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Das Regime von Vichy wurde nach der französischen Niederlage im Juni 1940 auf deutschen Druck hin etabliert. Seine Legitimation bezog es fast ausschließlich vom Ruf seines greisen Führers, dem Maréchal Pétain, aber auch ohne direkten deutschen Druck strebte das Regime eine nationalistische und rassistische Umwandlung der französischen Gesellschaft und eine Eingliederung Frankreichs in ein von Deutschland beherrschtes Europa an. Auf dem neuesten Stand der Forschung gibt dieses Buch eine chronologische Zusammenfassung und einen Überblick über alle Aspekte der Vichy-Regierung.

Produktbeschreibung
Das Regime von Vichy wurde nach der französischen Niederlage im Juni 1940 auf deutschen Druck hin etabliert. Seine Legitimation bezog es fast ausschließlich vom Ruf seines greisen Führers, dem Maréchal Pétain, aber auch ohne direkten deutschen Druck strebte das Regime eine nationalistische und rassistische Umwandlung der französischen Gesellschaft und eine Eingliederung Frankreichs in ein von Deutschland beherrschtes Europa an. Auf dem neuesten Stand der Forschung gibt dieses Buch eine chronologische Zusammenfassung und einen Überblick über alle Aspekte der Vichy-Regierung.
Autorenporträt
Henry Rousso forscht am Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und leitete das Insitut d'histoire du temps présent von 1994 bis 2005. Sein Forschungsschwerpunkt ist die französische Gesellschaft unter dem Vichy-Regime.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.2009

Marschalls Vaterland

Vom französischen Vichy-Regime im nazifizierten Europa glaubt man die Hauptsache zu wissen und zögert dann doch bei der Frage, ob es eine Form von Faschismus war, ob der gelbe Stern dort auch getragen wurde, wann und warum genau die Vereinigten Staaten von der Anerkennung Pétains auf die des in Nordafrika stationierten Generals Giraud umgeschwenkt sind. Auf diese und zahllose andere Fragen gibt dieses Buch eines der besten Kenner jener Epoche Auskunft. Ein Pionier und ein Meister des Fachs legt einen Überblick vor, der jedes Klischee mit Fakten belegt oder aber widerlegt. Vichy war laut Rousso eine "charismatische Diktatur", Bestandteil des totalen Weltbürgerkriegs zwischen Faschismus und Demokratie, doch war das Regime selbst von Natur aus nicht faschistisch. Strategisch suchte der bis zuletzt populär gebliebene Kriegsheld Marschall Pétain durch Aussetzen der Kriegshandlung Frankreichs Souveränität zu retten und für ein Europa unter deutscher Herrschaft in vorteilhafte Position zu bringen. Ideologisch strebte er die innere Erneuerung an durch die "nationale Revolution", die das Prinzip Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit durch Arbeit-Familie-Vaterland ersetzte. Es war ein Fehlkalkül, mit dem paradoxen Ergebnis, dass prozentual viele französische Juden von der Verfolgung verschont blieben, Ausländer aber umso bereitwilliger den Nazis ausgeliefert wurden. (Henry Rousso: "Vichy". Frankreich unter deutscher Besatzung 1940-1944. Aus dem Französischen von Matthias Grässlin. Verlag C. H. Beck, München 2009. 149 S., 1 Karte, br., 11,95 [Euro].) han.

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.01.2010

Souveräne Verbrecher
Henry Rousso beschreibt das Dilemma der Vichy-Regierung
Groß war die Empörung, noch größer war die Verwirrung, als gegen Ende der Präsidentschaft von François Mitterrand publik wurde, dass der Sozialist jedes Jahr am Grab von Philippe Pétain einen Kranz hatte niederlegen lassen. Die Geste störte die Koordinaten der politischen Orientierung vieler Franzosen: Der erste sozialistische Präsident der V. Republik und langjährige Hoffnungsträger der Linken huldigte einem Mann, der für den politischen Sündenfall schlechthin stand – für Kollaboration und Antisemitismus während der deutschen Besatzung. Als bekannt wurde, wie gekonnte Mitterrand mit scheinbaren politischen Gewissheiten gespielt hatte, begann eine ganz neue Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Kollaboration und dem Symbolnamen Vichy. Die in Frankreich vorherrschende Selbstgewissheit eines geschlossen gegen die Besatzer Widerstand leistenden Volkes, die zuvor zwar auch schon, aber nicht immer mit großer Resonanz kritisiert worden war, wich nun einer breiten selbstkritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit.
Henry Roussos 2007 auf Französisch erschienene Analyse der Jahre 1940 bis 1944 liegt nun auch auf Deutsch vor. In sechs Kapiteln beschreibt der Historiker die Entwicklungsphasen eines Regimes, mit dem nach der raschen Niederlage gegen die Deutschen im Frühsommer 1940 die meisten Franzosen sich arrangierten, das aber von denselben Franzosen vier Jahre später als Inbegriff des Versagens von politischer und menschlicher Verantwortung erschien.
Das „eigentliche” Frankreich
Rousso schildert die Strukturen des Vichy-Regimes, die Strategie der Kollaboration und die „charismatische Diktatur” des Verdun-Siegers Pétain bis hin zur Mitwirkung der französischen Miliz am Genozid. Anhand jedes dieser Themen zeigt er, wie Pétain und seine Getreuen um jeden Preis darauf zielten, die französische Souveränität aufrechtzuerhalten, und die Kontinuität staatlicher Autorität anstrebten – mochte Pétains „Nationale Revolution” auch die Abkehr vom traditionellen republikanischen Denken einschließen. Charles de Gaulle, der große Gegenspieler des greisen Marschalls, gab auch viel auf Souveränität, bemühte sich darum indes auf andere Weise.
Die Gruppe um Pétain war zwar ebenso wenig homogen wie die Résistance. Aber während es de Gaulle gelang, sich als Führer einer geschlossenen Widerstandsbewegung zu gerieren, war Pétain nicht in der Lage, die widerstreitenden Kräfte seiner Bewegung ideologisch zusammenzuhalten.
Denn während die Pétainisten lediglich die Trias von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit durch die altbackene Parole von „Arbeit, Familie und Vaterland” ablösen wollten, fanden sich in ihrem Umfeld auch Antisemiten wie Pierre Laval und René Bousquet, die politisch Karriere machten. Daneben gab es sogenannte Rechtspositivisten wie Maurice Papon, die als hohe Beamte „nur ihre Pflicht” taten und den Anordnungen ihrer jeweiligen Vorgesetzten Folge leisteten, auch wenn sich diese auf die Deportation von Menschen in Vernichtungslager bezogen.
Während das Urteil der Geschichte über skrupellose Antisemiten wie Laval eindeutig war, taten sich die französischen Historiker wie auch die Öffentlichkeit lange schwer, über die Vichy-Verantwortlichen den Stab zu brechen. Das Ziel, die staatliche Kontinuität aufrechtzuerhalten, wurde respektiert. Henry Rousso beschreibt, welcher Preis dafür unter den Bedingungen der Besatzung entrichtet wurde: Pétains Regierung übernahm die Verantwortung für die Verbrechen, die im formalen Herrschaftsbereich Vichys geschahen.
Leider kommen in diesem übersichtlichen Buch manche Aspekte nicht zur Sprache, die der Autor in seiner bereits 1987 entstandenen (und nicht ins Deutsche übersetzten) Studie „Le syndrome de Vichy” analysiert hat. Dazu gehört die Frage, in welchem Maße die Jahre 1940 bis 1944 das kollektive Gedächtnis der Franzosen geprägt haben und bis heute prägen. Als Roussos Buch 1987 erschien, ging Bousquet, der einstige Chef der Polizei von Vichy, noch bei Mitterrand ein und aus.
Jacques Chirac war der erste französische Staatspräsident, der sich dazu bekannt hat, welche Schuld die Vichy-Regierung auf sich lud, indem sie im Namen ihrer Autonomie mit den Deutschen kollaborierte. Dass Chiracs Nachfolger Sarkozy am 8. Mai des vergangenen Jahres behauptete, das eigentliche Frankreich habe mit Vichy nichts zu tun, stellt dagegen einen Rückschritt dar und macht das Buch von Rousso umso wichtiger. Den deutschen Lesern zeigt es, dass „Vergangenheitsbewältigung” zwar ein sehr deutsches Wort, das damit verbundene Problem aber ebenfalls ein französisches ist.
CLEMENS KLÜNEMANN
HENRY ROUSSO: Vichy. Frankreich unter deutscher Besatzung 1940-1944. Aus dem Französischen übersetzt von Matthias Grässlin. Verlag C.H. Beck, München 2009. 149 Seiten, 11,95 Euro.
Der Rezensent ist Gymnasiallehrer und unterrichtet an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Für den hier rezensierenden Clemens Klünemann haben die Franzosen noch immer ein etwas prekäres Verhältnis zum Vichy-Regime, weshalb er dieses Buch des Historikers Henry Rousso nur begrüßen kann. Es schildert die Entwicklung des Regimes, seine Strukturen und seine Kollaboration mit den deutschen Besatzern. Dabei wurde dem Rezensenten sehr deutlich, welch hohen Preis Petain für die von ihm so bedingungslos verteidigte staatliche Souveränität zu zahlen bereit war. Allerdings erfuhr Klünelmann auch, dass das Regime um den Marechal Petain nicht so homogen war, wie es selbst glauben machen wollte. Bedauerlich findet der Rezensent, dass einige Aspekte, wie etwa die zeitgenössische Erinnerung an das Vichy-Regime, die in Roussos Studie von 1987 noch eine Rolle gespielt hat, nun nicht mehr zur Sprache kommen.

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