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Museen und Ausstellungen gehören zu den großen Sinnagenturen der Moderne. Sie sind Orte der Repräsentation und Konstruktion von Kulturen. Die ungebrochene Attraktivität des Musealen ist Anlass, die Aufsätze von Gottfried Korff zu Theorie und Praxis der Kulturmuseen und der historischen Ausstellungen erstmals zusammenzuführen. Wissenschaftler und Architekten kommentieren die hier ebenfalls dokumentierten Ausstellungen.Korffs Sicht auf die "Museumsdinge" ist fundiert in zweifacher Hinsicht: Als Ausstellungsmacher entwickelte er Prinzipien der Präsentationsästhetik und der publikumswirksamen…mehr

Produktbeschreibung
Museen und Ausstellungen gehören zu den großen Sinnagenturen der Moderne. Sie sind Orte der Repräsentation und Konstruktion von Kulturen. Die ungebrochene Attraktivität des Musealen ist Anlass, die Aufsätze von Gottfried Korff zu Theorie und Praxis der Kulturmuseen und der historischen Ausstellungen erstmals zusammenzuführen. Wissenschaftler und Architekten kommentieren die hier ebenfalls dokumentierten Ausstellungen.Korffs Sicht auf die "Museumsdinge" ist fundiert in zweifacher Hinsicht: Als Ausstellungsmacher entwickelte er Prinzipien der Präsentationsästhetik und der publikumswirksamen Vermittlung anspruchsvoller Themen. In theoretischen Überlegungen erkundet er die Grundideen des Museums - Deponieren und Exponieren. Neben etablierten Museumstypen gilt die Aufmerksamkeit den jüngeren Entwicklungen der "Museumsdinge" zu einem aktuellen und einflussreichen Medium der Wissensvermittlung sowie als Darstellungsform an der Schnittstelle von Wissenschaft, Öffentlichkeit und Unterh altung.
Autorenporträt
Professor für Empirische Kulturwissenschaft am Ludwig-Uhland-Institut der Universität Tübingen geb. 1966 in Bregenz, 1984-1992 Studium der Empirischen Kulturwissenschaft/Volkskunde und Kunstgeschichte in Innsbruck und Tübingen (M.A. 1992), 1999 Promotion zum Dr. rer.soc. mit einer Arbeit über alpine Kultur "Berg - Kultur - Moderne. Volkskundliches aus den Alpen" (Wien 1999). Nach Museums- und Ausstellungstätigkeit u.a. für das Österreichische Museum für Volkskunde in Wien ab 1995 Universitätsassistent am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien, 2001 Habilitation für Europäische Ethnologie und Ernennung zum ao. Universitätsprofessor. Forschungs- und Lehrschwerpunkte: Regionale Ethnographie, Symbol-, Stadt- und Bergforschung (Tourismus/Alpinismus), Volks- und Alltagskulturen/Repräsentationen (Nahrung, Kleidung), Wissenskulturen, Museologie
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2003

Was aus dem Zeugs den Zeugen macht
Gottfried Korff, Regisseur und Protagonist des Museumsbooms, sagt alles über Ausstellungen

Wenn in fünfzig oder hundert Jahren Historiker darangehen, die Renaissance des Museums im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert zu erforschen, werden sie vermutlich von einem Paradigmenwechsel sprechen, der zu einem wahren Museumsboom führte. Nicht mehr die Aura des einzigartigen Kunstwerks war es, die Museumswürde verlieh, sondern die historische Bedeutung, die einem Gegenstand - und sei er noch so banal - zugesprochen wurde. Damit war alles ausstellbar geworden, und die daraus resultierende Musealisierung des Populären popularisierte das Museum: Zwischen 1970 und 2000 nahm die Zahl der Museen um mehr als das Dreifache zu.

Als entscheidende Wegmarke erscheint aus dieser Perspektive das Jahr 1981, als im Martin-Gropius-Bau in Berlin die Ausstellung "Preußen. Versuch einer Bilanz" stattfand. Hatten sich historische Ausstellungen in den Jahren zuvor als textlastig erwiesen und von Flachware dominiert, betrat hier das dreidimensionale Objekt selbstbewußt den Raum. Aber es kam nicht wie in den Kunstmuseen als erhabener Solitär daher, sondern hatte, zu eingängigen, suggestiven Ensembles komponiert, seinen großen Auftritt. "Bilder zum Nachdenken" nannte das Hartmut von Hentig. Kritiker hingegen witterten "Effekthascherei" und monierten, daß den Werken Immanuel Kants Geburtszange, Flohfalle und Wasserrohr als segensreiche Errungenschaften der Zeit beigegeben waren. Auch wollte ihnen nicht in den Kopf, warum Kaiser Wilhelm I. an einem Ballon unterm Glasdach des Lichthofs schwebte, und das hoch zu Roß. Was sollte der Theaterzauber? Zudem noch arrangiert vom Bühnenbildner der Schaubühne Karl-Ernst Herrmann?

Die Regie hatte Gottfried Korff geführt. "Nanu, Sie kennen Korff noch nicht!" mag man heute in Anlehnung an einen fast vergessenen Heinz-Rühmann-Film scherzen. Ende der siebziger Jahre aber, als Korff das Amt des Generalsekretärs der von allen Seiten argwöhnisch beäugten Preußen-Schau antrat, war sein Name nur wenigen ein Begriff. Er entstammte dem Tübinger Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft, wo sich die Volkskunde unter der Anleitung Hermann Bausingers der Alltagskultur hingab. Am Freilichtmuseum Kommern in der Eifel hatte er dann als Kustos praktische Erfahrungen gesammelt.

Die Preußen-Ausstellung avancierte zu einem großen Erfolg, und auch seinen folgenden Projekten - "Berlin, Berlin" (1987), "Feuer und Flamme. 200 Jahre Ruhrgebiet" (1994) im Gasometer Oberhausen, "Mittendrin. Sachsen-Anhalt in der Geschichte" im Kraftwerk Vockerode (1998) und "Sonne, Mond und Sterne. Kultur und Natur der Energie" in der Kokerei Zollverein in Essen (1999) - waren jeweils eine halbe Million Besucher beschieden. Man tut Korff nicht Unrecht, sieht man in ihm einen Protagonisten des Museumsbooms.

Höchste Zeit also, daß nun der Band "Museumsdinge. Deponieren - Exponieren" die großen Ausstellungen Revue passieren läßt, aber auch kleine wie "Flick-Werk. Reparieren und Umnutzen in der Alltagskultur" (1983) nicht vergißt. Zugleich versammelt er eine Vielzahl der verstreut erschienenen Aufsätze des Tübinger Hochschullehrers, die zeigen, wie sehr seine praktische Arbeit von der Bemühung begleitet wird, eine "Theorie der Praxis" zu entwickeln. Nicht mehr das Sammeln und Bewahren stehen für ihn im Zentrum, sondern das Ausstellen. Das Museum "ist nicht Speicher, sondern Bühne, Bühne in jenem zweifachen Wortsinn, den das Schwäbische kennt - es ist Bühne im Sinne von Berge- und Lagerraum, und es ist Bühne im Sinne der Schaubühne, der Expositionsagentur". Im Gegensatz zum Kunstwerk, von dem behauptet wird, es entfalte seine Wirkung selbst, bedarf das alltägliche, banale Objekt der Inszenierung, die funktionale, historische oder symbolische Bezüge herstellt: "Erst das Exponieren macht aus dem Zeugs den Zeugen."

Auch wenn es gerade Kunsthistoriker waren, die bald einen Inszenierungswahn ausmachten und das Museum zu einem Erlebnisort der Event-Kultur verkommen sahen, konnten sie Korff selbst für Fehlentwicklungen nicht verantwortlich machen. Denn Korff, der als Volkskundler eine Zuneigung zu Gegenständen jeder Provenienz hegt, vertraut, wie sie, voll und ganz dem originalen Objekt. Es ist eben nicht nur das Kunstwerk, das eine Aura besitzt. Die Dialektik von Nähe und Ferne, in der Walter Benjamin das Charakteristikum derselben sah, ist auch dem im Museum bewahrten authentischen Objekt zu eigen: "Es ist dem Betrachter räumlich nah, jedoch mental, emotional und intellektuell fremd und fern." Angesichts dieser faszinierenden in der Materialität begründeten Anmutungsqualität gilt es, die Medialität der Objekte zu beachten. Museumsdinge sind, und hier stützt Korff sich auf die Begrifflichkeit Krzysztof Pomians, "Semiophoren", Zeichenträger, Bedeutungsträger, die zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren vermitteln: "Das Museum sammelt Relikte, Dinge der Vergangenheit, um sie zu Dingen für uns zu machen." Und das macht das Museum prekär, denn indem es Vergangenheit konstruiert, stiftet es den Sinn der Gegenwart.

So bedarf es immer des Bewußtseins, daß die Überreste der Vergangenheit in der Gegenwart nur fragmentarisch präsent sind, daß Überlieferung mit Zerstörung einhergeht. Das Museum als der Ort des Tradierten ist also auch der Ort, an dem Geschichte vergessen gemacht wird. Das aber ist zugleich eine Chance, ist das Fragment doch der "Lehrmeister der Fiktion", wie Korff André Malraux zitiert. Es weckt die Neugier, stachelt die Imagination an und schult die Kombinatorik. Jedes Nachdenken gründet in der Frage: Was fehlt?

Das gilt es in Szene zu setzen. Dabei verbietet es sich, Objekte "als Beeindruckungsdinge, als Instrumente erlebnissteigernder Erfahrungen" zu benutzen, die nur dazu verleiten, konsumiert zu werden. Ebensowenig darf die Inszenierung - die immer Interpretation ist - eine Ganzheit vortäuschen oder heile Welt simulieren. Freilichtmuseen etwa erliegen leicht dieser Gefahr. Ein amerikanischer Museumsbesucher rätselte angesichts der idyllischen Bauernhäuser im Freilichtmuseum Kommern: "Warum waren die deutschen Auswanderer im neunzehnten Jahrhundert so verrückt, ihre hübsche Heimat aufzugeben und in die amerikanische Wildnis zu gehen?" Überlieferungslücken dürfen auch nicht mittels Text geschlossen werden: "Wer vor die Schaulust die Leselast stellt, hat sich im Medium geirrt." Dahinter verbirgt sich oft die Absicht, eine jenseits der Museumsarbeit erschlossene Theorie anhand von Objekten zu "visualisieren"; gerade unter der Hand von Historikern verkommen Museumsdinge leicht zu "Alibi-Objekten". Das Museum jedoch, so schreibt Korff, hat es eigentlich nicht mit Visualisierung zu tun: "Das Museum bebildert nicht; es ist Bild."

Statt dessen plädiert er für eine "ironische Museographie", die, auf das originale Objekt vertrauend, sich der Verfremdung bedient. Das Museum - und diesen Satz werden vielleicht auch die Historiker der Zukunft zitieren - zielt nicht auf einen Besucher, der "mit interesselosem Wohlgefallen durch die Museumsräume schlendert", sondern auf einen "wachen und nachdenklichen Ansprechpartner", der selbst zum "Sinnproduzenten" wird.

KAI MICHEL

Gottfried Korff: "Museumsdinge". Deponieren - Exponieren. Herausgegeben von Martina Eberspächer, Gudrun Marlene König und Bernhard Tschofen. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2002. 394 S., Abb., geb., 39,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kai Michel findet, es sei "höchste Zeit", dass ein Buch die großen Ausstellungen von Gottfried Korff und seine Ansichten zu Sinn und Zweck des zeitgenössischen Museums dokumentiert. Gehört Korff doch nach Meinung des Rezensenten zu einem der wichtigen "Protagonisten des Museumsbooms", der seit den 70ern herrscht. Michel stellt eingehend die Ansichten des Ausstellungsmachers vor, für den das Museum nicht Ort des "Sammelns und Bewahrens", sondern eine Bühne zur Inszenierung der Kunst ist. Diese Inszenierung, die dabei stets auch "Interpretation ist, darf nicht versuchen, eine "heile Welt" zu simulieren, fasst der Rezensent die Ausführungen Korffs zusammen, der für eine "ironische Museografie" plädiert, die zwar auf das ausgestellte Original setzt, sich jedoch der "Verfremdung bedient".

© Perlentaucher Medien GmbH