widmet sich dann, so erfahren wir, der "empirischen Widerlegung dieser Thesen". Die Analyse der "Gesetzgebungsgeschichte des Internet" dient in diesem Buch also wohl dazu, exemplarisch über sehr viel weitergehende Thesen zum Verhältnis des Rechts zur Technik nachzudenken. Es geht, wie Vec schreibt, um die "Frage nach der Steuerungsfähigkeit des Rechts". Die These, die hauptsächlich geprüft wird, scheint diejenige zu sein, wonach das Recht, wie Vec formuliert, "der technischen Entwicklung notgedrungen hinterherhinkt". Leider erfährt man nichts Genaues über die Ergebnisse, zu denen Geczy-Sparwasser gelangt ist -- was wohl daran liegt, dass das "exakte Kriterium des Phänomens" bei der Autorin "seltsam blass" bleibe, wie wir von Vec erfahren. Hier lege sich, meint der Rezensent, die Autorin, "zu wenig fest" -- hinsichtlich der Frage also, wann genau man von einem "Zuspätkommen" des Rechts sprechen kann.

© Perlentaucher Medien GmbH