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Kinder werden rar. Und deswegen immer kostbarer. Als Zielgruppe boomender (Früh-)Förderinstitute, als knappe Ressource für die Wirtschaft von morgen. Schonungslos analysiert Felicitas Römer, welch ungeheurer Druck auf Kinder und Eltern ausgeübt.wird und wie die allseitigen Interessen am Kind den Alltag von Familien heute prägen. Dieses Buch macht Eltern Mut, sich und ihre Kinder nicht länger vereinnahmen zu lassen. Das öffentliche Interesse am Kind ist immens gestiegen, doch dahinter steckt oft keine neu entdeckte Familienfreundlichkeit, sondern geballtes wirtschaftliches Kalkül. Denn dem…mehr

Produktbeschreibung
Kinder werden rar. Und deswegen immer kostbarer. Als Zielgruppe boomender (Früh-)Förderinstitute, als knappe Ressource für die Wirtschaft von morgen. Schonungslos analysiert Felicitas Römer, welch ungeheurer Druck auf Kinder und Eltern ausgeübt.wird und wie die allseitigen Interessen am Kind den Alltag von Familien heute prägen. Dieses Buch macht Eltern Mut, sich und ihre Kinder nicht länger vereinnahmen zu lassen.
Das öffentliche Interesse am Kind ist immens gestiegen, doch dahinter steckt oft keine neu entdeckte
Familienfreundlichkeit, sondern geballtes wirtschaftliches Kalkül. Denn dem Standort Deutschland drohen die qualifizierten Arbeitskräfte auszugehen. Felicitas Römer deckt auf, welche Konsequenzen die Lobbyarbeit der Unternehmen und Wirtschaftsverbände hat und wie die Bildungspolitik alles daran setzt, unsere Kinder immer schneller und unter enormen Leistungsdruck durch Kindergarten und Schule zu schleusen. Und wenn die Superkinder schließlich am Förderwahn zu zerbrechendrohen, profitieren Therapeuten und Pharmaindustrie.
Autorenporträt
Felicitas Römer ist systemische Familienberaterin, freie Journalistin, Autorin, Familien-Coach und vierfache Mutter. Außerdem hat sie eine ehrenamtliche Beratungstätigkeit am Familientelefon des Deutschen Kinderschutzbundes inne. Hautnah erlebt sie so die extremen Anforderungen an Kinder in unserer Gesellschaft mit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.04.2011

Lebenstüchtig ist nicht dasselbe wie wirtschaftstauglich
Was tun, wenn Industrieverbände den Schulen die Lehrpläne diktieren? Felicitas Römer warnt davor, das Bruttosozialprodukt zum Maßstab für die Erziehung der Kinder zu machen

Kindsein ist heute eine ernste Angelegenheit - vor allem aus Sicht der Eltern: Wenn ein Kind bastelt, trainiert es damit seine Feinmotorik. Schüttet es Wasser von einem Glas ins andere, macht es naturwissenschaftliche Experimente. Musiziert es, soll das seine kognitive Entwicklung fördern. Eltern lesen ihm vor, damit es sprachlich fit wird. Einfach nur miteinander Spaß zu haben - nein, wer wäre denn so naiv! Die Konkurrenz schläft schließlich nicht, und der Wettbewerb um einen guten Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienplatz beginnt, so glauben tatsächlich viele Eltern, schon im Windelalter.

Die Hamburger Paar- und Familientherapeutin Felicitas Römer, Mutter von vier Kindern, hat eine Kritik des elterlichen Förderwahns vorgelegt. Ihr Buch ist sozusagen der Gegenentwurf zur "Tigermutter" Amy Chua. Die Eltern sieht sie dabei jedoch nicht nur als Treiber, sondern auch als Getriebene. Statuspanik hat sie ergriffen. In der gesellschaftlichen Mitte wächst die Sorge, dass die Kinder beruflich scheitern. Die Ängste, die die vermeintlichen Anforderungen der globalisierten Wirtschaftswelt in den Eltern auslösen, übertragen sie auf ihren Nachwuchs: Wäre ich diesen Standards gewachsen? Werden es dann meine Kinder sein?

Politiker wie Vertreter von Wirtschaftsverbänden reden gern davon, dass der einzige Reichtum unseres rohstoffarmen Landes die Bildung der nachwachsenden Generation sei. Wenn sie behaupten, dass es niemals so wichtig war wie in der demographischen Krise, intellektuell leistungsstarke Arbeitnehmer heranzuziehen, ist das geeignet, Eltern wie Lehrer unter Druck zu setzen, Kinder zu drillen und mit Lernstoff zu überschütten.

Waren es nicht Forderungen der Wirtschaft nach jüngeren Absolventen und solche der Politik nach einer längeren Lebensarbeitszeit, die zur Einführung des achtjährigen Gymnasiums geführt haben? Die Autorin ruft in Erinnerung, dass es die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) war, die den Pisa-Schock auslöste und diese Studien weiterhin durchführt. Mit welcher Legitimation erlangt sie eine solche Deutungsmacht über die Schulbildung unserer Kinder?

Römer kritisiert zu Recht, dass durch die Leistungsanforderungen, die Eltern selbst stellen oder sich einreden lassen, die Kindheit zunehmend instrumentalisiert wird: Jede Beschäftigung mit dem Nachwuchs soll zu etwas gut sein. Schließlich ist es das einzige Kind seiner Eltern oder eines von zweien; das Wunschkind, erst gezeugt nach der Wahl des richtigen Partners, nach Abschluss wichtiger Karriereschritte - das Kind, das der Paarbeziehung ein Projekt und dem Leben einen Sinn geben soll.

Bereits in den Umgang mit einem Säugling schleiche sich so eine subtile Zielvorgabe ein, beobachtet die Autorin treffend. Wenn das Kind heute alles bekommt, was es braucht, wird es später kompetent und stark sein, so lautet die Wette auf die Zukunft. Sie selbst brachte ihr ältestes und ihr jüngstes Kind mit einem Abstand von 18 Jahren zur Welt und hat in dieser Zeit einen bemerkenswerten Gesinnungswandel beobachten können. Während Kinder zu Beginn der achtziger Jahre nach Herzenslust matschten, tobten und die letzten Ausläufer antiautoritärer Erziehung genossen, ohne dass sich die Eltern Gedanken über deren Zukunft machten, überschütten sie sie heute mit Aufmerksamkeit, lasten ihnen aber auch eine große Hypothek auf: Der Nachwuchs soll bitte nicht nur selbst schlau und glücklich werden, sondern zum Dank für alle die Mühen und Entbehrungen auch seine Eltern nicht enttäuschen.

Nun ist es, historisch betrachtet, nicht neu, Kinder unter dem Blickwinkel ihres späteren Nutzens zu betrachten. Jeder Bauer, Handwerker oder Kaufmann wünschte sich einen Nachfolger für seinen Betrieb. Doch neu ist der "defizitorientierte Blick" auf das Kind, und zwar schon im Kindergarten. Etwa so: "Der Junge kann weder richtig schneiden noch altersgerecht malen. Da müssen Sie aber etwas unternehmen." Aber interessiert das den Jungen überhaupt? Will er vielleicht gar nicht malen können? Kann er vielleicht stattdessen etwas anderes besonders gut, so dass man sich gar keine Sorgen machen muss? Die "Kompetenzerfassungsbögen", die mittlerweile in vielen Bundesländern in den Kindergärten akribisch ausgefüllt werden, hält die Autorin für überzogen, ebenso wie Ergotherapie für Ungeschickte oder Ritalin für Zappelphilippe. Stattdessen plädiert sie dafür, jedem Kind sein individuelles Tempo zuzugestehen.

Elternzeitschriften helfen mit, Müttern ein schlechtes Gewissen zu bereiten: Schon veröffentlichen sie Checklisten, mit denen man prüfen kann, wie stimulierend die heimische "Lernumgebung" ist und ob das Kind auch genug gefördert wird. (Gehen Sie regelmäßig ins Museum? Lesen Sie abends vor? Wer kümmert sich um die Literaturauswahl für Ihre Kinder?)

Wenn ein Kind nicht funktioniert, wie Eltern und Lehrer es sich vorstellen, rät die Autorin dazu, die Umstände und Anforderungen zu verändern und nicht das Kind. Kinder werden auffällig, wenn es ihnen schlechtgeht. Dann brauchen sie, noch stärker als sonst, die Gewissheit, angenommen zu sein. Aber das Gegenteil ist oft der Fall: Statt dem Kind Druck zu nehmen und zu schauen, was es eigentlich selbst kann und will, wird ihm mehr vom selben aufgebürdet. Dagegen sollten Pädagogen Kinder vor überzogenen Ansprüchen schützen wollen.

Am sogenannten G8-Gymnasium lässt die Autorin kein gutes Haar: Bei 36 Wochenstunden hat kaum ein Schüler mehr Zeit für Hobbys oder Verabredungen - geschweige denn, um eine Krankheit auszukurieren. Empfahlen Kinderärzte früher, nach dem Abklingen des Fiebers noch drei Tage zu Hause zu bleiben, gehen Schüler heute mit Temperatur zur Klausur. Das Gleiche gilt für Kleinkinder: Damit die Eltern nicht schon wieder der Arbeit fernbleiben müssen, werden sie mit Fieberzäpfchen fit für die Krippe gemacht.

Eltern empfinden den permanenten Zwiespalt durchaus: Einerseits wollen sie ihr Kind in Ruhe heranwachsen lassen, andererseits soll es mit seinen Leistungen nicht ins Hintertreffen geraten. Felicitas Römers Antwort ist klar: Kindergarten und Schule sind nicht dazu da, den idealen Arbeitnehmer heranzuziehen und möglichen künftigen Ansprüchen der Arbeitswelt schon jetzt gerecht zu werden. Kinder sind auch nicht dazu da, mit herausragenden Leistungen den Narzissmus der Eltern zu befriedigen.

Um uns als gute Eltern zu erleben, reicht es, unseren Kindern Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Fürsorge angedeihen zu lassen. Ihren Weg gehen müssen sie am Ende selbst - ausgestattet mit all den Gaben, die sie aus freien Stücken eingepackt haben.

UTA RASCHE

Felicitas Römer: "Arme Superkinder". Wie unsere Kinder der Wirtschaft geopfert werden.

Beltz Verlag, Weinheim und Basel 2011. 231 S., geb., 17,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Uta Rasche hat Felicitas Römers Buch "Arme Superkinder" mit viel Zustimmung gelesen. Überzeugend findet sie die Auseinandersetzung der Autorin mit dem "Förderwahn", dem Kinder heute ausgesetzt werden. Auch der Kritik an Lehrplänen, die an ökonomischen Maßstäben ausgerichtet sind, an Leistungsanforderungen, die von der Wirtschaft diktiert und von den Eltern übernommen werden, kann sie sich nur anschließen. Die Eltern betrachte Römer dabei als Antreiber aber auch selbst Getriebene, die schnell in Panik gerieten, wenn das Kind einmal nicht so funktioniert wie es soll. Zutreffend findet Rasche auch die Beobachtung der Autorin, dass sich schon im Umgang mit einem Säugling "subtile Zielvorgaben" einschleichen.

© Perlentaucher Medien GmbH