Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 5,00 €
  • Broschiertes Buch

Produktdetails
  • Verlag: Bouvier
  • Seitenzahl: 470
  • Erscheinungstermin: Mai 2007
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 656g
  • ISBN-13: 9783416031783
  • ISBN-10: 3416031784
  • Artikelnr.: 22789538
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2007

Beobachter und Akteure
Haben Journalisten das Ende von Rot-Grün herbeigeschrieben?
Der 22. Mai 2005 war ein fulminanter politischer Abend. Die Sozialdemokraten verloren die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Um 18.25 Uhr gab der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering eine sensationelle Erklärung ab: „Der Bundeskanzler und ich wollen vorschlagen, dass wir für den Herbst dieses Jahres Bundestagswahlen anstreben.” Es folgten sechs die Medien aufwühlende Monate, die am 22. November mit der Wahl der CDU-Kandidatin Angela Merkel zur Bundeskanzlerin endeten. Zwei Jahre danach wird nicht nur politisch zwischenbilanziert. Auch der Journalismus hat allen Grund, sich zu besinnen.
Eine Chronik der letzten Tage von Rot-Grün hat der Fernsehjournalist Gerhard Hofmann veröffentlicht. In seinen tagebuchartigen, hastigen Aufzeichnungen kehrt stellenweise die Spannung jener Ereignisse zurück, andererseits sind viele Notizen quälend kleinteilig und im Rückblick nur für Insider von Belang. Das im Titel verwendete Schimpfwort „Journaille” – so viel wie „Journalistenpack” – zeigt an, worauf Hofmann hinauswill: Er möchte eine Medienverschwörung belegen. „Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte haben Journalisten eine Regierung weggeschrieben oder zumindest einen Kanzler”, wirbt der Verlag. Kanzler Gerhard Schröder hatte das so empfunden. „Ich bin stolz auf eine demokratische Kultur, mit der bewiesen worden ist, dass Medienmacht und Medienmanipulation das demokratische Selbstbewusstsein nicht erschüttern können”, brach es in der Wahlnacht aus ihm heraus.
Harte Töne, die hängenblieben. Tatsächlich war unübersehbar, wie tonangebende Journalisten, nicht nur bei Bild, Welt und Focus, zu „Merkel-Jublern” wurden. Hofmann nennt Namen: Sigmund Gottlieb (ARD), Peter Hahne (ZDF), Stefan Aust und Gabor Steingart (Spiegel), Bernd Ulrich (Zeit), Frank Schirrmacher (FAZ) und Hans-Ulrich Jörges (Stern). „Sie schrieben und sendeten in die gleiche Richtung”, sagt er über die „Allianz” von Medienmachern und Journalisten, die aus verschiedenen Beweggründen Schwarz-Gelb herbeiwünschte.
Die oberflächlich lektorierte Fleißarbeit ist prall gefüllt mit Fakten und Eindrücken einer politisch aufregenden Phase. Aber plausible Beweise für die Verschwörungstheorie bringt Hofmann nicht. Zeithistorikern und Politologen bietet der Zusammenschnitt reichhaltig Material. Doch werden sie sorgfältig mit anderen Quellen und Dokumenten vergleichen und distanziert zitieren müssen.
Auch für den Journalisten Lutz Hachmeister, Gründungsdirektor des Berliner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik, spielt Schröders Medienschelte eine zentrale Rolle. Sein Buch hat aber einen grundsätzlichen, zeitdiagnostischen Ansatz. Hachmeister schildert einleuchtend, wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Rolle als Leitmedium an Spiegel online verloren hat, und er geht der Frage nach, ob Journalisten Teil unseres politischen Systems sind oder als Beobachter aus einer Parallelwelt dem Geschehen skeptisch gegenüberstehen. Sein Befund: Es hat sich eine vom breiten Publikum nicht erkennbare „Elitenverflechtung” gebildet, bei der die Grenzen zwischen Journalismus, Lobbyismus, Gefälligkeit und Kumpanei verschwimmen.
Das klingt böse und ist so gemeint. In amüsant formulierten Texten umrankt Hachmeister seine zugespitzten Thesen mit rücksichtslos offenen Charakterisierungen flatterhafter Akteure der „Berliner Windmaschine” wie Jörges und Steingart, die er sich besonders vorknöpft. Damit scheint er Hofmanns Verdächtigungen zu bestätigen. Doch teilt Hachmeister die Kernthese vom „Komplott” nicht. Den medienkritischen Ausbruch des „Medienkanzlers” sieht er auf den Spiegel konzentriert, und außerdem meint er, die Journalisten hätten in der Schlussphase des Wahlkampfs in einer Art kollektiven Irrtums einfach „den Meinungsumschwung zu spät” wahrgenommen.
Nicht alles in diesem Buch ist schlüssig und bis auf den Grund ausgeleuchtet, aber viele feine Tupfer ergeben doch eine zutreffende Momentaufnahme. Sehr dicht wird Hachmeisters Versuch, diese nervöse, eitle und verspielte Zone einzufangen, im Kapitel „Das Prinzip Christiansen: Politik in der Endlosschleife”. Hier lässt sich nachlesen, wie und wo viele Fäden des politisch-publizistischen Komplexes zusammenlaufen. Und nebenbei ist ihm ein wirklich witziger Satz geglückt: „Sabine Christiansen regierte von 1998 bis 2007, etwas länger als Gerhard Schröder.” HELMUT LÖLHÖFFEL
Gerhard Hofmann
Die Verschwörung der Journaille zu Berlin
Ein politisches Tagebuch. Bouvier Verlag, Bonn 2007. 472 Seiten, 29 Euro.
Lutz Hachmeister
Nervöse Zone
Politik und Journalismus in der Berliner Republik. DVA, München 2007.
283 Seiten, 16,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Reißerischer Titel, gutes Buch, so lässt sich der Befund von Rezensent Norbert Seitz zusammenfassen, der diese Dokumentation der Anti-Schröder-Medienkampagnen - bei aller Problematik, die "Kollegenschelten" wie diese für ihn so mit sich bringen - doch aufschlussreich findet. In minutiöser Kleinarbeit habe der Autor, seines Zeichens Politischer Korrespondent von RTL und n-tv, nämlich in einer Art Tagebuch die "Dramaturgien der Medienmacher und Meinungsumfrager" beim Niedergang von Rot-Grün festgehalten. Der Rezensent findet die Verschwörungstheorien des Buchs gelegentlich etwas hysterisch. Insgesamt wirft es aus seiner Sicht aber doch einen aufschlussreichen Blick auf manch journalistische Selbstüberschätzung und die "wachsende journalistische Neigung", sich selbst als Teil der Politik zu begreifen, statt unabhängig darüber zu berichten.

© Perlentaucher Medien GmbH