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"Einer der einflussreichsten Entwicklungspsychologen demontiert drei Mythen seiner Zunft: Der Ansicht, Vergnügungssucht sei eine bedeutende Antriebskraft des Menschen, rückt er ebenso zu Leibe wie der Vorstellung, Intelligenz sei eine abstrakte und messbare Größe. Und er räumt auf mit der These, die Erlebnisse der ersten Jahre legten den Charakter einer Person lebenslang fest." GEO WISSEN
Legen die ersten zwei Lebensjahre tatsächlich die künftige Entwicklung eines Kindes fest? Orientieren sich Menschen lediglich am Prinzip von Erfolg und Misserfolg, an dem, was ihnen "etwas bringt"? Und
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Produktbeschreibung
"Einer der einflussreichsten Entwicklungspsychologen demontiert drei Mythen seiner Zunft: Der Ansicht, Vergnügungssucht sei eine bedeutende Antriebskraft des Menschen, rückt er ebenso zu Leibe wie der Vorstellung, Intelligenz sei eine abstrakte und messbare Größe. Und er räumt auf mit der These, die Erlebnisse der ersten Jahre legten den Charakter einer Person lebenslang fest." GEO WISSEN
Legen die ersten zwei Lebensjahre tatsächlich die künftige Entwicklung eines Kindes fest? Orientieren sich Menschen lediglich am Prinzip von Erfolg und Misserfolg, an dem, was ihnen "etwas bringt"? Und stimmt es eigentlich, dass Menschen über festgefügte Persönlichkeitseigenschaften wie Intelligenz, Angst oder ein bestimmtes Temperament verfügen?

Das vorliegende Buch, das die Früchte der lebenslangen Forschung eines der Begründers der Entwicklungspsychologie zusammenfasst, geht den einfluss-reichen Annahmen nach, die hinter solchen psychologischen Konzepten stehen, und zeigt auf, dass sie falsch sind.Indem er einen eindrucksvollen Bogen von kulturgeschichtlichen und philosophischen Überlegungen hin zur psychologischen Erforschung des Menschen spannt, kommt Jerome Kagan auf der Grundlage einer Fülle von empirischen Untersuchungen zu Schlussfolgerungen, die das gewohnte Ideengebäude der Sozialwissenschaften zum Einsturz bringen und ebenso viele Grundlagen sozialpolitischer Maßnahmen.
Autorenporträt
Jerome Kagan, geb. 1929, gilt als einer der Pioniere der Entwicklungspsychologie. Er studierte an den renommierten Universitäten Harvard und Yale in den USA, bevor er seine wissenschaftliche Karriere vor allem in Harvard antrat. Kagan wurden mehrere Preise der American Psychiatric Association verliehen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bettina Engels geht hart mit dem Buch ins Gericht. Sie wirft dem Autor vor, sich nicht einmal zu bemühen, "soziale Phänomene zu verstehen". Beispielsweise würden die Widerstände des Autors gegen die Vorstellung der grundsätzlichen Prägung des Menschen in der frühen Kindheit durch ein "Phantasieexperiment" belegt, das zu überraschenden und vor allem unbegründeten Schlüssen führt, so die Rezensentin erstaunt. Bei Beispielen aus der Evolutionsbiologie bleibe es dem Leser überlassen, daraus Erkenntnisse über die frühkindliche Psyche zu ziehen. Der Autor stützt sich auf freie Assoziationen und macht um logische Schlussfolgerungen einen großen Bogen, ärgert sich die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.2000

Das ist Küchenlatein
Jerome Kagan ist sich sicher: Wie wollen Sie das Gegenteil beweisen?

Der Entwicklungspsychologe Jerome Kagan warnt vor drei "verführerischen Ideen", die er für die "Grundirrtümer" der Psychologie hält. Als Gegengift hat er ein einfaches Mittel aus der wissenschaftlichen Hausapotheke parat, bestehend aus wenigen Maximen. Deren erste, zur Bekämpfung der "Leidenschaft für die Abstraktion" (erster Irrtum), lautet: "Vollständige Sätze, bitte." Seine Forderung nach einem "Moratorium für solche allgemeinen und vagen Begriffe" wie Furcht, Bewußtsein, Intelligenz oder Temperament sollen berühmte Autoritäten begründen: Da wird Gottlob Frege für die Erkenntnis bemüht, "daß eine vollständige Aussage mit handelndem Subjekt, Verb und Ziel (!) das signifikante Element in der wissenschaftlichen Prosa darstellt", und Hilary Putnam muß für die regionalistische Losung herhalten, die Psychologie habe, um Kenntnisse zu vermitteln, "von einer globalen auf eine lokalere Ebene hinabzusteigen".

Kagans Kampf gegen den "Mythos des Kindheitsdeterminismus" (zweiter Irrtum) illustriert, wie ein solcher Abstieg vom Begründungsanspruch der Theorie in die Gerüchteküche der literarischen Tagebücher, Geschichten aus dem wahren Leben und der als psychologische Untersuchungen getarnten Fabeln aussieht. Um die deterministische These zu widerlegen, daß "bestimmte Erfahrungen der ersten beiden Lebensjahre für immer bewahrt bleiben", führt Kagan nach diversen Längsschnitt-Studien ein "fiktives Experiment" an: Man stelle sich fünfhundert ungebildete, arme Mütter vor, die mehrere Stunden am Tag intensiv mit ihren Kindern spielen, und nehme andererseits eine Gruppe von fünfhundert wohlhabenden, berufstätigen Müttern mit höherer Schulbildung an, die täglich nur zwanzig Minuten Zeit für ihre Kinder haben. Das Phantasieexperiment führt Kagan zu dem unvermittelten Schluß: "Ich bin mir sicher, daß mehr Kinder aus der ersten Gruppe den Schulabschluß nicht schaffen oder eine Zeit im Gefängnis verbringen werden."

Eines der vielen "entwicklungsbiologischen Modelle" im Buch rundet den Einfall ab: Dunkelflüglige Motten hätten in englischen Industriegebieten größere Überlebenschancen als ihre hellflügligen Artgenossen, weil ihnen die rußgeschwärzten Bäume eine ökologische Nische böten. Dem Leser selbst bleibt es überlassen herauszufinden, was die englische Motte mit frühkindlichen Erfahrungen zu tun haben mag.

Man möchte dem Autor hier doch mindestens die zweite seiner Maximen zum Auskurieren psychologischer Grundirrtümer entgegenhalten: "Beachte Kategorien." Sein Buch ist eine so mustergültige, alle Zwänge des logischen Schließens über Bord werfende Übung im freien Assoziieren, daß nichts anderes als eine symptomatische Lektüre in Frage kommt. Der auf diesem Weg ans Tageslicht beförderte Subtext bringt zwei unvereinbare Neigungen des Autors zum Ausdruck: Ein gewisses Harmoniebedürfnis scheint seinem Lippenbekenntnis zum "Dualismus", zu der Auffassung also, daß Bewußtseinszustände nicht auf Hirn-Regelkreise reduzierbar sind, zugrundezuliegen. Der fromme Wunsch, zwischen der Neurobiologie und den Sozial- und Geisteswissenschaften aufgetretene "Spannungen" aufzulösen, wird aber durch den Umstand vereitelt, daß Kagan den hermeneutischen Zirkel scheut wie der Teufel das Pentagramm.

Obwohl er selbst die weitere Maxime aufstellt, "daß der Mensch ein bewußtes Wesen ist" und gefragt werden müsse, wie er seine Erfahrung interpretiert, unternimmt Kagan keinerlei Anstrengung, soziale Phänomene zu verstehen. Gegen den psychologischen Determinismus mobilisiert er nicht etwa die Reflexion, sondern die angebliche "Unvorhersehbarkeit symbolischer Konstruktionen". Als eine solche Konstruktion behandelt Kagan auch die Moral. Während er sie als "einzigartige Hervorbringung der Evolution" dem dritten "Grundirrtum" der Psychologie, dem Lustprinzip", triumphierend entgegenhält, kassiert er ihre "Eigenständigkeit" sogleich wieder ein.

Denn ihm zufolge läßt sich Moral auf das Bedürfnis zurückführen, Alltagszwänge zu rationalisieren. Für Schuldgefühle macht Kagan einen "dysphorischen Körpertonus" und nicht etwa unsoziales Verhalten verantwortlich. Seine Ansichten über moralische Urteile dürften sich deshalb kaum von seiner Bewertung allgemeiner Aussagen über die menschliche Persönlichkeit unterscheiden: Sie glichen dem Wetterbericht, wobei sich "die Art, wie das Wetter in Neuengland wiedergegeben wird, kaum auf das Wetter anwenden läßt, das an den meisten Tagen in der Sahara herrscht".

BETTINA ENGELS

Jerome Kagan: "Die drei Grundirrtümer der Psychologie". Aus dem Amerikanischen von Andreas Nohl. Beltz Verlag, Weinheim 2000. 301 S., br., 32,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Einer der einflussreichsten Entwicklungspsychologen demontiert drei Mythen seiner Zunft: Der Ansicht, Vergnügungssucht sei eine bedeutende Antriebskraft des Menschen, rückt er ebenso zu Leibe wie der Vorstellung, Intelligenz sei eine abstrakte und messbare Größe. Und er räumt auf mit der These, die Erlebnisse der ersten Jahre legten den Charakter einer Person lebenslang fest."GEO WISSEN 1/ 99