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  • Broschiertes Buch

Produktdetails
  • Kunstwissenschaftliche Studien
  • Verlag: Deutscher Kunstverlag
  • Seitenzahl: 400
  • Abmessung: 24mm x 171mm x 240mm
  • Gewicht: 984g
  • ISBN-13: 9783422063327
  • ISBN-10: 3422063323
  • Artikelnr.: 34734825
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Architekturstichserien von Schlössern waren zwischen 1600 und 1800 ein wichtiges Kommunikationsmedium, schreibt Rezensent Matthias Müller. Michaela Völkel habe das erkannt und als erste, basierend auf ihrer Dissertation, eine detaillierte Untersuchung über diese Stichwerke in höfischen Bauten vorgelegt, die, zollt der Rezensent seine Anerkennung, viele Aspekte herausarbeitet. Die Kunstgeschichte hatte, weiß Müller, diese Bildgattung lange Zeit vernachlässigt, dabei ließe sich aus ihr, wie der Rezensent in seiner Besprechung ausführt, viel über Strukturen, Funktionen und Formen der Stiche ablesen. Völkels Studie jedenfalls findet er "ausgesprochen anregend" und unverzichtbar für die Hofforschung, allerdings hätte er sich doch gewünscht, wenn die Autorin auch einen Blick auf andere, vor der Zeit der Architekturstiche entstandene bildliche Darstellungen von Schlossbauten geworfen hätte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2002

Seine Majestät läßt glänzen
Meilenstein der Kunstgeschichte: Michaela Völkels Studie über Architekturstiche von Schlössern

Als Andreas Schlüter 1703 eine Serie mit Ansichten des neuen, im Bau befindlichen Berliner Stadtschlosses vorlegte, war ihm die verschämte Zurückhaltung der Gegenwart gegenüber einer selbstbewußten Präsentation der Residenz der brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige noch gänzlich unbekannt. Auf großformatigen Blättern führte er der Öffentlichkeit das künftige Aussehen der Außen- und Hoffassaden des ersten Schloßbauabschnitts eindrucksvoll vor Augen. Zu falscher Bescheidenheit bestand für Schlüter auch kein Anlaß, sollte doch die Stichserie dazu beitragen, die modernisierte Gestalt des Berliner Schlosses als Ausweis für die langersehnte Rangerhöhung der brandenburgischen Hohenzollern publik zu machen.

Der Bedeutung, die Architekturstichserien von Schlössern als Medium der Kommunikation an deutschen Höfen zwischen 1600 und 1800 besessen haben, geht Michaela Völkel nach. Auf der Grundlage ihrer Marburger Dissertation gelingt es der Verfasserin, eine Vielzahl von Aspekten herauszuarbeiten, mit deren Hilfe die Stichwerke höfischer Bauten und Projekte als panegyrische Objektbeschreibungen zum Ruhme ihrer Auftraggeber erschlossen werden können. Es ist die erste Untersuchung, die sich systematisch mit der Genese, den Formen und den Funktionen dieser von der Kunstgeschichte lange Zeit vernachlässigten Bildgattung beschäftigt.

Einer der ersten, der ihren Wert erkannte, war Dagobert Frey. Er bezeichnete 1937 die Vorlagen für die Stichserien als Sonderformen der Architekturzeichnung, die "zu propagandistischen Zwecken" angefertigt worden seien. Das Spektrum der propagandistischen Zwecke und ihrer Betreiber erweist sich als recht vielschichtig. Es reicht vom fürstlichen beziehungsweise königlichen Bauherrn, der - wie Friedrich III./I. von Brandenburg-Preußen - sein erneuertes Residenzschloß als Äquivalent zum Glanz seiner herrschaftlichen Würden an den konkurrierenden Höfen bekanntmachen wollte, über den Architekten, der - wie Andreas Schlüter - sein baumeisterliches Talent bei Hofe zu demonstrieren suchte, bis hin zu den Verlegern, die sich - wie der Augsburger Jeremias Wolff - mit geschäftstüchtigem Instinkt für die Sammelleidenschaft und Gedächtnispflege der Fürsten eine Steigerung ihrer Aufträge erhofften. Nicht selten ergab sich aus diesem Dreiecksverhältnis ein unauflösbares Interessengeflecht, das den Ruhm des einen geschickt zum finanziellen Gewinn des anderen werden ließ.

Da die Architekturstichserien nicht nur teuer in der Herstellung, sondern im Alten Reich in der Regel auch exklusives Eigentum des herrschaftlichen Auftraggebers waren, gelangten sie - als kostbare Geschenke oder hochpreisige Kaufangebote für fürstliche Bibliotheken und Kunstkammern - auch nur an einen kleinen, handverlesenen Rezipientenkreis. Dies mußte zwangsläufig den Zorn der bürgerlichen Gelehrtenwelt hervorrufen, die sich von dem mächtigen Kartell aus vornehmer Auftraggeberschaft und geschäftstüchtigen Verlegern um den Zugriff auf ein wichtiges Studienmaterial betrogen sah.

In Frankreich oder in Italien hatten es die weniger erlauchten und betuchten Sammler demgegenüber erheblich leichter: Während sich in Rom bereits seit dem sechzehnten Jahrhundert ein Markt für Stichserien sowohl antiker als auch zeitgenössischer Bauwerke der Heiligen Stadt entwickelt hatte, der nicht zuletzt den Interessen des internationalen Reisepublikums entgegenkam, bot in Frankreich nach Du Cerceaus wegweisender Sammlung der "Plus excellents Bastiments de France" (1576/79) vor allem das "Cabinet du Roi" einer kunst- und architekturinteressierten Öffentlichkeit Gelegenheit, die glanzvollen Bauleistungen des französischen Königs kennenzulernen.

Zumal nach dem Dreißigjährigen Krieg hatten die deutschen Höfe gegenüber ihren italienischen und französischen Konkurrenten unter einem zweifachen Rückstand zu leiden: Weder die gebaute Architektur noch ihre mediale Reproduktion genügten den in Rom oder Paris entwickelten Standards. Nicht umsonst bemühte sich Joachim von Sandrart mit seiner 1675 und 1679 erschienenen "Teutschen Academie", durch Ansichten römischer Bauwerke die Kenntnis der antiken und hochbarocken Baukunst im Reich zu verbessern und die deutsche Architektur von "barbarischen Erfindungen" zu reinigen.

Als Prinz Anton Ulrich 1685 die Regierung des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel übernahm, ließ er mit Schloß Salzdahlum nicht nur eine der modernsten Residenzen Europas errichten, sondern darüber hinaus die prachtvolle Anlage in großformatigen, repräsentativen Kupfern abbilden. Diese wurden an die zahlreichen Besucher und interessierten auswärtigen Höfe abgegeben, die so - ganz im Sinne von Sandrarts "Teutscher Academie" - einen anschaulichen Beweis für "den Gipfel der höchsten Vollkommenheit" in Händen hielten, den die deutsche Baukunst mit Salzdahlum nach damaligem Empfinden wieder erreicht hatte.

Der panegyrische Impetus der Stichwerke reichte aber noch weiter und betraf - ähnlich wie bei Colberts "Cabinet du Roi" - ebenso die Qualität der herzoglichen Regierung. Durch das Zusammenspiel von Text und Bild wurde ihre gottgewollte, gute Verfassung herausgestrichen und das Schloß als Sitz des tugendhaften Landesherrn von Gottesgnaden durch die Wahl der Perspektive und eine Vielzahl von Staffagefiguren effektvoll ins Bild gesetzt.

Spätestens an dieser Stelle hätte man sich in der Arbeit von Michaela Völkel zumindest rudimentär einen weiter zurückreichenden Blick in die Vergangenheit der bildlichen Darstellung von Schloßbauten gewünscht. Denn das Bild einer guten fürstlichen Regierung wird bereits seit dem späten Mittelalter mit Hilfe des gebauten wie des bildlich vergegenwärtigten Schlosses zur Anschauung gebracht, auch wenn der inszenatorische Aufwand und der Verbreitungsgrad solcher Bildwerke im Vergleich zu den barocken Stichwerken bescheidener gewesen ist.

Die verherrlichende Darstellung der repraesentatio maiestatis im Architekturkupferstich erlebte in den Jahrzehnten zwischen 1700 und 1740 ihre Hochzeit. In dieser Zeit entwickelten die Künstler ein hochdifferenziertes, an der zeitgenössischen Landschaftsmalerei und Bühnenbildnerei ausgerichtetes Repertoire, um im Medium des Bildes einen imaginativen und durchaus wohlkalkulierten Rundgang durch die Schloßanlagen zu inszenieren. Selbst für Außenstehende konnte sich auf diese Weise ein Residenzschloß mit seinen Raumfolgen, Ausstattungsprogrammen und Gartenanlagen virtuell öffnen, wofür die bekannten Stichserien Salomon Kleiners von den Schönbornschen Schlössern oder Wiener Adelspalais vorzügliche Beispiele darstellen.

Die sich anschließenden Fragen nach dem Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit, Annäherung und Distinktion, sichtbaren und unsichtbaren Bereichen, wie es in den Stichwerken für die höfische Sphäre zur Anschauung gebracht wird, lassen Völkels Studie zu einer ausgesprochen anregenden und für die Hofforschung unverzichtbaren Lektüre werden. Das gilt auch für ihre These, nach der die aufgeklärte Kritik an der absolutistischen Regierungsform ab der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts für den Niedergang der panegyrischen Architekturstichserien verantwortlich zeichnete.

Tatsächlich verliert das Schloß in den späten Abbildungen seine zentrale Position und wird - wie in Friedrich Ekels Ansichten von Schloß Rheinsberg (1773) - zum Attribut des englischen Landschaftsgartens. Doch selbst wenn nun das gärtnerisch geformte und von Rousseau inspirierte Bild des naturbelassenen Gartens anstelle des Schlosses die Funktion der repraesentatio maiestatis in den Stichserien übernimmt, bewahrt das Schloß entgegen der Meinung Völkels realiter noch immer seine Bedeutung als Denkmal fürstlicher Herrschaft und dynastischer Tradition.

MATTHIAS MÜLLER.

Michaela Völkel: "Das Bild vom Schloß". Darstellung und Selbstdarstellung deutscher Höfe in Architekturstichserien 1600-1800. Deutscher Kunstverlag, München 2001. 400 S., 78 S/W-Abb., br., 51,- [Euro].

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