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Natürlich sind Sie kein Psychopath. Vielleicht sind Sie eine Führungskraft oder ein sehr spiritueller Mensch. Sie haben Charme, Sie sind unerschrocken und risikofreudig, können harte Entscheidungen treffen. Sie sind sehr aufmerksam und können sich gut auf ein Ziel konzentrieren. Sie werden feststellen, dass das Eigenschaften sind, die Sie mit Psychopathen teilen. Selbstredend sind diese Eigenschaften nützlich, wenn man ein Serienmörder werden will. Aber auch im Gerichtssaal, in der Wirtschaft oder im OP. Oder im Leben eines Heiligen. Jede Medaille hat zwei Seiten. Was ist schon normal? "Eine…mehr

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Produktbeschreibung
Natürlich sind Sie kein Psychopath. Vielleicht sind Sie eine Führungskraft oder ein sehr spiritueller Mensch. Sie haben Charme, Sie sind unerschrocken und risikofreudig, können harte Entscheidungen treffen. Sie sind sehr aufmerksam und können sich gut auf ein Ziel konzentrieren. Sie werden feststellen, dass das Eigenschaften sind, die Sie mit Psychopathen teilen. Selbstredend sind diese Eigenschaften nützlich, wenn man ein Serienmörder werden will. Aber auch im Gerichtssaal, in der Wirtschaft oder im OP. Oder im Leben eines Heiligen. Jede Medaille hat zwei Seiten.
Was ist schon normal?
"Eine meisterhafte, sehr lesbare und unterhaltsame Darstellung der Psychopathie und ihrer Manifestationen im Alltag. Manche seiner Ideen werden kontrovers diskutiert werden, aber es ist ein höchst anregendes Buch für alle, die die "psychopathische" Welt, in der sie leben, besser verstehen wollen." Prof. Dr. Robert Hare, Erfinder der Psychopathy Checklist
Autorenporträt
Dutton, Kevin
Kevin Dutton ist promovierter Psychologe und Professor am Calleva Research Centre for Evolution and Human Science der Universität Oxford. Er ist Mitglied der Royal Society of Medicine und der Society for the Scientific Study of Psychopathy. Zahlreiche Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.06.2013

Räuberpistolen aus dem Reich der Serienmörder
Braucht unsere Gesellschaft Psychopathen? Der englische Psychologe Kevin Dutton geht der Normalität kranker Seelen nach - und beweist viel Lust an der Katastrophe

Kürzlich bestieg ich mit meiner Frau und unserem Säugling ein Flugzeug. In unserer Sitzreihe trafen wir auf einen freundlichen älteren Engländer. Schnell hatten wir uns darauf geeinigt, dass er den Sitz am Fenster nimmt, da wir mit dem Kind sicher des Öfteren würden aufstehen müssen. Trotz Klaustrophobie setzte ich mich in die Mitte, und als der Kleine auf meinem Schoß war, kommunizierte der Mann schön mit dem Kind. Später, wir überflogen spanische Berge, zeigte er mir die vielen künstlich angelegten Wasserspeicher, die von oben gut zu erkennen waren. Ich vermutete einen Ingenieur in ihm, aber er winkte ab, er sei Bauer im Ruhestand. Dieses Bewässerungssystem, ließ er mich im Ton der Bewunderung wissen, habe Franco gebaut: "Für Projekte dieser Dimension", fügte er hinzu, "braucht man einen Diktator. Normale Leute bringen so etwas nicht fertig."

Auf Diktatoren kommt Kevin Dutton, Professor für Psychologie am Cavella Research Center for Evolution and Human Sciences in Oxford, zwar erst wenige Seiten vor dem Ende seines neuen Buches über Psychopathen kurz zu sprechen. An meinen Sitznachbarn auf dem Flug erinnert er aber schon sehr viel früher. Ganz verliebt berichtet er von Menschen, die nach dem Phantombild des Mediziners Hervey Cleckley soziale Chamäleons sind und "nicht vertraut mit dem primären Fakten oder Daten dessen, wasnwir als persönliche Werte bezeichnen könnten".

Der Psychopath sei eine intelligente Person, charakterisiert durch Gefühlsarmut, fehlendes Schamgefühl, Egozentrik, oberflächlichen Charme, fehlende Schuldgefühle, Angstlosigkeit, Immunität gegen Bestrafungen, Unberechenbarkeit und Verantwortlichkeit, manipulatives Verhalten und viele kurzzeitige Beziehungen. Er hat nicht das geringste Interesse an der Freude oder dem Streben der Menschheit, zeigt Gleichgültigkeit gegenüber Schönheit und Hässlichkeit, Gut und Böse, ist für Liebe nicht empfänglich, während Schrecken und Humor ihn nicht berühren. Er versteht auch nicht die Rührung anderer, trotz scharfen Verstandes. Über alles redet er leichthin, ohne zu verstehen, dass er nichts versteht. Bei großer Kreativität und Fokussiertheit verfügt der Psychopath über besondere Skrupellosigkeit, in manchen Situationen, so Dutton, aber auch über besondere Empathie und außergewöhnlichen Altruismus. Am pathologischen Lügen erkennt man ihn.

Dutton erzählt nicht im zugleich leichten und ernsten Ton der großartigen angelsächsischen Populärwissenschaft, wie sie Michael Faraday einst begründete. Vielmehr stellt er seine eigene Lust an der Räuberpistole noch vor die Fakten. So erfährt man etwa, wie Dr. Helen Morrison mit dem Gehirn des Serienmörders John Wayne Gacy nach Hause fährt: Es schwappt auf dem Beifahrersitz in einem Konservenglas hin und her. Als eine der weltweit führenden Experten für Serienmörder hatte Morrison bei der Entnahme assistiert, nachdem sie zuvor im Prozess als Zeugin der Verteidigung aufgetreten war.

Gacy war danach hingerichtet worden, aber Morrisons Untersuchungen hatten keine Läsionen, Tumore oder andere Krankheiten feststellen können, die Gacy möglicherweise dazu veranlasst hätten, drei Dutzend junge Männer zu töten. Eines seiner Opfer, das Dutton beim Namen nennt, vermochte er so zu quälen, dass es um den Tod bat. Gacy, schreibt Dutton erheitert, habe irritiert erwidert, dazu noch kommen zu wollen. Worüber Dutton "später das Vergnügen hatte", mit Morrison bei einer Tasse Kaffee zu reden.

Der Blick des Psychologen auf den Menschen setzt sich mit medizinischer Pragmatik zwar wohltuend von den immer weltrettenden Sozialpädagogen ab - jeder kennt die befreiende Wirkung der kleinen Lüge im Alltag. Wer wollte schon im ewigen Terror der Tugenden leben, der gerade kein Weg zur Freiheit ist. Man darf auch Anhänger einer gewissen Gerissenheit sein oder wie Joseph Hellers Held Captain Yossarrián im Roman "Catch 22" feststellen, dass Menschen, die lügen, "im Ganzen erfinderischer, ehrgeiziger und erfolgreicher" sind als Menschen, die es nicht tun.

Entscheidend ist aber fraglos ein Maß. Man muss wirklich nicht an Angstlust erkrankt sein, um Duttons Geschmacklosigkeit zu erkennen. Wie ein Leben endet, das mit der einen oder anderen grundlosen Lüge beginnt, um sich von dort in die soziale und psychische Orientierungslosigkeit zu entwickeln, hat Siri Hustvedt in ihrem Roman "Was ich liebte" eindrucksvoll und notwendigerweise humorlos erzählt. Dieser Vergleich ist erlaubt, weil Dutton kaum versucht, eine Theorie zu entwickeln, die die Rolle der Pathologie in einer modernen Gesellschaft kenntlich machte. Daran ändert auch sein Treffen mit dem Evolutionspsychologen Steven Pinker nichts, der jüngst den Versuch einer umfassenden Geschichte der Gewalt vorlegte.

Primär möchte Dutton unterhalten. Dafür versucht er zu schockieren, was nach Camus die Strategie des Künstlers ist, der nicht zu überzeugen vermag. Man erfährt jedoch manch Interessantes, zum Beispiel dass man unter einer Depression aufmerksamer ist oder Psychopathie heute mit einem Magnetfeld erzeugt werden kann - die Reaktionen auf visuelle Anregungen sexueller oder gewalttätiger Natur beweisen es. Empathie ist in den letzten drei Jahrzehnten gesunken, der Narzissmus gestiegen.

Dutton ist weder Historiker noch Soziologe, er fragt nicht nach Begründungen aus diesen Disziplinen. Bei einem Einsatz im Irak hilft aber zweifellos ein Prise Psychopathie, wie der britische Soldat Andy McNab erklärt: "Wenn du dich in einer gefährlichen Situation befindest, musst du abdrücken, bevor der andere Typ es tut. Und wenn du abgedrückt hast, ziehst du weiter. So einfach ist das. Warum dastehen und darüber nachdenken, was du getan hast? Wenn du das machst, läufst du Gefahr, dass das Letzte, was dir durch den Kopf geht, eine Kugel aus einem M16 ist." Dutton nennt das "supernormal", einen Zustand besonderer Klarheit.

Die Schwäche von Duttons Blick, der ihn vermuten lässt, dass Psychopathen in der modernen Gesellschaft nicht nur Rückenwind haben, sondern an manchen Stellen geradezu notwendig sind, zeigt sich im Vergleich mit der Vormoderne: Die von Steven Pinker nachgewiesene einst höhere Wahrscheinlichkeit, eines gewaltsamen Todes zu sterben, aber auch schon größere Not oder nur das Führen einer Familie mit zwölf Kindern verlangten Menschen eine rauhere Mentalität ab, als wir sie uns heute leisten können.

Das scheint Dutton zu bedauern, denn er schließt mit einem Gedicht von Don Marquis über eine Motte, die sich in eine Flamme stürzt. Er beneidet sie um die Leidenschaft, mit der sie aufs Verschmoren bedacht war. Na also: Hatte man schon eingangs vermutet, es mit einem Werk der Katastrophenlust zu tun zu haben - mit Lebensüberdruss. Aber der ist nicht so aufregend, wie der knallige Umschlag behauptet, sondern ermüdend.

RALF BÖNT

Kevin Dutton: "Psychopathen". Was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern lernen kann. Aus dem Englischen von Ursula Pesch.

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2013. 320 S., br., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ralf Bönt ist schockiert. Was der Psychologe Kevin Dutton hier über Psychopathen schreibt, lässt laut Bönt jegliche historische oder soziologische Begründungen vermissen. Dafür beweist der Autor umso mehr Vergnügen an der drastischen Anekdote, wenn er die kranke Seele von Serienmördern lustvoll erkundet. Bönt jedoch hätte lieber etwas im Stil angelsächsischer Populärwissenschaft gelesen, leicht und ernst, auch wenn ihm Duttons Pragmatik mitunter durchaus wohltut. Das vom Autor verfolgte Unterhaltungsprimat kann Bönt bei diesem Thema aber nicht vollständig nachvollziehen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein hoch interessantes Buch!"
HNA Frankenberger Allgemeine 26. Mai 2013
»Der ganz normale Wahnsinn. Womöglich arbeiten in den Chefetagen von Politik und Wirtschaft mehr Psychopathen als anderswo. Sollte uns das beunruhigen oder ist das sogar nützlich? ... 'Es gibt in der Gesellschaft immer auch einen Bedarf an Risikobereitschaft, an Ruchlosigkeit, Charme, Charisma, an mentaler Stärke und emotionaler Kälte', sagt der Psychologe Kevin Dutton von der Universität Oxford, der in seinem Buch eine etwas provokative Ehrenrettung der düsteren Diagnose versucht.« -- Christian Weber, Süddeutsche Zeitung 9. Februar 2013